All-on-4-Studien
Seit 2010 wurden erstmals in der Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Wien und im CMF Implantat Institut Wien Studien mit vier ultrakurzen 4,0 x 5,0 mm beziehungsweise Durchmesser-reduzierten 3,0 x 8,0 mm kurzen Bicon-Implantaten bei Unter- und Oberkiefern mit Atrophieklasse V und VI nach Cawood and Howell [1988] durchgeführt [Seemann et al., 2015, 2017; Wagner et al., 2018]. Alle Patienten wurden mit metallfreien Glasfaser-verstärkten Trinia™-Kunststoffprothesen versorgt [Ewers et al., 2017].
Material und Methode:
Bei den Kiefern mit einer Klasse-V- und -VI-Atrophie [Cawood and Howell, 1988] wurden im Unterkiefer immer und im Oberkiefer teilweise vier 4,0 x 5,0 mm ultrakurze Bicon-Implantate eingesetzt. Bei manchen Patienten waren die Alveolarkämme im Front-/Prämolarenbereich so dünn, dass Durchmesser-reduzierte 3,0 x 8,0 mm Bicon-Implantate verwendet werden mussten. Im Oberkiefer wurden insgesamt 18 Patienten mit 72 Implantaten versorgt.
Die Patienten wurden in drei Gruppen aufgeteilt. In der ersten Gruppe wurden jeweils vier 4,0 x 5,0 mm Calciumphosphat-beschichtete Bicon-Integra-CP-Implantate (Bicon, Boston, USA) inseriert. In der zweiten Gruppe wurden wegen zu dünnem Alveolarknochen in der Front jeweils zwei Durchmesser-reduzierte 3,0 x 8,0 mm Implantate inseriert. In der dritten Gruppe wurden bei zu schmalem und zu niedrigem Alveolarknochen im Prämolarenbereich jeweils 4,0 x 5,0 mm Implantate im Tuber maxillae inseriert. Alle Patienten wurden mit metallfreien Prothesen aus Glasfaser-verstärktem Trinia™-Kunststoff-Hybridmaterial versorgt. Im Unterkiefer wurden 17 Patienten mit 68 Implantaten und metallfreien Prothesen aus Glasfaser-verstärktem Trinia™-Kunststoff-Hybridmaterial versorgt. Der Beobachtungszeitraum betrug 2,9 ± 1,5 Jahre.
Ergebnisse:
Zwei Patienten der „Oberkiefer-Gruppe“ verloren während des Beobachtungszeitraums von bis zu vier Jahren ein Implantat, das daraufhin ersetzt wurde. Da die Patienten während der Einheilungszeit der Ersatzimplantate ihre Prothese auf drei Implantaten tragen konnten, ergab dies einen 100-prozentigen prothetischen Erfolg [Ewers et al, 2018]. Bei der „Unterkiefer-Gruppe“ ging bisher bei einer Patientin ein nicht osseointegriertes Implantat verloren. Da diese Patientin seit mehr als fünf Jahren ihre Trinia-Prothese auf drei Implantaten trägt, können wir im Unterkiefer ebenfalls von einem 100-prozentigen prothetischen Erfolg berichten [Seemann et al., 2017].
Abbildung 1: a: Ausschnittsvergrößerungen von Panoramaschichtaufnahmen einer 55-jährigen Patientin mit Fraktur des rechten horizontalen, stark atrophen Unterkiefers, b: Frakturversorgung mithilfe einer rigiden Resektionsplattenosteosynthese, c: Zustand nach der viereinhalb Jahre später erfolgten Metallentfernung, d: gut verheilte Fraktur nach Metallentfernung, e: Bei der Implantatfreilegung wurde bemerkt, dass das mittlere linke Implantat nicht osseointegriert ist. Bei der Implantatinsertion war nicht bemerkt worden, dass es direkt in die ehemalige Stelle der Osteosyntheseschraube inseriert worden war, f: zementierte, metallfreie, Glasfaser-verstärkte Trinia-Hybridkunststoffprothese | Ewers et al.
Abbildung 2: zementierte, metallfreie, Glasfaser-verstärkte Trinia-Hybridkunstoffprothese in situ nach über fünf Jahren | Ewers et al.
Patientenfall 1:
Patientin mit dem nicht osseointegrierten Implantat im Unterkiefer:
Es handelt sich um eine damals 55-jährige Frau, Zustand nach Fraktur des horizontalen Astes des rechten atrophen Unterkiefers (Atrophieklasse VI) (Abbildung 1a), der osteosynthetisch versorgt wurde (Abbildung 1b). Nach der viereinhalb Jahre später erfolgten Metallentfernung wünschte sie sich eine implantatgetragene Prothese trotz ihrer fortgeschrittenen Kieferatrophie (Abbildung 1c). Bei der Freilegung nach komplikationsloser Implantateinheilung bemerkten wir bei der Patientin drei Monate später eine fehlende Ossointegration beim linken mittleren Implantat (Abbildung 1e). Bei der Implantatinsertion war nicht aufgefallen, dass das mittlere linke Bicon-Implantat genau an der Stelle werden sollte, wo vorher eine Osteosyntheseschraube entfernt worden war (Abbildung 1d). Dieses Implantat wurde entfernt und die metallfreie Glasfaser-verstärkte Trinia™-Hybridkunstoffprothese auf die noch vorhandenen drei 2,5 mm Bicon-Implantatabutments zementiert (Abbildung 1f).
Wir planten bei der Patientin umgehend das verloren gegangene Implantat zu ersetzen. Anfänglich vertröstete uns die Patientin, später wollte sie keine erneute Operation, da sie das Gefühl hatte, auch mit drei Implantaten sehr gut zurechtzukommen. Diese Situation ist nun mehr als fünf Jahre stabil.
Abbildung 3: Ausschnittsvergrößerungen von Panoramaschichtaufnahmen eines 69-jährigen Patienten: a: mit Tiefziehschiene und zwei Metallkugeln zur besseren Lokalisation, b: mit vier inserierten 4,0 x 5,0 mm Bicon-Integra-CP-Implantaten, c: mit zementierter Prothese bei Belastungsbeginn | Ewers et al.
Abbildung 4: a: ausgerichtete zu zementierende Abutments auf dem Gipsmodell, b: kaudale Ansicht der Trinia-Prothese mit vier Öffnungen zur Aufnahme der zu zementierenden Abutments, c: fertiggestellte Prothese mit vier zu zementierenden Abutments | Ewers et al.
Abbildung 5: a: intraorale Ansicht der vier zu zementierenden Abutments bei Belastungsbeginn in situ, b: Ausschnittsvergrößerungen der Panoramaschichtaufnahme mit zementierter Prothese nach dreijähriger Tragezeit, c: palatinale Ansicht der zwölfgliedrigen Trinia-Prothese mit freiliegendem Gaumen | Ewers et al.
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