Ausbildungsmentoren

"Wir müssen Ausbilder, Pädagoge, Familie und Freund zeitgleich sein"

Der Konflikt ist programmiert: Die Erwartungen an die neuen Azubis sind groß, doch die Ausbildung zur ZFA gilt oft nicht mehr als die Erfüllung eines Traumberufs, sondern eher als Notlösung. Was tun? Die Zahnärztekammer Hamburg bildet ZFA und Zahnärzte zu "Ausbildungsmentoren" aus.

Seit knapp zehn Jahren arbeitet Jaqueline Rössler als Zahnmedizinische Fachangestellte in der Hamburger Gemeinschaftspraxis Dr. Ghaussy & Partner. Die Praxis behandelt Patienten an zwei Standorten in der Hansestadt - mit über 20 Mitarbeitern undinsgesamtfünf Auszubildenden. Konflikte sind da oft programmiert.

" BeieinemGroßteil der Auszubildenden ist ZFA kein Traumjob mehr, sondern eher eine Notlösung, weil kein anderer Ausbildungsplatz gefunden wurde", erzählt Rössler. "Sätze wie ' Die Jugend von heute', 'Lehrjahre sind keine Herrenjahre' oder 'Das hätte ich mir als Auszubildende nicht erlaubt', kommen uns im Team beinahe täglich über die Lippen."

"Das hätte ich mir als Auszubildende nicht erlaubt!"

Es sind Sätze, die Bettina Heitmann von der Zahnärztekammer Hamburg ebenfalls oft hört. Heitmann ist Zahnmedizinische Fachassistentin und als Ausbildungsberaterin tätig - zu ihr kommen Ausbilder und Auszubildende mit ihren Sorgen.

"Gerade in den Zeiten, in denen ZFA händeringend gesucht werden, ist die Erwartungshaltung der ausbildenden Teams an den jungen Menschen oft sehr groß", berichtet Heitmann. "Doch die neuen Generationen wollen lieber Work-Life-Balance und sehen in der Ausbildung zur ZFA nicht mehr die Erfüllung eines Traumberufs, sondern lediglich das Absolvieren einer Ausbildung. Ausbilder und ihre Teams müssen zeitgleich Ausbilder, Pädagoge, Familie und Freund sein. Das ist eine große Herausforderung, die viel Fingerspitzengefühl erfordert."

Gemeinsam mit Zahnärztin Dr. Maryla Brehmer, Vorstandsmitglied der Zahnärztekammer Hamburg, hat Heitmann ein Fortbildungsangebot entwickelt, das genau dieses Fingerspitzengefühl vermitteln soll. Die Weiterbildung richtet sich an ausgebildete ZFA und Zahnärzte. Erlernen sollen die Teilnehmerinnen in einem 60-stündigen Kursprogramm Grundlagen, Inhalte, Bedeutung und Wichtigkeit der Ausbildung. Ziel ist, die ausgebildeten ZFA in ihren Ausbildungsambitionen zu unterstützen.

Der Azubi - ein vollwertiges Teammitglied, kein nerviges Anhängsel

Auch Rössler ist - wie sie selbst sagt - für das "Wohl ihrer Auszubildenden" zuständig. " Ich erinnere mich gerne an meine eigene Ausbildungszeit zurück", erzählt die 29-Jährige. "Es wurde zwar viel von mir gefordert, aber man behandelte mich dafür auch als vollwertiges Teammitglied - und nicht als ein nerviges Anhängsel. Genau das versuche ich auch heute unseren Auszubildenden zu vermitteln. Harmonisches Arbeiten im Team steht bei mir an erster Stelle!"

Dennoch fühlte sie sich nicht gut vorbereitet: " Ich war noch etwas planlos, wie man eine gute Ausbildung strukturiert - und wie man ein Berichtsheft ordentlich führt war für mich - das muss ich ehrlich zugeben - auch ziemlich unverständlich."

Die ZFA wissen zu wenig über die Ausbildungsinhalte von heute

Jaqueline Rössler ist damit nicht alleine. "Vielen ist die Vernetzung des Ausbildungsnachweises mit den beiden Lernorten Praxis und Berufsschule in dem bestehenden Umfang gar nicht bewusst", erzählt Heitmann. "Ebenso fehlt vielen die Kenntnis über die zeitliche Struktur für die zu vermittelnden Inhalte." Mit dem neuen Fortbildungsangebot der Zahnärztekammer Hamburg sollen nun genau diese Wissenslücken geschlossen werden.

Jaqueline Rössler hat den Pilotkurs bereits erfolgreich absolviert - und ist zufrieden: "

Der Pilotkurs umfasste sechs Unterrichtstage, die über drei Monate verteilt waren, plus einer Hospitation bei den Abschlussprüfungen zur ZFA. Einer der Unterrichtstage fand außerdem in der Berufsschule statt. Hier wurden den Teilnehmern vom Schulleiter und zwei Lehrkräften die Unterrichtsräume vorgestellt und die Vorgehensweise rund um das individualisierte Lernen, das Lerncoaching und die Wissensüberprüfungen erläutert.

Ein Tag an der Berufsschule

"Dieser Tag an der Berufsschule ist etwas ganz Besonderes", sagt Heitmann. "Die Kursteilnehmerinnen waren sehr begeistert, da sie kaum Vorstellungen hatten, wie ein Unterrichtstag an der Berufsschule verläuft. Beeindruckt haben sie auch die Hospitation bei der praktischen Prüfung. Das Verständnis für die Prüfung, Inhalte und die Erwartungshaltung an die Prüfleistung wurde so geweckt und vertiefend vermittelt."

Ich dachte: 'Das kann doch nichts werden!'

Meist sei es genau dieses Unverständnis gegenüber den jüngeren Generationen, das später zu Konflikten zwischen Azubi und Ausbilder führt, bestätigt Heitmann.

"Wir haben viele Dinge gelernt, von denen wir vorher gar nicht wussten, dass es sie gibt", berichtet eine andere Kursteilnehmerin. "Bisher hat man einfach eine Auszubildende eingestellt und ließ sie mitlaufen. Nun wissen wir, wie man strukturiert ausbildet. Die jungen Auszubildenden sollten dort abgeholt werden, wo sie tatsächlich stehen, und sie müssen während der gesamten Ausbildungszeit begleitet und unterstützt werden."

Das Lernen lehren - die Fortbildung zum Ausbildungsmentor

Das Lernen lehren - die Fortbildung zum Ausbildungsmentor

Weitere Informationen zum Fortbildungsangebot finden Sie auf derhttps://www.zahnaerzte-hh.de/zahnaerzte-portal/fortbildung/nfi-kurse-fuer-praxismitarbeiterinnen/anpassungsfortbildungen-und-sonderevents/ausbildungsmentor/ _blank external-link-new-window. Der nächste Kurs beginnt am 5. November 2018.

Und eine weitere Absolventin erzählt: "Dieser Kurs hat uns die Augen geöffnet, nämlich dass die Auszubildenden von heute bald unsere Kolleginnen von morgen sind. Wir ernten später das, was wir gesät haben. Da ist es doch logisch, dass wir besonders gut ausbilden, um auf diese Weise einem späteren Mitarbeitermangel entgegentreten."

Ausbildungsplanung und Struktur, Zeit für den jungen Auszubildenden, Belohnung für gute Leistungen, Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten und vielleicht auch einmal einen Einkaufsgutschein - dies alles dient laut Heitmann der Auszubildendenbindung. "Eine erfolgreiche Ausbildung zur ZFA fängt mit der guten Auswahl des zukünftigen Teammitglieds an", betont Heitmann. "Wenn der Auszubildenden dann noch die erforderliche Wertschätzung entgegengebracht wird, ist schon viel für eine künftige zufriedene Mitarbeiterin getan."

"Wir müssen die jungen Menschen auf ihre Weise verstehen lernen"

Für Rössler liegt hier die größte Herausforderung: " dem Nachwuchs nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern täglich aufs Neue zu motivieren, um am Ball zu bleiben. Vor meiner Zeit als Ausbildungsmentorin habe ich mich nie richtig mit den jungen Menschen von heute beschäftigt. Wir müssen umdenken und die jungen Menschen auf ihre Weise verstehen lernen - auch wenn wir zunehmend feststellen müssen, dass sich nur noch wenige für unseren schönen Beruf interessieren."

Die Fortbildung zum Ausbildungsmentor kann Rössler nur jedem empfehlen, der sich um Azubis in der Praxis kümmern muss, empfehlen. " In erster Linie waren es die Referenten, die den Kurs so lebhaft und Interessant gemacht haben. Es war ein Pilotprojekt, eine Herzensangelegenheit von Bettina Heitmann und das hat man deutlich gespürt."

Und auch mit dem Berichtsheft klappt es nun: "Ich muss ehrlich zugeben, das Berichtsheft war für mich sehr unverständlich, dank des Kurses fühle ich mich nun sicher genug, um es mit meinen Schützlingen zu bearbeiten ohne mich zu blamieren."

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