Interview mit Dr. Ute Maier

"Was muss eigentlich noch alles passieren?"

Frauen haben es weiterhin schwer, nach oben zu kommen, das ist auch in der zahnärztlichen Standespolitik nicht anders. Egal wie gut sie qualifiziert sind, egal wieviel Erfahrung sie mitbringen – sie werden von den Männern abgeblockt. Dr. Ute Maier, Vorsitzende der KZV Baden-Württemberg und Leiterin der AG Frauenförderung der KZBV, macht eine Bestandsaufnahme.

Frau Dr. Maier, Sie sind die einzige Frau, die einer KZV vorsteht. Wie haben Sie das geschafft? Und was machen andere Kolleginnen vielleicht falsch?

Dr. Ute Maier:

Ich hatte in meiner gesamten standespolitischen Kariere immer Menschen um mich herum, die an mich glaubten, mich unterstützten und mir etwas zutrauten. Ich bin sicherlich eher ein Arbeitstier, bin Konflikten nicht aus dem Weg gegangen, habe mich vor allem nicht durch dumme Sprüche, Anmache und Vorurteile abschrecken lassen. Aktiv hat mich zu Beginn meiner Kariere der damalige KZV-Vorsitzende von Tübingen, Kollege Rumetsch, mehr in das Vorstandsamt geschubst, als ich selbst gehen wollte. Vielleicht war ich aber auch einfach manchmal zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und ein Quäntchen Glück gehört immer auch dazu.

Zu Ihrer Frage, was Kolleginnen falsch machen, eine klare Antwort: Nichts. Die Frage ist doch vielmehr: Was muss eigentlich noch alles passieren, damit Frauen mit derselben Qualifikation wie die standespolitischen Kollegen auch dieselben Chancen bekommen und wir nicht solche Kommentare und Redebeiträge von männlichen Kollegen über uns ergehen lassen müssen wie in der KZBV-VV.

Was sind denn die größten Hürden, die Frauen überwinden müssen, um in der Standespolitik nach vorne zu kommen?

Sie müssen als kompetente Frau wahrgenommen werden, es schaffen, dass man Ihnen überhaupt zuhört und Sie müssen gleichzeitig den Spagat schaffen, nicht in die Schiene des „Hätteles“ (freundlicher schwäbischer Ausdruck für eine etwas dumme, ungelenke Person) oder der frustrierten Kampfhenne abgeschoben zu werden. An Frauen werden meiner Erfahrung nach viel höhere Maßstäbe angesetzt als an Männer.

Das wurde ja auch in der Diskussion in der KZBV-VV deutlich. Bei Frauen wird heftig über die notwendige Qualifikation und ihr Auftreten diskutiert. Bei Männern nicht. Frauen werden immer – unabhängig von ihrer Sachkenntnis – auch nach dem Äußeren und ihrem Auftreten beurteilt. Es wird registriert, ob sie ein Kleid oder eine Lederhose anhaben. Diskutieren sie engagiert, wirft man ihnen vor, sie seien zu emotional. Sind sie zurückhaltend, dann haben sie in den Augen der anderen keine Meinung und werden nicht wahrgenommen.

Ein Argument ist immer, dass der Nachwuchs fehlt. Aber erfahrene Standespolitikerinnen kommen ab einem bestimmten Punkt ja auch nicht weiter, oder?

Meiner Erfahrung nach kann man junge Kolleginnen und Kollegen durchaus zur Mitarbeit bewegen. Man muss auf diese aber eben auch ernsthaft zugehen. Wenn Mann von vornherein als Vorstand alles als Chefsache deklariert, muss man sich nicht wundern, wenn es keinen Nachwuchs gibt. Und man muss als alter Hase in dem Geschäft auch mal etwas abgeben, den jungen Kolleginnen und Kollegen Aufgaben übertragen und vielleicht auch irgendwann den Platz räumen. Spontan fallen mir sogar mindestens zwei tolle Kolleginnen ein, die gerne in ein Vorstandsamt gehen würden, aber mit fadenscheinigen Argumenten ausgebremst werden.

Wer die Diskussion auf der Vertreterversammlung verfolgte, hatte mitunter den Eindruck, dass an einigen männlichen Delegierten die Emanzipation vorbeigegangen ist. Wenn sich die Kollegen nicht bewegen wollen, muss man nicht dann zu dem Schluss kommen, dass es ohne Quote nicht geht?

Zum Teil fühlte man sich echt ins vergangene Jahrhundert zurückversetzt. Es fehlten nur noch so Sprüche wie „Frauen gehören doch an den Herd“. Ich war allerdings immer gegen eine Quote, da es mir persönlich immer wichtig war, aufgrund meiner Expertise ein Amt zu begleiten und nicht aufgrund einer Quote. Allerdings haben wir ja auch im jetzigen System quasi Quoten, sei es dass die Verbandszugehörigkeit darüber entscheidet, ob jemand in ein Amt gewählt wird oder nicht, oder die Zugehörigkeit zu einer Region innerhalb einer KZV ausschlaggebend ist für die Besetzung eines Vorstands.

Antrag auf der VV der KZBV

Selbstverwaltung zukunftsfest gestalten – Frauenanteil in den Gremien der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung erhöhen

Wortlaut des Antrags:
„Die Vertreterversammlung der KZBV begrüßt das Gesamtkonzept ‚Erhöhung des Frauenanteils in den Gremien der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung‘ der AG Frauenförderung. Die Vertreterversammlung beschließt, die im Konzept aufgezeigten Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils aktiv aufzugreifen, macht die Maßnahmen zum Gegenstand ihres weiteren berufspolitischen Handelns und fordert gleichzeitig die Vorstände der KZBV und der KZVen sowie die Mitglieder der KZVen dazu auf, entsprechend zu handeln. Die Maßnahmen zielen auch darauf ab, junge Zahnärztinnen und Zahnärzte für die vertragszahnärztliche Selbstverwaltung zu gewinnen.

Begründung: Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in den Gremien der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung sowie zur Förderung zahnärztlichen Nachwuchses müssen von den Vorständen und Gremien der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung aktiv aufgegriffen, positiv begleitet und als zentrale Aufgaben und strategische Ziele wahrgenommen werden. Für die Zukunft der Selbstverwaltung ist es entscheidend, den gesamten Berufsstand in den Gremien abzubilden. Die von der AG Frauenförderung hierzu entwickelten Maßnahmen werden als besonders geeignet angesehen, diese Zielsetzung voranzutreiben und in der Praxis zu konkreten Ergebnissen zu kommen.“

KZBV-Vertreterversammlung vom 28. bis zum 30. Oktober 2020, Antragsteller: Vorstand der KZBV, Dr. Ute Maier, KZV Baden-Württemberg, Dr. Christine Ehrhardt, KZV Rheinland-Pfalz

Mein Anspruch war und ist es, es ohne Quote zu schaffen. Da müssen wir – das hat mich die vergangene VV gelehrt – aber noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Und ich bin mir sicher: Wenn wir es nicht selbst schaffen, wird die Politik das regeln. In diesem Fall hätte die Selbstverwaltung eine große Chance vertan, das Thema selbst in die Hand zu nehmen und nach den eigenen Bedürfnissen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Was folgt konkret aus dem Beschluss, der auf der VV getroffen wurde? Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden? Welche Schritte sind aus Ihrer Sicht jetzt erforderlich?

Sehen wir es positiv. Immerhin etwas mehr als zwei Drittel der VV haben für das Konzept gestimmt. Das ist doch bei einem so schwierigen Thema, bei dem es ja auch darum geht, eingefahrene Verhaltensmuster zu ändern, ein Signal, dass sich etwas bewegt. Natürlich hätte ich mir ein klareres Votum gewünscht. Insofern bin ich nun natürlich darauf gespannt, wie das Thema in den KZVen aufgegriffen wird. Es gibt ja schon einige KZVen, die viel für die Nachwuchsförderung machen und auch bereits das „Frauenthema“ aufgegriffen haben.

Die VV hat aber auch ganz klar gezeigt, dass noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist und wir die einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmenpunkte mit Leben erfüllen müssen. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass wir zu einzelnen Punkten konzeptionell konkrete Vorschläge erarbeiten. Die VV ist Ansporn, das Thema nun erst recht am Köcheln zu halten und nicht locker zu lassen.

Die Fragen stellte Claudia Kluckhuhn.

Zwei Drittel der Delegierten stimmten auf der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung Ende Oktober dafür, dass die zahnärztliche Selbstverwaltung aktiv Maßnahmen ergreifen soll, um den Frauenanteil in den Gremien der KZBV zu erhöhen.

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