Unlauterer Wettbewerb

Eine zahnärztliche Klinik, die es gar nicht gibt

Rund 11.000 Anfragen und Beschwerden über vermeintliche oder tatsächliche unlautere Geschäftspraktiken gingen bei der Wettbewerbszentrale 2018 ein, davon 36 gegen Zahnärzte, berichtet Christiane Köber, Mitglied der Geschäftsführung in Bad Homburg.

Wie viele Fälle, in denen Zahnärzte gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen haben, sind im vergangenen Jahr auffällig geworden?

Christiane Köber: 2018 gab es im Gesundheitsbereich insgesamt 1.084 Fälle. Wenn ich vom Gesundheitsbereich spreche, meine ich damit Ärzte, Apotheker, Krankenkassen, die Pharmaindustrie, Heilberufe und das Gesundheitshandwerk. Die Gesundheitsbranche nimmt damit insgesamt den ersten Platz hinsichtlich Beschwerden und Anfragen ein. Die Zahl von 36 Beschwerden gegen Zahnärzte nimmt sich dagegen marginal aus. Allerdings ist ein leichter Anstieg zu verzeichnen, denn 2017 betrafen nur 24 Beschwerden Zahnärzte. Wir liegen damit ungefähr auf dem Niveau der Vorjahre.

Welche Art Verstoße wurde am häufigsten begangen?

Die meisten Verstöße betreffen wie in den Vorjahren – im Übrigen in allen Branchen – das Verbot der Irreführung. Da geht es zum Beispiel um Qualifikationen. So warb eine Gemeinschaftspraxis mit der Bezeichnung „Fachzahnärztliches Zentrum für Oral- und Kieferchirurgie, Implantologie, Parodontologie und Endodontologie“. Einen Fachzahnarzt für Kieferchirurgie, Implantologie und Endodontologie gibt es aber nicht. In diesem Fall haben sich die Zahnärzte zur Unterlassung verpflichtet.

Gibt es auch Fälle, in denen Zahnärzte verklagt werden?

Die meisten Fälle können außergerichtlich beigelegt werden. In Fällen, in denen es lediglich um Formalverstöße geht, verschickt die Wettbewerbszentrale Hinweisschreiben, etwa wenn im Impressum die zuständige Zahnärztekammer nicht angegeben ist. In anderen Fällen werden Abmahnungen verschickt, etwa im Fall eines Zahnarztes, der in seinem Flyer damit warb „Die Kassenzahnärztliche Vereinigung bestätigt uns, dass wir zu den wirtschaftlichsten Zahnarztpraxen im Land gehören“. Eine solche Bestätigung hatte die KZV tatsächlich nicht abgegeben. Hier hat der Zahnarzt erst im Lauf des Prozesses eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Die Wettbewerbszentrale...

...ist eine gemeinnützige Eigenorganisation der deutschen Wirtschaft. Getragen wird sie von etwa 1.100 Unternehmen und rund 700 Kammern und Verbänden der Wirtschaft. Sie erhält keine öffentlichen Mittel und setzt Wettbewerbs- und Verbraucherschutzvorschriften im Markt – notfalls per Gericht – durch.

 Gib es noch weitere Gerichtsverfahren? 

Ja, wir haben im September 2018 Klage einreichen lassen gegen Zahnärzte, die mit „fachärztlicher Kompetenz“ und der Bezeichnung „Fachärzte“ warben, obwohl es sich um Fachzahnärzte handelt. Außerdem haben wir die Vertragstrafe eingeklagt, denn bereits im Juli hatten sich die Zahnärzte verpflichtet, nicht mehr mit der Aussage zu werben „Garantiert feste Zähne in jedem Alter“. Die Aussage war aber immer noch im Internetauftritt zu finden. Der Fall konnte mit einem Vergleich abgeschlossen werden: Die Gegenseite gab auf Anraten des Gerichts eine Unterlassungserklärung ab. Dafür kam die Wettbewerbszentrale den Zahnärzten hinsichtlich der Vertragstrafenhöhe entgegen. 

Verstöße aus dem Gesundheitsbereich

Laut SGB V müssen die Kassen ihren Mitgliedern bei einer Kündigung unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen, eine Bestätigung ausstellen. Hier kam es öfter zu Verzögerungen oder gar Nachforschungen der Kassen per Hausbesuch oder Anruf. In einem Fall hat das Landgericht Berlin eine Krankenkasse zur Unterlassung verurteilt: Sie hatte den Versicherten zum Teil erst mehr als zwei Monate später die Kündigungsbestätigung zugeschickt. Arbeitgeber empfehlen ihren Mitarbeitern die Wahl einer bestimmten Krankenkasse. Solche Aktionen sind rechtswidrig, die Wettbewerbszentrale erreichte Unterlassungserklärungen.

Fernbehandlung bei Ärzten: Nach wie vor ist es nach § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) nicht erlaubt, für medizinische Fernbehandlungen zu werben. Deshalb hat die Wettbewerbszentrale die Werbung eines Versicherungsunternehmens beanstandet, das seinen Versicherten über eine App den „Digitalen Arztbesuch“ anbietet. Beworben werden nicht nur Diagnose und Therapieempfehlung, sondern auch Krankschreibung per App.

Irreführende Werbeangaben bei der Arzneimittelwerbung: Hier hat die Wettbewerbszentrale etwa die Werbung für ein Zinkpräparat beanstandet, von dem behauptet wurde, dass es Erkältungen verkürze, obwohl es nur zugelassen war zur Behandlung von Zinkmangelzuständen, die durch die übliche Ernährung nicht behoben werden können. Das Unternehmen gab eine Unterlassungserklärung ab.

Boni und Gutscheine in Apotheken: Das OLG Frankfurt untersagte einer Apothekerin aus Hessen, ihren Kunden beim Erwerb eines rezeptpflichtigen Arzneimittels einen Gutschein über „2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti“ auszuhändigen, der bei einer in der Nähe liegenden Bäckerei eingelöst werden konnte. In einem Berliner Fall erhielten Kunden einen 1-Euro-Gutschein bei Einlösung eines Rezepts, den sie beim nächsten Kauf einlösen konnten.

Jahresbericht Wettbewerbszentrale

Bisweilen werben Zahnärzte mit dem Begriff „Praxisklinik“ – was sagen Sie dazu?

Die Wettbewerbszentrale hatte die Werbung eines Zahnarztes mit der Bezeichnung „Praxisklinik“ beanstandet, weil der Zahnarzt eine ganz normale Praxis führte – ohne jede Möglichkeit der Übernachtung. Das Landgericht hat die von der Wettbewerbszentrale eingereichte Klage zunächst abgewiesen, das Oberlandesgericht hat unserer Berufung stattgegeben. Es vertritt die Auffassung, dass der Verbraucher von einer Praxisklinik zumindest die erforderliche Einrichtung für eine vorübergehende stationäre Aufnahme über Nacht erwartet. Der Bundesgerichtshof hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen, so dass das Urteil des Oberlandesgerichts rechtskräftig geworden ist.

2.799 Beanstandungen auf 126 Seiten

2.799 förmliche Beanstandungen wegen unlauterer Geschäftspraktiken hat die Wettbewerbszentrale gegenüber werbenden Unternehmen aus verschiedensten Branchen ausgesprochen. Formlose Beanstandungen wegen kleinerer Rechtsverstöße gab es in 278 Fällen. Die weitaus meisten Fälle werden außergerichtlich durch die Abgabe von Unterlassungserklärungen erledigt.  Der 126 Seiten starke Jahresbericht führt Fälle aus der gesamten Wirtschaft auf – Vorgänge in der Tourismus- und Reisebranche sowie im Banken-, Versicherungs- und Gesundheitsbereich (Krankenkassen, Apotheken, Medizinprodukte, Ärzte und Zahnärzte).

Rund 53 Prozent der bearbeiteten Fälle betrafen irreführende, intransparente Werbung und die fehlende oder fehlerhafte Erfüllung von gesetzlich vorgeschriebenen Informationspflichten. Am häufigsten waren Werbemaßnahmen im Internet, das heißt im Rahmen von Homepages, Onlineshops, Portalen, Plattformen oder Social Media Gegenstand von Anfragen und Beschwerden – mit einem Anteil von gut 57 Prozent an den geprüften Sachverhalten.

Ist damit das Problem um den speziellen Terminus „Praxisklinik“ gelöst?

Nein, wir haben einige Arzt- beziehungsweise Zahnarztpraxen abgemahnt, die weiter – nach unserer Auffassung unberechtigt – mit dem Begriff werben. Das gilt auch für den Begriff „Klinik“ oder „Clinic“.

So hat die Wettbewerbszentrale Ende 2018 Klage gegen zwei Ärzte einreichen lassen, die die Praxis ebenfalls als Klinik bezeichneten, dies mit dem Argument, die Praxis befinde sich auf dem Gelände der Universitätsklinik und Patienten könnten im Notfall jederzeit Aufnahme in der Klinik finden!

Sogar der Zahnarzt im oben erwähnten Verfahren, das bis zum BGH ging, warb weiter mit dem Begriff. Er meinte offensichtlich, das Urteil umgehen zu können, indem er den Begriff mit einem Sternchen versah, das zu dem nahezu unleserlichen Hinweis „ohne stationäre Aufnahme“ unten auf der Startseite führte. Das Landgericht hat das auf Antrag der Wettbewerbszentrake per einstweiliger Verfügung untersagt. Offensichtlich ist der Begriff der „Praxis“ nicht mehr werbewirksam genug!

Diese Fälle machen die zwei Facetten eines Wettbewerbsverstoßes deutlich: Zum einen werden die Verbraucher getäuscht. Zum anderen verschafft sich derjenige, der sich nicht an die Spielregeln hält, einen Wettbewerbsvorsprung vor seinen Mitbewerbern. Wettbewerbsrecht ermöglicht somit Schutz der Mitbewerber vor unlauterer Werbung und am Ende auch effektiven und schnellen Verbraucherschutz.

Die Fragen stellte Stefan Grande.

Christiane Köber

 Geschäftsführerin der Wettbewerbszentrale

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.