Netzwerk Spitzenfrauen Gesundheit

„Wir fordern gleichberechtigte Teilhabe“

Führungspositionen in den Organisationen und Gremien des Gesundheitswesens sind überwiegend von Männern besetzt. Die Initiatorinnen des Netzwerks „Spitzenfrauen Gesundheit“ wollen nun per Gesetz innerhalb der nächsten fünf Jahre Parität herstellen. Ihre Resolution übergaben die Frauen der gesundheitspolitischen Sprecherin der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag, bei der Auftaktveranstaltung des Netzwerks in Berlin.

„Spitzenfrauen Gesundheit ist eine für den Verband der ZahnÄrztinnen äußerst ermutigende Initiative, die zentrale Ziele und Forderungen unseres Verbands aufgreift“, urteilt deren Präsidentin Dr. Anke Klas. „Es ist an der Zeit, dass sich die standespolitisch aktiven Frauen im Gesundheitswesen vernetzen und ihren Anspruch auf Mitsprache in den Führungsgremien nicht nur deutlich machen, sondern auch durchsetzen.“ 

Verschwindet dann der kleine Unterschied?

Zur Auftaktveranstaltung hatte das Netzwerk am 20. Februar in die Bremische Landesvertretung in der Bundeshauptstadt eingeladen. Die „Spitzenfrauen Gesundheit“ – das sind bislang Cornelia Wanke, Geschäftsführerin des Vereins der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM), Antje Kapinsky, Fachleiterin Gesundheitspolitik der Techniker Krankenkasse, Dr. Christiane Groß, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbunds, Dr. Christina Tophoven, Geschäftsführerin der Bundespsychotherapeutenkammer und Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Bundestagsabgeordnete Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Seitens der Zahnärztinnen haben sich neben Klas noch Dr. Susanne Fath, Präsidentin des Dentista e. V., und PD Dr. Dr. Christiane Gleissner, Präsidentin der Fachgesellschaft Gender Dentistry International e. V., dem Netzwerk angeschlossen.

„Bei Frauen wird oft nicht der Titel genannt – bei Männern passiert das selten.“
Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Gefolgt war der Einladung unter anderem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. „Ich arbeite gerne mit und unter Frauen – wie beispielsweise unter der Bundeskanzlerin“, stellte Spahn klar. Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, müssen dem Minister zufolge die Rahmenbedingungen verbessert werden. Konkret nannte er die familiengerechte Ausrichtung der Arbeitszeiten und -orte – für alle Tätigkeiten im Gesundheitswesen. Daher habe er sich dafür eingesetzt, im Rahmen des Pflegepersonalstärkungsgesetzes (PpSG) Modellprojekte jenseits von Kita-Öffnungszeiten zu entwickeln. Auch bei der „Konzertierten Aktion Pflege“ sei das Thema Schicht- und Arbeitsplanung prominent platziert. Er sei allerdings nicht der „allergrößte Fan einer konsequenten Quote“, sondern „ein Freund der freien Wahlen“. „Was ich mir gut vorstellen kann, ist, dass wir in den Gremien, etwa des GKV-Spitzenverbandes, im Verwaltungsrat, tatsächlich mit einer Frauenquote mal zeigen, dass man einen Unterschied machen kann.“ 

„Ein Mann zu sein – das ist die günstigste Aufstiegsprognose in der Medizin.“
Dr. Ulrike Ley, Coach und Buchautorin

Dr. Ulrike Ley, Coach für Frauen in Führungspositionen und Buchautorin, nannte in ihrem Impulsvortrag als größte Hürde für Frauen die „männliche Dominanz am Arbeitsplatz“. Gleichstellung bedeute nicht, dass auch Frauen „mal in Führungspositionen ankommen“, sondern dass auch mäßig talentierte Frauen ähnlich oft oben ankommen wie mäßig talentierte Männer. „Kurz gesagt, ein Mann zu sein – das ist die günstigste Aufstiegsprognose in der Medizin“, resümierte Ley.

Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg, erklärte, sie sei stolz darauf, eine Quotenfrau zu sein. Prüfer-Storcks forderte vor allem für die Gremienarbeit, Rituale wie die Präsenzpflicht auf den Prüfstand zu stellen. Ihrer Meinung nach werden Frauen auch durch die bestehenden Abläufe von der Gremienarbeit abgeschreckt. Sitzungen sollte es nur bei echten Themen und bei Entscheidungsbedarf geben, nicht, „weil wieder der dritte Montag im Monat ist“. 

Die Grünen-Abgeordnete Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, kritisierte, dass bei Frauen oft der Titel unterschlagen werde – Männern passiere das selten. Beim Thema Quote machte sie bei Männern „ein langsames Umdenken“ aus, dass diese keine Bedrohung sei, sondern „ein Versprechen nach mehr Teilhabe“. Für Kappert-Gonther führt nur eine vorgeschriebene Parität zum Ziel; ohne Quote gehe es nicht. 

Der als „Vater der Frauenquote in DAX-Konzernen“ vorgestellte FDP-Bundestagsabgeordnete Thomas Sattelberger erklärte, dass er schon seit Jahren für „Diversity“ kämpfe, auch in seiner Partei – „die hat das bitter nötig“. Er verwies auf den Geschäftserfolg gemischter Teams und unterstrich: „Gleichberechtigung der Frauen ist ein Menschenrecht.“ 

„Meine Partei hat Diversity bitter nötig.“
Thomas Sattelberger, FDP-Bundestagsabgeordneter

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Gesine Agena, schilderte die in der Parteisatzung verankerten Maßnahmen wie die festgelegte Reihenfolge der Geschlechter bei Abstimmungen. „Wenn Frauen als erste für etwas stimmen, werden Männer danach wahrscheinlich nicht dagegen stimmen.“ Zudem seien paritätisch besetzte Redelisten und Versammlungsleitungen vorgeschrieben. „Ist der Frauenanteil bei der Redeliste ausgeschöpft, muss die Versammlung gefragt werden, ob die Sitzung fortgeführt werden soll“, beschrieb sie das Verfahren. 

Am Ende der Auftaktveranstaltung wurde Spahn von Cornelia Wanke ein T-Shirt mit der Aufschrift „Regel Nr. 1: Sei niemals Nr. 2!“ überreicht. Und Karin Maag, die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, erhielt von den Initiatorinnen, die auch von Klas, Fath und Gleissner unterzeichnete Resolution (siehe Kasten). Maag beschrieb das Spannungsfeld zwischen der Forderung einer Quote und der Achtung der Gestaltungsspielräume der Selbstverwaltung und machte zugleich deutlich, dass man in ihrer Fraktion über das Thema Gleichstellung sehr ernsthaft nachdenke. Weitere Veranstaltungen sollen folgen, verkündeten die Initiatorinnen.

Die Resolution

„Die Rolle der Frauen im deutschen Gesundheitswesen ist sehr ambivalent: Ihr Anteil an den Beschäftigten ist hoch. In Arztpraxen und Krankenhäusern, bei Krankenkassen und Institutionen: Überall sind Frauen zahlenmäßig stark vertreten, teilweise liegt ihr Anteil sogar bei mehr als zwei Dritteln der Beschäftigten. Auch in der Ärzte-, Psychotherapeuten- und Zahnärzteschaft steigt der Anteil der Frauen stetig. Mittlerweile ist hier nahezu die Hälfte weiblich. Dennoch werden Führungspositionen in den Organisationen und Gremien des Gesundheitswesens überwiegend von Männern besetzt. In vielen Organisationen ist nicht einmal jede zehnte Führungskraft eine Frau. Es gibt noch immer Bereiche, in denen gar keine Frau im Vorstand oder der ersten Führungsebene vertreten ist. Dies kann nicht weiter hingenommen werden. Es hat sich in Jahrzehnten gezeigt, dass Appelle und Selbstverpflichtungen nicht ausreichen. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Resolution fordern die Bundesregierung und die Regierungen der Bundesländer auf, in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich verbindliche Regelungen für die paritätische Besetzung von Führungspositionen im Gesundheitswesen zu schaffen. Für alle Körperschaften des öffentlichen Rechts, die Aufgaben der ärztlichen, zahnärztlichen, psychotherapeutischen, der sozialen und der gemeinsamen Selbstverwaltung erfüllen, muss das Ziel sowohl für die Verwaltungsräte und Vertreterversammlungen, wie auch für die Vorstände, Geschäftsführungen und obersten Führungsebenen gesetzlich verankert werden. Für alle Organisationen, die in einer anderen Rechtsform vom Gesetzgeber übertragene Aufgaben der Gesundheitsversorgung erfüllen, sind analoge Regelungen zu schaffen. Besetzungskommissionen sind ab sofort paritätisch zu besetzen. Für Auswahlverfahren muss eine Dokumentationspflicht eingeführt werden und auch ein Einsichtsrecht in diese Dokumentation für unterlegene Kandidatinnen und Kandidaten. Die Herstellung der Parität muss innerhalb von fünf Jahren erreicht werden. Die jeweils zuständige Aufsicht hat die Umsetzung der Vorgaben jährlich zu überprüfen. Die Organisationen müssen in ihren Rechenschaftsberichten jährlich über die Fortschritte berichten. Das Bundesgesundheitsministerium hat für seinen Zuständigkeitsbereich jährliche Berichte an den Bundestag zuliefern. Wir fordern gleichberechtigte Teilhabe an der Gestaltung des Gesundheitswesens. Es wird Zeit, dass die Kompetenzen und Erfahrungen von Frauen stärker in die Entscheidungen im Gesundheitswesen einfließen und die Vorteile von gemischten Führungsteams genutzt werden. 

Berlin, den 20. Februar 2019“

Resolution des Netzwerks „Spitzenfrauen Gesundheit“

mth

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