BZÄK-Gespräch mit deutschem EU-Botschafter

Brüssel prägt das Gesundheitswesen

197574-flexible-1900
Abseits nationaler Politik schafft die Europäische Union (EU) mit ihren Harmonisierungsbestrebungen weitreichende Konsequenzen für die jeweiligen Gesundheitssysteme ihrer Mitglieder. Anlässlich einer Einladung in die ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU-Kommission in Brüssel erörterten Vertreter der Bundeszahnärztekammer mit den deutschen Abgesandten Strategien und Handlungsmöglichkeiten zur Bewahrung heilberuflicher Notwendigkeiten innerhalb eines vereinten Europas.

Als typischen Brüsseler Tag bezeichnete Gastgeber Dr. Wilhelm Schönfelder, Botschafter der ständigen Vertretung, die Situation vor Empfang des Vorstandes der Bundeszahnärztekammer am 20. Mai in Brüssel. Es sei zentrale Aufgabe seiner Institution, am europäischen Gesetzgebungsprozess teilzunehmen und im deutschen Sinne Kompromisse zu ermöglichen, erklärte der Diplomat das Arbeitsfeld der ständigen Vertretung. Entgegen immer noch vorherrschender nationaler Überzeugung werde in Brüssel europäisches Recht mit großen Auswirkungen auf nationale Gegebenheiten gesetzt. Vieles von dem, was seitens der Kommission vorbereitet werde, gelange gar nicht mehr auf die politische Ebene. Und es gebe nun mal „keine Möglichkeit zur Abwahl der Entscheider, falls der Einzelne nicht mit der Gesetzgebung einverstanden ist“.

Auch wenn Schönfelder angesichts mangelnder Finanzierbarkeit nicht mit einer Harmonisierung der nationalen Sozialsysteme innerhalb der EU rechnet, sind die Auswirkungen der EU-Gesetzgebung auf das deutsche Gesundheitswesen inzwischen mannigfaltig. Brüssel befasse sich längst nicht mehr ausschließlich mit Fragen zur Agrar- und Wirtschaftspolitik, sondern auch dezidiert mit Regelungen wie der politisch gewollten europäischen Krankenversicherungskarte oder grenzüberschreitender medizinischer Versorgung. „Wenn Zahnersatz im Ausland billiger ist, dann wird es künftig auch möglich sein, über die Grenzen zu gehen. Das wird mittelfristig kommen,“ prognostizierte der Brüsseler Diplomat mit Blick auf ein Beispiel der EU-Politik.

Kampf um nationale Standards

Von der EU-Kommission weit entwickelt sei inzwischen auch der Gesetzgebungsprozess zur Harmonisierung nationaler Qualifizierungsstandards ärztlicher und zahnärztlicher Berufe. Wie der Diplomat ausführte, werde man in Brüssel allerdings dafür kämpfen, dass die nationalen Anforderungen für die Qualifizierung der Heilberufe nicht der Harmonisierung geopfert werden. Auch wenn die Kommission die Beratung in dieser Frage abgeschlossen habe, werden sich jetzt der Rat und das Parlament mit dieser Thematik befassen.

Hier werde die Bundeszahnärztekammer mit ihrer weiteren Arbeit ansetzen, betonten BZÄK-Präsident Dr. Dr. Jürgen Weitkamp und der für EU-Angelegenheiten zuständige Vizepräsident Dr. Wolfgang Sprekels das Vorgehen für die weiteren Aktivitäten. Gerade weil die Politik Brüssels für die Bürger oft „nicht nachvollziehbar gestaltet wird“, lege die BZÄK einen Schwerpunkt ihrer lobbyistischen Arbeit gerade auch auf das Brüsseler Büro, betonte BZÄK-Präsident Weitkamp die Aktivitäten der Zahnärzteschaft am „Puls des Geschehens“.

Möglich sei, dass sich die Umsetzung der Gleichwertigkeitsprüfungen, die eine Nivellierung der hohen deutschen Qualifizierungsstandards auf niedrigerem Niveau bewirken kann, über Jahre hinzieht. Der EURekord für die Umsetzung eines Gesetzgebungsverfahrens liege immerhin bei 31 Jahren, erläuterte der für Gesundheitsfragen zuständige Referent der Brüsseler Vertretung Niggemeier. Auch wenn das Bundesgesundheitsministerium eine kritische Stellungnahme zum EU-Vorhaben an das federführende Bundeswirtschaftsministerium geliefert habe, müssten die Einflüsse zur Änderung des Kommissions-Entwurfs über die Beratung der Ratsgremien genutzt werden. Ausschlaggebend sei jetzt die Positionierung der Mitgliedstaaten in den Gremien. Komme es zur Ablehnung durch einzelne Mitglieder, habe das EU-Parlament das letzte Wort. Hier liegt eine weitere Chance für die deutsche Zahnärzteschaft. Gerade im Vorfeld zu den Wahlen seien Gespräche mit den zuständigen Abgeordneten noch erfolgversprechend. Für Kontakte mit der Brüsseler Vertretung der Bundeszahnärztekammer, so sicherte man in der Brüsseler Außenstelle der Bundesregierung zu, stehe man jederzeit zur Verfügung.

Mit Sorge betrachtete Botschafter Schönfelder die beabsichtigte schnelle Umsetzung der EU-Ost-Erweiterung: „Wenn wir nicht aufpassen, kann der deutsche Netto-Beitrag in der Finanzierung der EU ab dem Jahr 2006 auf 18 Milliarden Euro steigen. Wir werden das alles nur bekommen, wenn wir was dafür bezahlen.“ Ein teures Unterfangen, allerdings sei die Erweiterung aber auch bestes präventives Management. Nicht auszuschließen sei angesichts der bevorstehenden Erweiterung aber auch ein Demokratie-Defizit innerhalb der EU. Mit Blick auf die bisherige Vorgehensweise der gesetzlichen Prozesse sei eine funktionierende EU mit 25 oder mehr Mitgliedern nicht mehr in herkömmlicher Weise praktizierbar. Notwendig sei, so Schönfelder, die Beibehaltung des Nationalstaaten-Prinzips. Ein Konstrukt „à la USA“ kann sich der Leiter der ständigen Vertretung in Brüssel nicht vorstellen.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.