Interview mit Prof. Klaus Juffernbruch zu Künstlicher Intelligenz

„KI schafft Zeit für mehr Zuwendung und die kniffligeren Fälle!“

Am 16. September 2017 hat in China ein Roboter erstmals einer Patientin zwei Implantate gesetzt. Der Eingriff dauerte eine Stunde, wurde von erfahrenen Operateuren beobachtet – und verlief erfolgreich. Gutes Omen oder Menetekel fur die Zahnmedizin der Zukunft? Wie Kunstliche Intelligenz (KI) die Behandlungsprozesse auch in der Praxis zukunftig verändern wird, weiß Digitalexperte Prof. Klaus Juffernbruch.

‚Der Einsatz von Robotern und Künstlicher Intelligenz in der Medizin‘ – was genau ist damit gemeint?

Prof. Dr. Klaus Juffernbruch: Im Kern geht es darum, medizinische und pflegerische Aufgaben in zunehmendem Maß auf Maschinen zu übertragen. Durch leistungsfähige, präzise Mechanik in Verbindung mit kognitiven Fähigkeiten werden Roboter und künstliche Intelligenzen Aufgaben autonom erledigen können, bei denen es heute noch menschlicher Unterstützung bedarf.

Bis wohin müssen wir denken? Was sind die Potenziale von KI – kann sie den Arzt/Zahnarzt ersetzen?

KI in der Medizin befindet sich noch am Anfang ihrer Entwicklung. Trotzdem gibt es schon beachtliche Erfolge, insbesondere auf dem Gebiet der bildgebenden Diagnostik. Das wird sich ausweiten – auf alle Formen der Diagnosestellung und auf die Therapieplanung. Schließlich werden auch die Therapien selbst von solchen Systemen durchgeführt werden, zum Beispiel im Bereich der Psychotherapie. Mit fortgeschritteneren Robotern werden manuelle Prozeduren wie Implantationen und Operationen folgen. Das alles passiert zunächst unter menschlicher Aufsicht und später dann zunehmend autonom. Mittelfristig werden Arzt und Zahnarzt nur in Teilbereichen ersetzt werden können.

„Ersetzen“ klingt immer ein wenig bedrohlich. Kann man das auch positiv formulieren: Gibt es Vorteile für Ärzte und Zahnärzte im Versorgungsalltag – und wo liegen die Grenzen?

Medizinisches Wissen vermehrt sich immer schneller. KI wird helfen, dieses Wissen zu strukturieren und allen Zahnärzten und Ärzten verfügbar zu machen. Die Übertragung von Routineaufgaben auf Roboter und KI-Systeme ermöglicht die Behandlung einer größeren Zahl von Patienten und schafft freie Zeit, die für mehr menschliche Zuwendung oder kniffligere medizinische Fälle genutzt werden kann. 

Wir haben gerade erst begonnen, die Möglichkeiten und Grenzen auszuloten, und dürfen gespannt sein, wohin die Entwicklung noch geht. Eine prinzipielle Grenze auf lange Sicht ist derzeit nicht erkennbar.

Die Patientenperspektive – welche Vor- oder Nachteile sehen Sie da?

Patienten können sich durch KI bessere medizinische Informationen verschaffen, als es heute mit simpler Internetrecherche möglich ist. Wenn sie in eine Praxis oder Klinik müssen, wissen sie, dass ihr Zahnarzt oder Arzt Diagnose und Behandlung auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse stützen kann. Medizinische Versorgung wird schneller, individueller und die Qualität wird zunehmend unabhängig vom Ort der Versorgung. Die Technik ist an jedem Ort verfügbar, wird nicht müde und braucht keinen Urlaub.

Was ist State of the Art in Sachen KI? Welche Beispiele gibt es für den konkreten Einsatz?

Künstliche Intelligenz, die menschliche Sprache versteht, kann Wissen aus Fachzeitschriften interpretieren sowie Symptome, Diagnosen und Medikationen aus Arztbriefen in strukturierte, auswertbare Daten überführen. Algorithmen sagen bereits heute Herzerkrankungen voraus, spüren Brustkrebs, Hautkrebs und Osteoporose auf und sind in der Lage, Diagnosen aus Daten von medizinischen Sensoren beziehungsweise aus anamnestischen Angaben des Patienten zu erstellen. Roboter unterstützen Pflegepersonal bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten und übernehmen erste Teilaufgaben bei Operationen.

In China hat ein Roboter einer Patientin erfolgreich zwei Zahnimplantate gesetzt – ist das die Zukunft der zahnmedizinischen Behandlung?

Zahnärzte werden durch diese Technologien immer mehr entlastet. Durch bildgebende Verfahren werden die Strukturen im Mund dreidimensional erfasst, Implantate auf dieser Basis durch 3-D-Druck patientenindividuell und passgenau hergestellt und schließlich durch Roboter mit höchster Präzision eingesetzt. Das wird tiefgreifende Auswirkungen auf die Behandlungsprozesse in der Zahnarztpraxis und die Berufsbilder des Zahntechnikers und Zahnarztes haben.



Wenn neue Technologien Eingang in die Regelversorgung finden sollen, ist mit hohen Hürden zu rechnen – Stichwort: intelligente Vernetzung. Was muss hier aus politischer Sicht passieren?

Damit Patienten und (Zahn-)Ärzte von den Vorteilen der neuen Technologien profitieren können, muss sichergestellt sein, dass die Systeme hohen, deutschen Qualitätsstandards genügen. Dazu müssen Qualitätsanforderungen definiert und umgesetzt werden. Aus der Erfahrung mit E-Health in Deutschland hat sich gezeigt, dass auch die beste Technik keinen Erfolg hat, wenn die Vergütung nicht gesichert ist. Hier sollte aus politischer Sicht dafür gesorgt werden, dass die Vergütung in wesentlich stärkerem Maß als bisher am Patientennutzen orientiert wird. Konkret sollte ein neues Behandlungsverfahren in die Regelversorgung dann übernommen werden, wenn die medizinischen Ergebnisse besser sind, das Verfahren bei mindestens gleicher medizinischer Qualität kostengünstiger ist und das Verfahren bei mindestens gleicher medizinischer Qualität die Lebensqualität der Patienten verbessert.

Technikmesse CES in Las Vegas

Die erste Zahnbürste mit Augmented Reality

Hier werden die Trends gesetzt: Auf der wichtigsten US-amerikanischen Technikmesse, der CES in Las Vegas, präsentierten die Aussteller Anfang des Jahres ihre Neuheiten. Fast allen Produkten gemeinsam: der Einsatz von KI und Augmented Reality – vorzugsweise im Bereich Wellness und Gesundheit.

So präsentierte das französische Unternehmen Kolibree auf der Messe die erste „Augmented Reality“-Zahnbürste für Kinder. In Verbindung mit einem Smartphone können sich Kinder mit dieser speziellen Zahnbürste beim Putzen selbst zusehen – und zwar in einer digitalen Umgebung. So sollen sie auf spielerische Weise dazu gebracht werden, ihre Zähne richtig und lange genug zu putzen.

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Die erste Zahnbürste mit Augmented Reality|

Screenshot zm


Wie das funktioniert? Die Zahnbürste erkennt, wie lange und welche Bereiche im Mund geputzt werden und überträgt diese Daten per Bluetooth an eine Smartphone-App. Diese schafft eine digitale Welt, in der sich die Kinder über den Smartphone-Bildschirm selbst beim Putzen sehen können. Und sie sehen ein Gebiss, das widerspiegelt, wie gut sie beim Putzen vorankommen. Je besser sie ihre Sache machen, umso höher sind ihre Chancen, ein „böses Kariesmonster“ zu besiegen und Punkte zu sammeln. nb

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