Unkonventionelles Praxis-Marketing

„Dieses Klischee wollen wir mit aller Radikalität durchbrechen!“

Stefan Grande
Nein, wir wären NICHT auf die Zahnarztpraxis „Petra Volz“ in Garmisch-Partenkirchen aufmerksam geworden. Die [fotzn‘spanglerei] hat es dagegen – nicht nur – in unser Blatt geschafft. „Dental Fame“ reiche ihr völlig aus, sagt Inhaberin Volz zu dem Medienrummel um diesen „wahnsinnig-mutigen oder nur wahnsinnigen“ Namen – und erzählt, wieso der für ihre Haltung steht.

Wie kamen Sie auf den Namen?

Petra Volz: Der reine Name ist an einem lustig-kreativen Abend Ende 2017 mit Freunden nach gutem Essen und dem Genuss tiefroter tanninhaltiger Getränke der italienischen Winzerzunft entstanden, als die ersten Anzeichen im Raum standen, dass es eine Praxis zu übernehmen gäbe. Danach folgten Phasen der maßlosen Selbsteuphorisierung, harter kritischer Prüfungen und der Frage, ob der Name wahnsinnig mutig oder nur wahnsinnig ist. Glücklicherweise hatte eine unserer Freundinnen als ausgewiesene Marketing- und Designexpertin sehr schnell eine klare Vorstellung, wie der Name in Verbindung mit einer dazu passenden CI so positioniert werden kann, dass ein funktionierendes Spannungsfeld entsteht. Wir haben uns über Wochen immer wieder selbst die Frage gestellt, ob es bei diesem Namen bleibt oder ob wir doch eine Alternative wählen. Der Name sollte sowohl die regionale Verwurzelung verkörpern als auch die gefühlte Distanz zwischen Patient und Zahnarzt abbauen und nicht zu stark auf die Ärztin fokussiert sein, sondern die gesamte Mannschaft einbinden. Wir wollten eine Marke kreieren. Und ganz ehrlich: Wären Sie auf eine Zahnarztpraxis Petra Volz auch aufmerksam geworden? Eben!

Seit wann haben Sie die Praxis?

Die Praxis hat am 7. Januar 2019 um 13 Uhr den ersten Patienten mit wehenden Fahnen empfangen, nachdem wir in den zwei Wochen davor über die Weihnachtsfeiertage bis zu Heilige Drei Könige die vorherige Einrichtung der Praxis einmal komplett auf links gedreht haben, eine Klimaanlage haben einbauen lassen (nie wieder einen Sommer ohne Klimaanlage) und die jetzige Inneneinrichtung installiert wurde.

Wie groß ist Ihr Team?

Unser Team umfasst neben zwei Vollzeit-, drei Teilzeit-Damen und einen Azubi (Super-Emmi). Zwischen diesen sechs Powerfrauen teilen sich Stuhlassistenz, Prophylaxe und Abrechnung auf. Jede unserer Damen hat eine Hauptfunktion sowie ein zweites Standbein, um Abwechslung und die gegenseitige Vertretung sicherzustellen. Dazu haben wir zwei exzellente Zahntechniker im Praxislabor. Last, but not least arbeitet der Abgeber noch für einen Tag die Woche mit und unterstützt uns. Ab September wird ein zweiter Azubi bei uns das Handwerk der ZFA erlernen.

Im Übrigen war das Team für mich einer der ausschlaggebenden Faktoren, genau diese Praxis zu übernehmen. Neben den harten Kriterien wie Lage und Ausstattung (Labor, Barrierefreiheit, vier Behandlungszimmer, moderne Räumlichkeiten) ist das Team ein zentraler Erfolgsfaktor, ohne den diese Praxis nicht leben würde.

Wie reagieren die Patienten? Online und offline.

Die überwiegende Anzahl der Reaktionen ist in beiden Welten positiv. Es sind nur sehr wenige kritische Stimmen, die sich direkt uns gegenüber geäußert haben. Aber wir haben über mehrere Ecken natürlich mitbekommen, dass im Ort der Name heiß diskutiert wurde und es zu klaren Pro- und Contra-Positionen kam. Wir können aber von vielen Patienten berichten, die uns aufgrund des Namens testen wollten beziehungsweise neugierig waren und in der überwiegenden Zahl auch geblieben sind. Es kommen die alteingesessenen wie auch junge und neu nach Garmisch gezogene Patienten, die teils ihre langjährige zahnärztliche Nicht-Betreuung bei uns beenden wollen. Unsere Patienten sind Handwerker, Selbstständige, Ärzte, Mütter mit Kindern, Senioren im Rollstuhl bis hin zu gestandenen Jura-Professoren. Und alle vereint sie bei uns eines: Sie kommen als ganz normale Leute, die einfach nur Mensch sind und sich sogar beim Zahnarzt wohlfühlen.

Gab es Abgänge oder Zuläufe?

Selbstverständlich gab es einzelne Abgänge – die wir mitbekommen haben. Das hielt sich aber in einem deutlich kleineren Rahmen, als wir erwartet haben. Wir haben mit etwa 30 Prozent Verlust gerechnet, ohne dass wir uns wirklich gewundert hätten. Umgekehrt sind wir überrascht von der Vielzahl an Neupatienten, die nicht in der Vorgängerpraxis waren. Wir können sagen, dass wir bis jetzt deutlich über 900 Patienten bei uns hatten.

Wie gehen Sie mit dem Medienrummel um?

Ich warte eigentlich nur noch auf eine Anfrage aus Hollywood! Scherz!

Wir versuchen eigentlich gelassen damit umzugehen, weil wir uns mit dem Konzept und dem Namen seit nun mehr eineinhalb Jahren intensiv beschäftigen und die Praxis ja auch schon seit einem halben Jahr im operativen Betrieb – haha – ist. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass die Woche, als es komplett über uns hereinbrach, eine ziemliche Achterbahn war und konzentriertes Arbeiten zur echten Herausforderung wurde. Wenn auf einmal Fernsehsender anrufen und sich für eine Berichterstattung ankündigen, wenn wildfremde Menschen in der Praxis anrufen, um uns Ihre Unterstützung und Solidarität zuzusichern oder einfach nur hören wollen, wie wir uns am Telefon melden, dann nimmt das ganze sehr groteske Züge an. Natürlich wollen wir in der Außenwirkung und in unserer Darstellung ein klares Unterscheidungsmerkmal bieten, aber am Ende des Tages sind wir eine Zahnarztpraxis, die einfach nur ein paar Dinge anders macht, als man es vom bislang klassischen Erscheinungsbild gewohnt ist.

Im Umgang mit den Medien hatten wir jetzt einen unfreiwilligen und intensiven Crashkurs, bei dem wir die Phasen Begeisterung, Hysterie bis zu Wunsch nach Abschottung durchlaufen haben und der jetzt in einen gelassenen Umgang gemündet ist, so dass wir Anfragen wie Ihre wieder sehr gerne annehmen und Ihre Fragen auch offen beantworten möchten. Die zentrale Lehre aus den letzten Wochen ist: Ich möchte um nichts in der Welt ein „echter“ Prominenter sein. „Dental Fame“ reicht mir vollkommen aus. So lange die Rezeptblöcke meine einzige Autogrammkarten sein müssen, ist die Welt aber noch vollkommen in Ordnung.

Ihr Praxisname greift einerseits eine traditionelle bayerische Bezeichnung für eine Zahnarztpraxis auf. Andererseits bespielen Sie Instagram und Facebook.

Als waschechte Bayerin muss man fast das politische Zitat von Laptop und Lederhose bemühen. Und wie es immer so schön heißt, ist Tradition die Weitergabe von Feuer und nicht das Bewahren von Asche.

Im Ernst: Wir verstehen uns in der Tat als zutiefst regional verwurzelt, weswegen wir auch bei der Auswahl unserer Dentalprodukte nicht nur nach dem Preis, sondern auch nach Herkunft und Produktionsstandort entscheiden und unsere Handwerker ausnahmslos aus dem lokalen Gewerbe stammen. Gerade mit Blick auf Zahnersatz gilt für uns, dass eher in China ein neuer Kaiser gekrönt wird, als dass unsere Kronen in China gefertigt werden. Wir haben eine sensationelle Technikerin in der Praxis und ein ebenso tolles externes Labor vor Ort für alle Arbeiten, die wir nicht in der Praxis erledigen können, oder wenn es zu Kapazitätsengpässen kommt. Es ist für uns ein zentraler Punkt, das Geld möglichst in regionalen Wirtschaftskreisläufen zu halten und damit die Arbeitsplätze vor Ort zu stärken.

Instagram und Facebook sind für uns die Werkzeuge eines modernen Marketings und sowohl in ihrer Geschwindigkeit als auch mit ihrer Eigendynamik ein sehr mächtiges und zweischneidiges Schwert. Man muss sich vollständig darüber im Klaren sein, dass Social Media entweder nur ganz oder gar nicht betrieben werden kann, denn aus unserer Sicht gilt: Ein bisschen schwanger kann nicht funktionieren. Wir sehen es als Möglichkeit, unser Konzept an die Zielgruppe heranzutragen, die uns in den nächsten 30 Jahren begleiten soll und darüber hinaus die [fotzn´spanglerei] als Marke mit ihren Werten und ihrer Philosophie einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Diese Zielgruppe erreichen Sie nicht mit Zeitungsannoncen oder Kassentrennern im Supermarkt. Das ist aber der Nachwuchs, den Sie in 20 Jahren an sich gebunden haben müssen, um die schönen Umsätze aus ZE-Arbeiten bei sich zu haben.

Wie sehr beeinflussen die sozialen Medien das Image Ihrer Praxis?

Die sozialen Medien sollen nicht uns beeinflussen, sondern wir möchten die sozialen Medien nutzen, um uns den Patienten auch auf menschlicher Ebene zu präsentieren, um die noch immer weitverbreitete Angst vor dem Zahnarzt abzubauen. Wir haben mittlerweile schon zu viele große Sanierungsfälle gesehen, weil die Menschen sich teils jahrelang einfach nicht getraut haben, zum Zahnarzt zu gehen, mit allen gesundheitlichen Folgen, die daraus erwachsen. Wir wollen diese Scheu oder auch Angst durch unsere Art der Außendarstellung mindern und die Hemmschwelle für einen Besuch bei uns so niedrig wie möglich machen. Dazu gehören für uns die wohldosierten Einblicke in das „normale“ Leben abseits des vermeintlichen weißen Halbgöttertums. Und ehrlicherweise kriegen wir zwischenzeitlich das kalte Kotzen, wenn mal wieder von Zahnärzten im golfspielenden und porschefahrenden Klischee berichtet wird und dieses Bild zur Stimmungsmache genutzt wird. Dieses Bild wollen wir mit ganzer Radikalität durchbrechen, zumindest was uns selbst betrifft.

Wir können mittlerweile von mehreren Patienten berichten, die als Angstpatienten gerade aufgrund unseres Instagramprofils den Weg zu uns gefunden haben und inzwischen nahezu angstfrei und fast mit ein bisschen Vorfreude zu ihren Folgeterminen bei uns erscheinen. Die Pflege eines solchen Accounts darf allerdings nicht unterschätzt werden. Es gehen gut und gerne fünf Stunden pro Woche für Bildauswahl, Bildbearbeitung, Texte und Beantworten der Reaktionen mit in das Arbeitszeitkonto ein. Was wie lockeres Leben aussieht, ist echte Arbeit.

Heiterkeit und Humor sind wesentliche Bestandteile Ihres Internet-Auftritts.

… nicht nur bei unserem Internetauftritt. Patienten, die neu zu uns kommen, sind durchaus zunächst irritiert, wenn aus einem der Zimmer ein herzliches und lautes Lachen kommt. Wir freuen uns darüber, dass wir es offensichtlich geschafft haben, Heiterkeit und den Humor nicht nur bei unserem Auftritt durchscheinen zu lassen, sondern auch tatsächlich transportieren können. In der Tat soll auch diese nicht ganz ernste Art und Weise dazu beitragen, die Hemmschwelle für einen Zahnarztbesuch zu senken. Außerdem wollen wir selbst – als diejenigen, die zwischen acht und zehn Stunden täglich in der Praxis verbringen – diese Zeit mit möglichst viel Spaß und positiven Emotionen besetzen, da es nur so möglich ist, sowohl allen Mitarbeitern, als auch den Patienten das Gefühl zu geben, dass das, was wir nach außen propagieren, auch aus vollem Herzen gelebt wird.

Die durchaus übliche Praxis von „VorherNachher-Bildern“, Texten oder Videos zu bestimmten Fachfragen sind aus unserer Sicht eher ein Thema im kollegialen Austausch, da nur hier die Kompetenz für die Beurteilung der Beiträge vorhanden ist. In der Kommunikation zum Patienten sind diese Themen aus unserer Sicht demzufolge nachrangig, da der Patient sich dafür interessiert, ob er sich in einer Praxis wohlfühlt, dass sein Problem gelöst wird und dass es möglichst schmerzarm sein soll. Dass unsere Behandlung dann trotzdem allen aktuellen Standards standhalten muss und wir lege artis arbeiten, versteht sich von selbst. Im persönlichen Gespräch, bei der Beratung oder auch bei der Behandlung selbst ist es immer noch früh genug, zu zeigen, dass wir neben Spaß auch Fachkompetenz können und wissen, was wir tun.

Ich selbst folge sehr gerne anderen Kollegen, die zu verschiedenen Themen kurze fachliche Beiträge liefern, weil ich mir dadurch selbst Anregung und Input holen möchte. Zudem bin ich einfach eine äußerst neugierige Menschin.

Was Sie schon immer sagen wollten – ich aber leider vergessen habe, zu fragen ...

Dieses Berufsfeld ist in höchstem Maße Teamsport. Ähnlich wie in einer militärischen Eliteeinheit muss sich auch eine exzellente Zahnarztpraxis aus einem Team aus Spezialisten zusammensetzen, wobei jeder Spezialist ein Grundverständnis für das Aufgabengebiet jedes anderen haben muss, damit alle Kompetenzen effizient und mit Präzision zusammenarbeiten. Das fängt bei mir als Behandlerin und Chefin an, da ich aus meinem früheren Leben als ZMP die andere Seite des Stuhls von der Pike auf kennengelernt habe, was mir heute ermöglicht, aus meinen Assistentinnen Vollprofis ihres Fachs zu machen. Dasselbe gilt für die Prophylaxe, die bei uns eine wesentliche Säule des Behandlungsspektrums darstellt – wir entsenden gerade eine unserer Damen in die ZMP-Fortbildung. Jede Mitarbeiterin wurde während der Übernahmephase gefragt, in welche Richtung sie sich perspektivisch weiterentwickeln möchte, woraus sich weitere Fortbildungen im Abrechnungsbereich wie in der Laborassistenz ergeben haben. In einer meiner früheren Anstellungsverhältnisse wurde der Wunsch nach Fortbildung seitens der ZFA mit dem Satz abgetan: „Warum soll ich eine Fortbildung bezahlen, nur um anschließend auch noch ein höheres Gehalt zahlen zu müssen?“ Aus meiner Sicht führt eine solche Haltung ohne Umwege und ohne über Los zu gehen direkt in das Gejammer über die unauffindbaren Fachkräfte. Aber einer der Lieblingssätze meines Mannes lautet: Entscheidungen haben Konsequenzen. Überhaupt habe ich immer wieder den Eindruck, wenn man mit Kollegen oder auch dem zahnmedizinischem Fachpersonal spricht, dass Wertschätzung noch zu oft DAS zentrale Manko im Verhältnis von Zahnarzt zu Helferin ist und maßgeblich zu Unzufriedenheit und Minderleistung beiträgt.

Nachdem ich jetzt selbst erleben darf, dass die Ausbildung während des Studiums maximal die Hälfte der Fähigkeiten abdeckt, die zur Führung eines mittelständischen Betriebs mit zehn Angestellten notwendig sind, ist es mir ein noch größeres Rätsel, weshalb nicht wenigstens Grundzüge der Betriebswirtschaft und der Praxisführung im Studium integriert sind. Ich selbst hatte das große Glück bereits vor meinem Zahnmedizinstudium einen Betriebswirtschaftler kennengelernt zu haben, der heute als mein Mann und Co-Chef den nichtmedizinischen Teil der Praxis leitet und mir diese offene Flanke absichert.

Bei allem Anschein von Spaß und Leichtigkeit – dieses Bild nach außen ist das Ergebnis ernster und überlegter Arbeit, volle Fokussierung auf Profitum und bedingungslose Leidenschaft für die eigene Praxis und ihren Erfolg. Das bedeutet in der Konsequenz: Dass es auch Bewerbungen gibt, die wir absagen, selbst wenn wir jemanden suchen, weil wir genau darauf achten, dass jeder Einzelne seinen Platz in diesem Team haben kann und eine Bereicherung – menschlich, wie fachlich – für die Praxis darstellt.

(Ver)Traut euch!!!

Die Fragen stellte Stefan Grande.

Stefan Grande

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