Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer

Ohne Förderung keine Zukunft

Fast die Hälfte der Behandler, zwei Drittel der Studierenden, knapp 66 Prozent der Absolventen und 63 Prozent der unter 35-Jährigen in der Zahnmedizin sind heute Frauen. Und in der Standespolitik? Hier ist Mann nach wie vor (fast) unter sich. Die Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) in Frankfurt zeigt: Alle wünschen sich mehr junge und mehr weibliche Delegierte in den Gremien. Bleibt die Frage nach dem Wie.

 „Wir sollten und wollen nicht noch eine Generation warten, bis unsere Kolleginnen und unser Nachwuchs die standespolitischen Herausforderungen und damit ihre eigenen Belange mitgestalten dürfen“, stellte BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel eingangs in seiner Rede klar. Ob starre Übergangsquoten oder andere Maßnahmen der richtige Weg sind, müsse man diskutieren. Sein Appell an die Delegierten: zu akzeptieren, dass sich die Jüngeren für mehr Freizeit statt für Überstunden entscheiden, dass sie die materielle Sicherheit dem Risiko der Niederlassung vorziehen oder auch wegen der Kinder lieber angestellt sind und in Teilzeit arbeiten. „Jeder Fünfte von uns ist angestellt“, bilanzierte Engel und rief dazu auf, schleunigst neue und praktikablere Modelle für eine zukunftsfähige Niederlassung zu entwerfen. 

 Es geht nicht um die Quote 

Auch BZÄK-Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Oesterrreich hob hervor, dass die Versammlung so auszugestalten sei, dass die Interessen angestellter Zahnärzte und Zahnärztinnen artikuliert und berücksichtigt werden. Oesterreich: „Auf dem Weg zu einem Gesamtkonzept zur Förderung des beruflichen Nachwuchses bedarf es einer klaren Position, wie wir verstärkt Frauen in die berufspolitische Verantwortung bringen.“

Dass es dem Gros der Zahnärztinnen nicht um die Quote geht, betonten Zahnärztinnen wie Sabine Steding, Mitglied im Vorstand der Kammer Niedersachsen und im BZÄK-Ausschuss Beruflicher Nachwuchs, Familie und Praxismanagement. Gleichwohl habe die Gesundheitsministerkonferenz das Bundesgesundheitministerium gebeten, die Einführung einer Geschlechterquote von 40 Prozent für die Selbstverwaltung der KVen und KZVen zu prüfen. Der Druck der Politik sei also spürbar, auch deshalb sei es wichtig, Impulse zu setzen – soll heißen, „Frauen zu fördern und dabei eine gewisse Freiwilligkeit zu gewährleisten!“ 

Zuvor hatte sich Dr. Anke Klas, Präsidentin des Verbands der ZahnÄrztinnen (VdZÄ), öffentlich für eine „Übergangsquote“ ausgesprochen: „Die Beteiligung von Kolleginnen in den Gremien des Berufsstands muss zu einer Selbstverständlichkeit werden!“, forderte sie. „Es fehlt auf Bundesebene an weiblichen Vorbildern!“, warb auch Dr. Gudrun Kaps-Richter, Baden-Württemberg, für mehr Frauenpräsenz. Da aus ihrer Sicht die meisten Themen aber in erster Linie nicht genderpolitisch verortet sind, mache es nur Sinn, den Nachwuchs insgesamt zu unterstützen. „Wozu fördern?“, wandte daraufhin jedoch ein Großteil der Delegierten ein: Jedem und jeder stehe der Weg in die Berufspolitik frei – und dieser werde ja auch von etlichen Frauen beschritten. Klar ist: Das Thema ist im Berufsstand angekommen und wird – heiß – diskutiert.

Die ewigen 5,62421 Cent

Kritik übte Engel anschließend an der unendlichen Hängepartie bei der neuen GOZ. „Wie lange sollen wir noch warten?“, fragte er. „Seit sechs Jahren mahnen wir vergebens eine Punktwerterhöhung an.“ Die damalige Zusage einer regelmäßigen Überprüfung sei nicht eingehalten worden. „Einige Jungkollegen, die mit 30 Jahren begonnen haben, kennen nur einen einzigen Punktwert– die ewigen 5,62421 Cent. Dieser Betrag wurde schon vor ihrer Geburt auf elf Pfennig festgelegt und 2002 auf die x-te Nachkommastelle in Cent umgerechnet.“


Auf die Veränderungen der Arbeitsprozessse in der Praxis verwies BZÄK-Vizepräsident Prof. Dr. Christoph Benz. „Wenngleich die Ärzte in Bezug auf die Digitalisierung so hilflos erscheinen wie damals Pferde gegenüber der Dampfmaschine: Wir Zahnärzte sind die digitalste Arztgruppe, seit den 80ern!“ Im Übrigen gebe es überraschend sinnvolle Ansätze auf dem Markt. „So zeigt die App Vivy, dass man dem Patienten ein Stück weit Verantwortung übergeben kann“, erklärte Benz. Stichwort Verantwortung (– und Gängelei): „Während wir früher im Berufsstand selbstbestimmt Qualitätskriterien definiert haben, gibt der Gemeinsame Bundesausschuss heute irgendwelche Prüfkriterien vor und Qualität verkommt zum Selbstbedienungsladen!“

Gleiche Rechte und Pflichten

Wie das Thema Nachwuchsförderung zum Spielball der Interessen wird, veranschaulichte Engel am Beispiel der Z-MVZ: „Wir wollen doch nicht das Feld nur jenen überlassen, die sich den massiven Strukturwandel zunutze machen, indem sie unseren Nachwuchs als Angestellte mit Versprechungen in ihre Riesenpraxen locken und diese Praxen zu Discountern umwandeln.“ Dennoch: „Nicht alle Z-MVZ sind zu verteufeln!“ Akzeptabel sei ein Zentrum, wenn es der flächendeckenden Versorgung dient oder den niedergelassenen Zahnärzten nicht mit Dumping die Patienten wegkonkurriert. „Was uns stört“, machte der BZÄK-Präsident unmissverständlich klar, „sind solche zahnärztlichen Zentren, die von ihren Geldgebern zu ungezügeltem Gewinnstreben getrieben werden: Internationale Investoren, Family Offices, Private-Equity-Gesellschaften – unisono also Spekulanten und Heuschrecken.“ 

Warum es zu den ureigenen Aufgaben der Kammer gehört, die Bedingungen für eine gute Arbeit in der Praxis zu verbessern, erläuterte Oesterreich: „Wir können es nicht zulassen, dass sowohl Patienten als auch Zahnärzte in den Sog der Interessen von Großinvestoren geraten!“ Gerade in Zeiten zunehmender Kommerzialisierung des Gesundheitssytems müsse sich der Berufsstand auf sein Wesen zurückbesinnen: „Der Zahnarztberuf ist ein Freier Beruf – elementar verbunden mit der Selbstverwaltung!“ Der Zugang zum Beruf müsse so geregelt sein, dass die Kriterien des Zahnheilkundegesetzes und des Berufsrechts – Eigenverantwortlichkeit, Unabhängigkeit und nicht gewerbliche Tätigkeit – für alle Organisationsformen verbindlich gelten und die Überwachung der Berufspflichten für alle Organisationsformen erfolgt. Oesterreich: „Nicht nur gleiche Rechte, sondern auch gleiche Pflichten sind unsere Forderung!“

Schutz für die Eindringlinge?

Der Kabinettsentwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) enthalte zu dieser Problematik freilich nur eine Wischiwaschi-Passage – mit der Folge, „dass angesichts des Expansionstempos der MVZ in einem Jahr die Republik von Flensburg bis Rosenheim mit diesen Marktteilnehmern voll gepflastert sein wird“, rügte Engel. Fakt sei: „Die unerwünschten Eindringlinge genießen dann Bestandsschutz – selbst wenn die Politik erkennt, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist.“ Dementsprechend sollte für zahnärztliche MVZ gelten, dass Dritte keine Gewinnbeteiligungen haben, wirklich Zahnärzte Gesellschafter sind, und die Gesellschaften der zahnärztlichen Berufsaufsicht unterliegen. „Über solche Regelungen verfügen zum Beispiel Rechtsanwälte und Steuerberater seit Langem“, führte Engel aus. „Aus guten Gründen hat der Gesetzgeber damals geregelt, dass diese Berufe vor dem Einfluss von Fremdkapital geschützt werden – nur wir Ärzte nicht. Warum eigentlich uns verweigern, was anderen gestattet ist? Wo ist da die Logik?“ Engel: „Deshalb fordert der gesamte Berufsstand die Gründungsvoraussetzungen für MVZ zu beschränken, nicht nur um den Berufsstand, sondern vor allem auch um die Patienten zu schützen.“

ZApprO, Z-MVZ, GOZ

Die zentralen Forderungen an das BMG

Die drei zentralen Forderungen fasste Dr. Thomas Breyer, Vorsitzender der Bundesversammlung, zusammen: 

  • „Wenn wir weiterhin eine moderne Zahnheilkunde haben wollen, die die Bevölkerung auf höchstem Niveau versorgt, brauchen wir die ZApprO.“

  • Z-MVZ: „Es kann nicht sein, dass Profitgier im Mittelpunkt steht und die freiberuflichen Strukturen, die wir über Jahre aufgebaut haben, zerstört werden. Hier muss der Gesetzgeber handeln, bevor man in fünf Jahren merkt, dass es zu spät ist.“

  • „Wir brauchen eine Erhöhung des Punktwerts bei der GOZ.“

Grußwort von Staatssekretär Dr. Thomas Gebhart

„Das Thema Z-MVZ treibt uns auch im BMG um!“

„Das Thema Z-MVZ treibt uns auch im BMG um“, versicherte Dr. Thomas Gebhart, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, in seinem Grußwort. Die Sicherstellung der zahnmedizinischen Versorgung setze Strukturen voraus, die den Vorstellungen der Zahnärzte von ihrer Berufsausübung auch Rechnung tragen. „Viele Zahnärzte wünschen sich einen Job im Angestelltenverhältnis ohne finanzielles Risiko“, sagte Gebhart. MVZ seien seit vielen Jahren als Bestandteil der ärztlichen Versorgung etabliert, da sie für den Nachwuchs eine Alternative darstellen – laut Gebhart sollen sie die ambulante Versorgung der Niedergelassenen aber nicht ersetzen, sondern ergänzen. „Die Problematik der Finanzinvestoren haben wir genau im Blick“, betonte er. „Ich bin bekennender Kaffeeliebhaber, ich trinke auch Jacobs, aber die Wahl des Zahnarztes ist immer Vertrauenssache. Wir wollen die Attraktivität der MVZ erhalten, Ziel ist eine ausgewogene Balance zwischen Angestellten und Niedergelassenen.“ Der Vorschlag der Zahnärzteschaft zur Begrenzung von MVZ-Gründungen durch Finanzinvestoren werde daher breit diskutiert: „Minister Spahn hat das Thema zur Chefsache erklärt und wird alle Beteiligten an einen Tisch holen!“

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