Kunst in der Praxis – Teil 2

Mit Tulpen gegen die Angst

Kaufen oder das eigene Talent nutzen? Der eine neigt zum Kunstsammeln, der andere greift selbst zum Pinsel oder zur Kamera. Wieder eine andere entscheidet sich nach 15 Jahren Zahntechnik für die Liebe zur Kunst. Wie auch immer: Im Idealfall vergessen ängstliche Patienten für ein paar Minuten die Anspannung ...

Das hat jedenfalls der Hamburger Zahnarzt Georg Kampff im Laufe seiner über 50-jährigen Berufspraxis festgestellt. Der 75-Jährige ist Künstler aus Leidenschaft, seine Werke erfreuen Mitarbeiter und Patienten gleichermaßen. „Über die Kunst komme ich mit vielen Patienten ins Gespräch. Und am Ende fragen sie oft, was wir eigentlich in Sachen Zahnmedizin machen wollten. Man kann mithilfe der Bilder kurz abschweifen, bevor die Behandlung beginnt.“

Zweimal im Jahr kommt die Kunst auch per Post ins Haus: „Für unsere Oster- und Weihnachtskarten verwenden wir jeweils ein Kunstthema, die Originale hängen in der Praxis“, erzählt Kampff. Im Wartezimmer gibt es für kunstinteressierte Patienten auch eine Mappe mit Fotos von Gemälden, die der Zahnarzt angefertigt hat. Wer daran Gefallen findet, kann sie kaufen. Gerade hat Kampff eine befreundete Röntgenpraxis mit 18 Bildern ausgestattet. Und ein Patient hat seiner Frau ein von ihr seit Jahren bewundertes Praxis-Bild kurzerhand als Überraschung zu Weihnachten geschenkt.

Die Kunst begleitet das Leben des Zahnarztes. „Ich habe Workshops an der Kunsthochschule gegeben und 20 Jahre lang jeden Montag einen Kurs für Aktzeichnen für Fortgeschrittene durchgeführt.“ Er sieht Parallelen zwischen dem Malen und der Zahnmedizin: „Eine wirkliche Könnerschaft zeigt sich in beiden Bereichen erst nach 10.000 bis 12.000 Arbeitsstunden“, sagt er.

Sein Fundus umfasst mittlerweile 120 zum Teil großformatige Gemälde – Anlass für eine Geschäftsidee: „Ich könnte mir vorstellen, Ausstellungen in Zahnarztpraxen zu machen. Die zehn bis 20 Bilder würden alle sechs Monate ausgetauscht.“

Blütenkunst via Smartphone

Dr. Wilfried Forschner ist Zahnarzt und Vorsitzender der Bezirkszahnärztekammer Tübingen. Sein Kunstwerkzeug hat er immer in der Jackentasche: Er fotografiert mit seinem Smartphone, am liebsten Blumen. „Früher habe ich analog fotografiert und Vergrößerungen machen lassen.“ Die Patienten in seiner Praxis in Biberach werden mit Blumenbildern und Urlaubsmotiven erfreut.

Im Jahr 2019 hatte Forschner quasi ein kleines „Erweckungserlebnis“: „Mein Sohn zeigte mir die Huawei P30 Pro und ich war völlig von den Socken. Das Smartphone erzeugt Fotos von unglaublicher Schärfe.“ Jemand hatte Tulpen mitgebracht, Forschner begann, diese zu fotografieren. „Unsere Patienten sind begeistert“, erzählt der Zahnarzt.

Für Gabriele Middelmann kam im Leben zuerst die Kunst: „Ich habe die Kunsthochschule Wuppertal besucht. Da ich finanziell unabhängig sein wollte, habe ich eine Ausbildung zur Zahntechnikerin gemacht.“ 15 Jahre arbeitete sie in diesem Beruf, aber: „Die Kunst lief immer parallel. Ich habe zum Beispiel Logos für Zahnarztpraxen entworfen.“ Schließlich nahm sie das Kunststudium wieder auf, mittlerweile ist sie seit 15 Jahren als freie Künstlerin tätig.

Etwas Blutiges taugt nicht für die Praxis

In der Branche sprach sich herum, dass der Name Middelmann eine gute Adresse ist, wenn man Kunst für die Praxis sucht. In der Praxis ihres Mannes im bayerischen Unterschleißheim hat Middelmann zum Beispiel einen Sternenhimmel installiert, auch Gemälde erfreuen die Patienten. Sie sagt: „Mit meinen Bildern möchte ich im Wartezimmer eine angenehme Atmosphäre schaffen. Farben haben dabei einen großen Einfluss. Ich würde für eine Zahnarztpraxis niemals etwas Blutiges malen, hier braucht man eher ruhige, flächige Arbeiten. Blau und Türkis sind in meinen Bildern immer vertreten. Auch graue und warme Brauntöne eignen sich gut, um Patienten abzulenken.“

In der Zahnarztpraxis von Dr. Michael Meyer in Weißenthurm am Rhein dreht sich alles um den Zahn. Logisch, sollte man denken. Doch es ist ein Zahn aus Marmor: „Ich bin Zahntechnikerin und habe den Zahn vor 26 Jahren zur Praxiseröffnung in kleinerer Form aus Ton modelliert. Danach hat ein Steinmetz ihn in Marmor übertragen“, erzählt Kianga Meyer. Sicher auf einer Platte montiert, ist der 90 Zentimeter hohe Zahn seitdem das Herz der Praxis. Er steht im Weg und gerade so soll es sein: „Die Patienten gehen daran vorbei, wenn sie ins Behandlungszimmer gehen und Kinder spielen gern damit, laufen um ihn herum.“

silv

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