DAJ-Konzept zur Schulung von Hebammen

ECC-Karies vermeiden: Wie motiviere ich junge Eltern?

Mundgesundheit wird in der Hebammenausbildung verankert. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ) hat eine Gruppe von Zahnärztinnen, Gesundheitspädagoginnen und Prophylaxefachkräften zu Dozentinnen ausgebildet, um angehenden Hebammen zu vermitteln, wie sie die Eltern für die frühkindliche Kariesprävention sensibilisieren können.

Die DAJ hat mit mehreren Landesarbeitsgemeinschaften für Jugendzahnpflege und in Kooperation mit dem Deutschen Hebammenverband ein modulares Unterrichtskonzept entwickelt. Zur Implementierung und Vermittlung wurden Anfang Dezember 2018 erstmals bundesweit 20 Zahnärztinnen, Gesundheitspädagoginnen und Prophylaxefachkräfte als Dozentinnen ausgebildet, um angehende Hebammen in Sachen Mundgesundheit fit zu machen. Die meisten Dozentinnen haben bereits Termine an den Ausbildungsstätten.

Bettina Berg, Geschäftsführerin der DAJ, erklärt den zm dazu: „Mit dem Konzept legen wir die Basis für das Thema frühkindliche Kariesprävention an den Hebammenausbildungsstätten bundesweit. Die zentrale Frage lautet: Wie können Hebammen das Thema am besten in ihre Beratung integrieren?“

Gerade Hebammen komme bei der Vermittlung von frühkindlicher Kariesprävention eine Schlüsselrolle zu, erläutert Berg weiter. Schließlich begleiten sie junge Frauen und auch deren Partner auf dem Weg ins Elterndasein. In der Zeit vor der Schwangerschaft über die Phase der Geburt und Wochenbett bis weit ins erste Lebensjahr stehen sie den Eltern zur Seite. Berg: „Deshalb entstand die Idee, die mundgesundheitliche Prävention in ein Schulungskonzept für die Hebammenausbildung einzubinden und Dozentinnen entsprechend auszubilden. Das Anliegen wurde vom Hebammenverband unterstützt.“

 Die wissenschaftliche Beratung für die Unterrichtsmaterialien lag bei PD Dr. Yvonne Wagner, Universität Jena. Um Aspekte der gesundheitlichen Chancengleichheit zu integrieren, waren die Frühen Hilfen der Stadt Frankfurt/Main eingebunden.

Im Zentrum des Schulungskonzepts stehen die beiden Kernbotschaften:

  • Frühkindliche Karies und Nuckelflaschenkaries sind vermeidbar.

  • Die Mutter kann und sollte effektiv für ihre eigene Mundgesundheit sorgen.

Das Unterrichtskonzept ist so angelegt, dass es sowohl in der Hebammenschule als auch im Rahmen der akademischen Ausbildung zum Einsatz kommen kann. Es schafft fachliche Sicherheit in Fragen der Mundgesundheit, legt aber auch großen Wert auf die Frage, wie Informationen motivierend und wertschätzend an die werdenden Eltern weitergegeben werden.

Ein wichtiges Modul zielt darauf ab, die angehenden Hebammen dafür zu sensibilisieren, wie sie das Gelernte in die eigene Arbeit integrieren können. Dazu gehört zum einen die Selbstreflexion (Welche Haltung habe ich selbst zum Thema Mundgesundheit?). Zum anderen gehört dazu die Sensibilisierung im Umgang mit verschiedenen Elterntypen (Wie finde ich die richtige Ansprache - auch bei Familien mit psycho-sozialen Problemlagen?).

Zwei Unterrichtsvarianten

Das Konzept sieht zwei Unterrichtsvarianten vor:

Variante 1

umfasst vier Module und erfordert zwei Doppelstunden à 90 Minuten:

  • Mundgesundheit der Mutter

  • Frühkindliche Karies

  • Stillen und Flaschenernährung

  • Beruhigungssauger

  • Variante 2 umfasst bis zu sechs Module und erfordert drei Doppelstunden à 90 Minuten.

  • Basismodule:

  • Mundgesundheit der Mutter

  • Frühkindliche Karies

  • Stillen und Flaschenernährung

  • Beruhigungssauger

  • plus Wahlmodule:

  • Fluoride

  • Zucker & Co

  • Anomalien, „Special Needs“, Unfälle

Alle Hebammenausbildungsstätten in Deutschland – Fachschulen und akademische Ausbildungsstätten – agieren selbstständig auf Basis einer Ausbildungs- und Prüfungsverordnung. Es gibt also nicht die Möglichkeit, Mundgesundheitsmodule zentral (etwa durch Vereinbarungen der DAJ mit dem Deutschen Hebammenverband) in die Ausbildung zu integrieren. Deshalb wurden die Schulen von der DAJ und dem Deutschem Hebammenverband gemeinsam empfehlend angeschrieben und mit den für sie relevanten landesspezifischen Informationen versorgt. Mit Hochdruck gearbeitet wird derzeit noch an einem Evaluationskonzept. Nach einem Jahr soll eine erste Auswertung über die Umsetzung des Konzepts erfolgen.

Der Hebammenverband hat der DAJ angeboten, aus den Modulen gemeinsam eine E-Learning-Fortbildung zu konzipieren, die dann auch bereits tätigen Hebammen zur Fortbildung zur Verfügung gestellt werden soll. Geplant ist ferner, das Konzept auf die Frühen Hilfen auszuweiten und Familienhebammen und Familien-Gesundheits- und Kinder-Pfegerinnen im Rahmen ihrer Ausbildung mit einzubinden.

Wie passt das Thema Mundgesundheit in die Arbeit der Hebamme?

  • beim Vorsorgetermin

  • beim Geburtsvorbereitungskurs

  • bei Wochenbettbesuchen

  • bei Hausbesuchen in der Stillzeit

  • bei Rückbildungskursen

  • im Still-Café

  • bei Eltern-Kind-Kursen

Die Bausteine des DAJ-Konzepts

Baustein Mundgesundheit der Mutter:

Präventionsziele:

  • Verbesserung der Mundgesundheit der Mutter

  • Die werdende Mutter schätzt Schwangerschaftsgingivitis richtig ein und unternimmt Maßnahmen zur Prävention/Eindämmung.

  • Sie sucht den Zahnarzt zur Untersuchung, Beratung, gegebenenfalls zur Zahnsteinentfernung sowie für weitere notwendige Behandlungsmaßnahmen auf.

Präventionsempfehlungen:

  • Verbesserte Mundhygiene: Zähne noch sorgfältiger bürsten, gegebenenfalls mit elektrischer Zahnbürste oder Dreikopfzahnbürste; Zahnseide oder Interdentalbürstchen verwenden, gegebenenfalls ergänzend Chlorhexidin-haltige Mundspülung anwenden

  • Zahnarztbesuch zur Untersuchung, Beratung, gegebenenfalls zur Zahnsteinentfernung sowie für weitere notwendige Behandlungsmaßnahmen

  • Rauchverzicht ist auch im Hinblick auf die Mundgesundheit angezeigt.

Baustein Frühkindliche Karies

Präventionsziele:

  • Nuckelflaschenkaries vermeiden!

  • Der werdenden Mutter ist bewusst, dass Karies verhinderbar ist. Sie ist über angemessene Ernährung und richtiges Trinken des Kindes im ersten Lebensjahr als Maßnahme der Kariesprävention informiert.

  • Die junge Mutter kennt und beachtet die wichtigsten Aspekte der Mundgesundheitsförderung von Anfang an – insbesondere die Zahnpflege ab dem ersten Milchzahn.

Präventionsempfehlungen:

  • Stillen – wenn möglich – gemäß den allgemeinen Empfehlungen

  • Keine süßen Getränke in Nuckelflaschen geben, insbesondere nicht „zur Beruhigung“

  • Bei gesunden Babys keine zusätzlichen Getränke; bei Bedarf Wasser und gegebenenfalls ungesüßten Kräutertee

  • Trinken aus der Tasse oder dem offenen Becher, sobald das Kind selbstständig sitzen kann.

  • Ab dem ersten Milchzahn putzen die Eltern morgens und abends die Zähne des Kindes.

  • Dabei geben sie einmal täglich einen dünnen Film fluoridhaltige Zahnpasta auf die Zahnbürste, ab dem Alter von zwei Jahren zweimal täglich eine erbsengroße Menge fluoridhaltiger Kinderzahnpasta. Alternativ dazu gegebenenfalls Abgabe von Fluoridtabletten in Abhängigkeit von der Fluoridanamnese.

  • Mit Durchbruch des ersten Milchzahns eine erste Untersuchung durch einen Zahnarzt mit einer anschließenden risikoorientierten Betreuung.

Baustein Fluoride

Präventionsziele:

  • Nuckelflaschenkaries vermeiden!

  • Die junge Mutter kennt und beachtet die wichtigsten Aspekte der Mundgesundheitsförderung von Anfang an – insbesondere die Zahnpflege ab dem ersten Milchzahn.

Präventionsempfehlungen:

  • Ab dem ersten Milchzahn putzen die Eltern morgens und abends die Zähne des Kindes.

  • Dabei geben sie einmal täglich einen dünnen Film fluoridhaltige Zahnpasta auf die Zahnbürste.

  • Ab dem zweiten Geburtstag putzen sie zweimal täglich mit einer erbsengroßen Menge fluoridhaltiger Kinderzahnpasta.

Baustein Stillen und Flaschenernährung beim Kleinkind

Präventionsziele:

  • Nuckelflaschenkaries vermeiden!

  • Der werdenden Mutter ist bewusst, dass Karies verhinderbar ist. Sie ist über angemessene Ernährung und richtiges Trinken des Kindes im ersten Lebensjahr als Maßnahme der Kariesprävention informiert.

Präventionsempfehlungen:

  • Im ersten Lebenshalbjahr sollen Säuglinge gestillt werden, mindestens bis zum Beginn des fünften Monats ausschließlich.

  • Auf Nuckelflaschen sollte möglichst ganz (beim gestillten Kind), ansonsten so früh wie möglich verzichtet werden. Bis zum zweiten Geburtstag sollte das Saugen an Flasche und Schnuller beendet sein. Eltern sollten Glasflaschen verwenden, die dem Kind nicht zum Eigengebrauch überlassen werden.

  • Sobald das Kind frei sitzen kann, trinkt es aus dem offenen Becher, es benötigt kein Trinklerngefäß.

  • Kleinkinder sollten zu jeder Mahlzeit und auch zwischendurch Wasser (oder andere ungesüßte/zuckerfreie Getränke) aus Glas, Tasse oder offenem Becher trinken.

  • Im Kleinkindalter ist eine ausgewogene Ernährung gemäß den allgemeinen Empfehlungen wesentlich. Süßigkeiten, Kekse, Kuchen oder auch salzige Snacks mit Zuckergehalt sollten die seltene Ausnahme sein. Eine ausgewogene Ernährung gesunder Kleinkinder ist ohne spezielle Produkte möglich.

Die Empfehlungen gelten auch für den Baustein Zucker & Co.

Baustein Verwendung eines Beruhigungssaugers im Kleinkindalter

Präventionsempfehlungen:

  • Babys, die am Daumen lutschen, sollte von Anfang an der Beruhigungssauger angeboten werden, um Zahnfehlstellungen vorzubeugen.

  • Soweit möglich, sollte auf Beruhigungssauger verzichtet werden. Wo der Beruhigungssauger gebraucht wird, sollte ein symmetrischer Stufenschaftsauger der kleinsten Größe verwendet werden. Der Sauger sollte nicht mitwachsen.

  • Um der Entwicklung von Zahn- und Kieferfehlstellungen vorzubeugen, sollte das Nuckeln am Beruhigungssauger bis zum zweiten Geburtstag abgewöhnt sein.

Baustein Anomalien, Special Needs, Unfälle

Präventionsempfehlungen:

  • Bei Kindern mit besonderen (mund-)gesundheitlichen Bedürfnissen ist konsequent auf die Einhaltung der wesentlichen Präventionsempfehlungen zur Prävention frühkindlicher Karies zu achten.

  • Die Eltern sollten so früh wie möglich eine Beratung durch den Zahnarzt in Anspruch nehmen.

Quelle: DAJ-Konzept

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.