Medizinischer Fakultätentag

So sieht das Studium der Zukunft aus

Derzeit ringen Bund und Länder um eine Reform der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO). Die neue Zahnärztliche Approbationsordnung (ZApprO) wird ab Herbst in den Universitäten umgesetzt. Die Krux: Mit der ZApprO wurde lediglich der klinische Abschnitt des Zahn medizinstudiums reformiert. Der Medizinische Fakultätentag (MFT) fordert im Zuge der Novelle für das Medizinstudium auch eine Weiterentwicklung des gesamten Zahnmedizinstudiums. Das Ziel: Eine Stärkung der praktischen Ausbildung, mehr strukturelle Gleichstellung mit der Medizin und mehr Raum für die Forschung.

Welche Kernelemente machen ein zukunftsfähiges Zahnmedizinstudium aus? Und wie können diese sinnvoll in eine nächste ZApprO integriert werden? Fest steht für den Medizinischen Fakultätentag (MFT): Die neue ZApprO von 2019 mit Fokus auf die Novellierung klinischer Aspekte stellt lediglich einen ersten Schritt dar. Denn das Zahnmedizinstudium sollte in allen Studienabschnitten weiter reformiert werden.

In einem aktuellen Positionspapier fordert der MFT daher, nun auch die Weichen für die Zahnmedizin neu zu stellen. Dies sind die Kernforderungen:

Kompetenzorientierung:

Kommunikation und zahnärztliche Gesprächsführung sollten verbindlich im Curriculum verankert sein und sich über das gesamte Studium hinweg erstrecken. Das betrifft die Arzt-Patienten- Kommunikation wie auch Interaktion mit Kollegen und weiteren Gesundheitsberufen.

Präventionsorientierung:

Gesundheitsförderung und Vermeidung oraler Erkrankungen sollten in der Ausbildung einen breiten Raum einnehmen.

Wissenschaftliche Kompetenz:

Dazu gehört die Vermittlung der Prinzipien von evidenzbasierter Medizin und Zahnmedizin, der Evaluation wissenschaftlicher Quellen und der Grundsätze guter wissenschaftlicher und klinischer Praxis. Wichtig hier: genügend zeitliche Freiräume für die Studierenden.

Digitale Kompetenz:

Die Studierenden sollten frühzeitig mit digitalen Verfahrensweisen vertraut gemacht werden, da die Digitalisierung künftig sowohl in Diagnostik wie Therapie eine breitere Rolle einnehmen wird.

Dreh- und Angelpunkt für die künftige Ausgestaltung des Zahnmedizinstudiums sollte in Zukunft der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Zahnmedizin (NKLZ) sein. Der NKLZ wurde 2015 herausgegeben vom Medizinischen Fakultätentag unter Einbindung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde (DGZMK), der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und der Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK). Im Grunde ist er bislang aber nicht bindend. Er dient nur als Gerüst im Sinne eines Kerncurriculums, beschreibt das Absolventenprofil für Zahnärzte und gibt den Fakultäten Raum für die eigene Gestaltung.

Die ZApprO

2019 wurde die – überfällige – Zahnärztliche Approbationsordnung (ZApprO) verabschiedet. Der Fokus lag auf der Reform der klinischen Studiengänge. Die zunächst vorgesehene Parallelität zu den Studiengängen Medizin und Zahnmedizin im vorklinischen Studienabschnitt wurde wegen der anstehenden Novellierung der ÄApprO ausgeklammert, die nach dem Willen der Politik zuerst verabschiedet werden sollte.

Die neue ZApprO sollte ursprünglich ab 1. Oktober 2020 in Kraft treten. Wegen der Pandemie wurde der Beginn dann um ein Jahr verschoben, jedoch wurden Regelungen zur Gleichwertigkeitsprüfung bei den Kammern wie geplant schon 2020 umgesetzt. In einem – vorgezogenen – Entwurf zur Novelle der Approbationsordnungen für die Heilberufe vom Juli 2021 werden derzeit rechtliche Voraussetzungen geschaffen, damit pandemie- bedingt jetzt schon regelhaft digitale Lehrformate greifen können – im Zahnmedizin- wie auch im Medizinstudium. Außerdem werden Übergangs- regeln zur Umstellung des Zahnmedizinstudiums von der alten auf die neue Approbationsordnung geschaffen. Die Abstimmungsprozesse laufen aktuell.

Die neue ZApprO tritt nun zum Wintersemester 2021/22 ab dem 1. Oktober in Kraft. Jetzt geht es darum, im Zuge der Novelle für das Medizinstudium auch das Zahnmedizinstudium weiterzuentwickeln – ein dringlicher Appell des MFT nan die Politik, dem sich die zahnärztlichen Fachverbände – allen voran die Bundeszahnärztekammer – anschließen. Nach wie vor offen ist – wie bei der Medizin – die Kapazitäts- und Finanzierungsfrage und die Diskussion um curriculare Normwerte.

Der MFT fordert nun in seinem Papier, den NKLZ – analog zur Medizin – ständig zu aktualisieren und zu einem NKLZ 2.0 weiterzuentwickeln. Er sollte verbindlich in eine novellierte ZApprO aufgenommen werden.

Der MFT verlangt zudem eine Schärfung des zahnärzt- lichen Curriculums mit deutlich früherem Patientenkontakt. Lange war zwar hier der sogenannte „Common Trunk“ in der Diskussion – die gemeinsame Gestaltung der Kernbereiche der Curricula Medizin und Zahnmedizin in den ersten vier Semestern. 

Kein „Parkstudium“ für angehende Mediziner

Diese Idee will der MFT jedoch nicht mehr weiterverfolgen. Denn: Das Zahnmedizinstudium sollte nicht als „Parkstudium“ für die Medizin missbraucht werden. Außerdem sollten Zahnmedizinstudierende möglichst früh im eigenen Studienfach abgeholt werden. Es sollte ein longitudinales Curriculum der oralen Medizin mit Zahnmedizin-zentriertem Kern bevorzugt werden. Dies betone die Eigenständigkeit des Fachs und ermögliche durch interdisziplinäre Module mit der Medizin gemeinsame Lehrinhalte. Der MFT spricht hier vom „Core Common Trunk“.

Die ÄApprO

Das Bundesgesundheitsministerium hatte im Dezember 2020 einen Referentenentwurf zur Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) vorgelegt. Die Weiterentwicklung des Fachs wurde bereits mit dem „Masterplans Medizinstudium 2020“ auf den Weg gebracht. Vorbild sind die Modellstudiengänge der Medizinischen Fakultäten. Der Masterplan soll nun im Rahmen einer neuen ÄAPPRO umgesetzt werden. Inhaltlich geht es vor allem um die Vermittlung von mehr Praxis- und Patientennähe, mehr Wissenschaftlichkeit und die stärkere Verankerung der Allgemeinmedizin. Die Medizinerausbildung soll künftig stärker kompetenzorientiert ausgerichtet werden. Dazu soll der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) verbindlich in der ÄApprO festgeschrieben werden. Der NKLM ist ein Kerncurriculum und soll dazu dienen, das Studium aktuell zu halten. Eine modernisierte Version NKLM 2.0 wurde im April 2021 veröffentlicht. Jetzt geht es darum, dass alle Fakultäten ihre Lehrinhalte darauf abstimmen. Das parlamentarische Verfahren zur ÄApprO läuft noch. Vor Kurzem mahnte der Bundesrat Mitsprache bei den kapazitätsrechtlichen Folgewirkungen an: Nötig sind zahlreiche Nachjustierungen und die Klärung der Finanzierung – vor allem beim Kapazitäts- und Betreuungsaufwand. Geplant ist, dass sich Bund und Länder bis Ende des Jahres einigen. Die Novelle soll voraussichtlich im Oktober 2025 in Kraft treten.

Ein dringlicher Aspekt ist für den MFT die Akquise von geeigneten Patienten für die Behandlungskurse. Dies sei wichtig, um den Unterricht am Patienten sicherzustellen und bei den Studierenden entsprechende Kompetenz aufzubauen. Mit Blick auf die Corona-Pandemie weist der MFT darauf hin, dass eine Rückkehr zum Unterricht am Patienten unumgänglich sei – alternative Lehrformate und Simulationen könnten die Ausbildung am Patienten nicht ersetzen. 

Gut ausgebildet auch in den Fächern der Medizin

Im Zuge der Novelle des Medizinstudiums sollten jetzt auch Anpassungen in beiden Fächern auf den Weg gebracht werden, fordert der MFT. Eine Gleichstellung zahnmedizinischer Disziplinen mit Grundlagenfächern und klinischen Fächern der Medizin sei elementar, heißt es in dem Papier, denn medizinische Aspekte seien für einen gut ausgebildeten Zahnarzt der Zukunft wichtig. Es müssten Synergien geschaffen und die Struktur des Zahnmedizinstudiums an die des Medizinstudiums angepasst werden. Als Schnittstellen führt der MFT etwa Mundgesundheit und orale Prävention, Schmerzmedizin, Seniorenmedizin oder mundgesundheitsbezogene Lebensqualität an. Der MFT spricht hier von interprofessionellen Modulen oder „Common Rungs.“ 

Die ersten Staatsexamensprüfungen müssen abgestimmt werden

Die Zeitpunkte der ersten Staatsexamensprüfung in beiden Fächern müssten zudem miteinander abgestimmt werden. Ferner sollte ein weiterentwickelter NKLZ mit dem Nationalen Kompentenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) abgeglichen werden. Außerdem sollte es gemeinsame Prüfungsformate geben. 

„Zahnärzte müssen wissenschaftlich denken können!“

Welche Botschaften wollen Sie der Politik mit dem Positionspapier vermitteln?

Prof. Dr. Roland Frankenberger: Es darf für die Politik auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass durch die jetzt unmittelbar bevorstehende Novelle der zahnärztlichen Approbationsordnung das Thema Zahnmedizinstudium erst einmal erledigt ist. Vor allem vor dem Hintergrund der Angleichung an die Weiterentwicklung des Medizinstudiums („Masterplan Medizinstudium 2020“) ist ein abschließender Reformschritt für den ersten Studienabschnitt der Zahnmedizin unabdingbar.

Uns ist es wichtig, dass auf der einen Seite die seit geraumer Zeit etablierte interdisziplinäre praktische Ausbildung weiter gestärkt, auf der anderen Seite aber auch die wissenschaftliche Ausbildung signifikant verbessert wird. Zahnärzte müssen nach ihrem Studium nicht zwingend wissenschaftlich arbeiten, aber sie müssen wissenschaftlich denken können.

Weitere fundamentale Aspekte sind die Anpassung an deutlich gewandelte demografische Rahmenbedingungen sowie neue Ansätze zur Prävention, zum Erhalt und zur Wiederherstellung von Mundgesundheit. Dies erfordert eine stärkere Verschränkung mit dem Studium der Medizin als longitudinales Curriculum der Zahnmedizin als orale Medizin. Der Nationale Kompetenzbasierte Lernziel- katalog Zahnmedizin (NKLZ) legt die Grundlage für eine zeitgemäße kompetenzorientierte Ausbildung und muss daher zwingend weiterentwickelt werden.

Wo liegen die Besonderheiten der Zahnmedizin gegenüber der Medizin?

Wesentliche Aspekte der beschriebenen Reform der Zahnmedizinerausbildung sind die strukturelle Gleichstellung mit der Medizin im Sinne einer Angleichung von Betreuungsverhältnissen und Anrechnungsfaktoren sowie die Schaffung von adäquaten Freiräumen für die Forschung.

Während die Medizin pro Fakultät nicht selten über 100 (berufene) Professuren vorhält, sind dies in der Zahnmedizin in der Regel vier bis sieben, bei einem Lehranteil von bis zu 18 Prozent innerhalb der Medizinischen Fakultäten. Das Zahlenverhältnis von Professoren zu Studierenden liegt in der Medizin bei circa 1:20 und in der Zahnmedizin bei circa 1:85, das Verhältnis von wissenschaftlichen Vollzeitstellen zu Studierenden liegt in der Medizin bei circa 1:1,8 und in der Zahnmedizin bei circa 1:9,5. Grundvoraussetzung ist daher zuerst eine vollumfassende Finanzierung.

Prof. Dr. Roland Frankenberger ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und Mitglied im Präsidium des Medizinischen Fakultätentags (MFT)

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