Interview mit Beate Slominski

„Ohne künstlerisches Empfinden geht es auch in der Zahnmedizin nicht!“

Natürlich ist Beate Slominski Zahnärztin. Sie hat aber auch die Bücher „Das Orale“ und „Das Dentale“ herausgegeben und bei der Ausstellung „In aller Munde“ im Kunstmuseum Wolfsburg mitgewirkt. Außerdem leitet sie das Fortbildungsinstitut „Wissenschaft und Kultur“ und betreibt den Berliner Salon „T-Kult“. Jetzt geht sie mit einer neuen Videoserie an den Start.

In der Szene, vor allem in Berlin, kennt man Sie und Ihren Salon „T-Kult“. Für alle anderen: Können Sie uns den Ort und das Konzept kurz vorstellen?

Beate Slominski: Im Frühjahr 2011 habe ich in Berlin das Institut „Wissenschaft und Kultur“ gegründet – mit dem Ziel, die gesetzliche Verpflichtung zur zahnärztlichen Fortbildung mit einem anspruchsvollen Kulturprogramm zu verbinden. Mit dem ehemaligen Salon des Kultursoziologen und Schriftstellers Nicolas Sombert in der Ludwigkirchstraße im Herzen von Berlin-Wilmersdorf hatten wir schließlich eine adäquate Räumlichkeit für das Institut gefunden, in der wir an die Tradition der Berliner Salonkultur anknüpfen konnten.

Sombart war der Sohn des Volkswirts Werner Sombart und einer meiner Patienten. Er lud jeden Sonntag zu einem „Jour fixe“ in seine Wohnung ein. Dort traf man sich zum Gedankenaustausch. Dieser Salon war eine Institution mit einer unglaublichen Atmosphäre! Ein perfekter Rückzugsort. Als Sombart 2008 starb, stand die Wohnung leer. Ich habe sie dann kurzerhand angemietet und dem Raum meine eigene Handschrift verpasst, natürlich ohne die Atmosphäre zu zerstören.

Der Salon „T-Kult“ ist dem Fortbildungsinstitut unmittelbar angegliedert. Vor Corona bot er nach den wissenschaftlichen und kulturellen Veranstaltungen wunderbare Möglichkeiten zum vertiefenden Gespräch. Das „T“ steht gleichermaßen für den Tee, der damals in den Salons serviert wurde, und für den Transformationsprozess heute. Es ist wirklich ein exzeptioneller Rahmen, um einer interdisziplinär aufgeschlossenen Ärzteschaft fachliche Fortbildungen anzubieten.

Sie haben jetzt einen Videocast ins Leben gerufen. Interessanterweise geht es darin gar nicht um Zahnmedizin. In der ersten Episode dreht sich das Gespräch beispielsweise um Autos. Was ist die Idee dahinter?

Corona-bedingt war der Videocast „Date am Donnerstag“ für mich die passgenaue, zeitgemäße Antwort und damit eben auch die Weiterentwicklung des analogen Salons. Hiermit können wir unsere Gesprächskultur aus dem Salon in eine neue Dimension retten. Die Verknüpfung von Wissenschaft, Zahnmedizin, Kunst und Kultur mit einem Schwergewicht auf dem interdisziplinären Ansatz realisieren wir nach wie vor in dieser Konsequenz und machen der Zahnärzteschaft ein Angebot zusätzlicher Inspiration.

Wir treffen jetzt Zeitgenossen, die sich über ihre beruflichen und persönlichen Leidenschaften austauschen – Bernd Heusinger, ein Freund des Hauses, spricht in einer Folge zum Beispiel vor dem Olympiastadion mit dem Spiegel-Redakteur Lars-Olav Beier über seinen Hybrid BMW i8i, der durch den Eingriff des Künstlers Thomas Scheibitz zu einer Autoskulptur geworden ist. Dieses Stück ist eine Expedition in die Welt des Fetisch, des Kultobjekts Auto. Das ist unser After-Work-Angebot für unsere Kollegenschaft, männlich wie weiblich, denn auch ich bin eine große Autoliebhaberin.

Wie erklärt sich der Name „Ohne Betäubung“ beim zweiten Podcast?

Zahnärzte, Kliniker, Praktiker und Patienten kommen zu Wort – kontrovers in den Positionen, zuspitzend in der Sache, analytisch in der Transparenz, rhetorisch im Argument, verantwortlich in der Haltung.

Furore machte 2021 die Ausstellung „In aller Munde“ im Kunstmuseum Wolfsburg, die Sie mit auf den Weg gebracht haben. Leider konnten die Werke wegen der Pandemie nur kurz gezeigt werden. Wie war das für Sie?

Die Eröffnung war großartig, danach wurde die Ausstellung leider Virus-bedingt geschlossen. Aber es gab eine Wiedereröffnung und damit war ich glücklich. Trotz alledem.

Am Ende des Tages gab es einen wunderbaren Katalog und der bleibt, auch wenn die Ausstellung abgebaut ist. Damit: Ende gut – alles gut.

Auch Ihre Bücher „Das Orale“ und „Das Dentale“, in denen Sie die kulturelle Bedeutung des Mundraums gesellschaftlich und historisch beleuchtet haben, schlugen ein. Haben Sie ein weiteres Projekt in dieser Richtung in Planung?

Genau, in meinem Institut habe ich nicht nur neue Ansätze in die zahnärztliche Fortbildung gebracht, sondern 2013 auch mit dem Kulturwissenschaftler Hartmut Böhme das interdisziplinäre Buch „Das Orale: die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin“ herausgegeben. Dieses Buch zur kulturellen und medizinischen Bedeutung des Oralen und des Dentalen war die erste Publikation dieser Art. Es war ein gelungener Versuch, den Bedeutungswandel zahnmedizinischer Praxis in Zusammenhang mit aktuellen gesellschaftlichen Strömungen und Umbrüchen sowie im historischen Kontext neu darzustellen.

Auch in meinem zweiten Buch „Das Dentale“ habe ich 2016 versucht, eine Gesamtansicht der anthropologischen, kulturellen, ästhetischen, zahnmedizinischen, linguistischen, künstlerischen und psychodynamischen Dimensionen des „Mundwerks“ vom Mythos bis zur neuesten Gegenwart zu geben.

Ein neues Buchprojekt habe ich nicht in Planung, stattdessen arbeite ich an unserem neuen Videocast „Ohne Betäubung“, das ein Gipfeltreffen wird von Zahnärzten aus Klinik und Praxis für Zahnärzte und Patienten.

Wie definieren Sie sich eigentlich selbst: Sind Sie Zahnärztin oder Künstlerin beziehungsweise Kunstschaffende?

Mit dem Hintergrund des Studiums der Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft und durch die Kenntnisse als Vorstandsvorsitzende einer Berliner Kunstinstitution habe ich ideale Voraussetzungen, um fundiert neue Akzente in die Zahnmedizin zu geben. Ich sehe mich als leidenschaftliche Zahnmedizinerin, die versucht neue Impulse und Inspirationen in die Zahnmedizin einzubringen. Meine Fähigkeiten setze ich in meiner Arbeit im Munde der Patienten ein: besonders in der ästhetischen Zahnmedizin in der Form- und Farbgestaltung bin ich entsprechend stilsicher.

Das ist mein Leitmotiv: Die minimalinvasiven Möglichkeiten der modernen Zahnmedizin zu nutzen, um auch das optische Bild zu verbessern, etwa mit Veneers und der dentinadhäsiven Technik. Letztendlich lebe ich mich im Munde des Patienten aus. Ich stelle die Verbindung her zwischen Kunst und Zahnmedizin. Ohne künstlerisches Empfinden geht es nicht, auch nicht in der Zahnmedizin.

Das Gespräch führte Claudia Kluckhuhn.

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