Die Chancen eines Insolvenzverfahrens

Nichts geht mehr – aber nur fast

Wenn ein Zahnarzt es trotz aller Maßnahmen nicht mehr schafft, seine Praxisfinanzen und seine private finanzielle Situation in den Griff zu bekommen – mit der neuen Insolvenzordnung gibt der Gesetzgeber ihm seit einiger Zeit eine Hilfestellung.

Geldgeber halten lange still. Zumindest so lange, wie sie damit rechnen können, das geliehene Geld wieder zurückgezahlt zu bekommen. Ist der Kreditrahmen jedoch überzogen und die Banken haben keine Aussicht auf Rückzahlung, werden die Konten gesperrt. Für die Geldinstitute ist das Risiko zu groß, dass sich weitere nicht rückzahlbare Schulden anhäufen, wenn der Zahnarzt seine selbständige Tätigkeit aufrecht erhält. In der Folge werden Überweisungsaufträge nicht mehr durchgeführt. Zahnärzte, die sich in dieser Bredouille befinden, weichen auf Lieferantenkredite oder Darlehen von Familienangehörigen aus – sofern sie diese nicht schon vorher in Anspruch genommen haben. Aber auch solche Darlehen müssen bedient werden. Reichte das Geld schon nicht aus, um bereits bestehende Darlehen zurückzuzahlen, wird die Situation durch eine nochmalig Darlehensaufnahme auch nicht besser. Vielmehr verschärft sie sich zunehmend.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt beginnt der Zahnarzt, seine liquidierbaren Vermögenswerte flüssig zu machen. Die schnell verfügbaren Geldanlagen – Aktien oder Rentenpapiere – werden als erstes veräußert. Als nächstes folgen die schwerer liquidierbaren Vermögenswerte, wie die Kapitallebensversicherung und der Immobilienbesitz. Damit werden sämtliche Rücklagen aufgelöst – auch die für die Altersvorsorge. An das Altersversorgungswerk werden nur noch die absolut notwendigen Grundbeiträge bezahlt. Dass solche Veräußerungen nur mit teilweise erheblichen Verlusten zu realisieren sind, ist klar.

Durch geschicktes Jonglieren dieser begrenzten Mittel gelingt es manchem Zahnarzt über Jahre hinweg, die Gläubiger ruhig zu halten. Denn nur wenn ein Gläubiger (oder der Zahnarzt selbst) beim zuständigen Amtsgericht einen Antrag stellt, wird das Insolvenzverfahren eingeleitet. Eine solche Antragstellung bedeutet das Aus für einen selbständigen Zahnarzt. Deshalb tendieren die meisten Schuldner dazu, diesen Schritt so lange wie möglich hinauszuzögern – zumal sie die Hoffnung hegen, dass sich ihre wirtschaftliche Lage wieder bessern wird. Folglich wird immer gerade jener Gläubiger bezahlt, der beabsichtigt, den Antrag zu stellen. Doch irgendwann geht nichts mehr und der Gang zum örtlichen Amtsgericht, dem Insolvenzgericht, wird beschritten.

Bis 1998 musste ein Zahnarzt sich selbst mit den Schuldnern auseinandersetzen und konnte davon ausgehen, dass er den Rest seines Lebens für die von ihm angehäuften Schulden gerade stehen musste. Seit 1999 gilt jedoch in Deutschland die neue Insolvenzordnung. Diese soll einerseits den Interessen von den Gläubigern gerecht werden, aber auch dem Schuldner die Möglichkeit geben, unbelastet durch seine alten Schulden neu anfangen zu können.

Zwar wird im Insolvenzverfahren das noch vorhandene Vermögen des verschuldeten Zahnarztes an die Gläubiger verteilt. Aber nach einer Phase von sieben Jahren kann der Zahnarzt schuldenfrei aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen. Voraussetzung für die Einleitung des Insolvenzverfahrens ist natürlich eine Überschuldungssituation. Das Verfahren wird eingeleitet, indem ein Gläubiger oder der verschuldete Zahnarzt selbst den Antrag bei dem zuständigen Amtsgericht stellt.

Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens ist es, das gesamte Vermögen des Schuldners möglichst gleichmäßig an die Gläubiger zu verteilen. Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ist es also nicht möglich, dass ein einzelner Gläubiger eine Vollstreckung durchführt.

Masse muss sein

Ist nun ein Antrag auf die Einleitung des Insolvenzverfahrens gestellt worden, wird zunächst der Umfang der „Masse“ bestimmt. Mit diesem Begriff wird alles bezeichnet, was der Zahnarzt als Unternehmer an Werten besitzt. Hierzu zählen die Praxis, betriebliche Grundstücke oder Immobilien, aber auch Forderungen an Patienten, Abrechnungsstellen, oder Kassenzahnärztliche Vereinigungen. Es müssen positive Werte, aber auch Schulden berücksichtigt werden. Darüber wird ein Gutachten erstellt, welches den Umfang der Masse bestimmt. Ist nicht genügend Masse vorhanden, um die Kosten des Verfahrens zu decken, wird das Insolvenzverfahren „mangels Masse“ erst gar nicht eröffnet.

Hierzu ein Beispiel: Ein Zahnarzt hat bereits alle finanziellen Möglichkeiten und Reserven restlos ausgeschöpft. Sämtliche Rücklagen und auch Vermögenswerte sind bereits verbraucht. Wählt er nun den Gang zum Insolvenzgericht, wird ihm keine Hilfe zuteil. Also muss sich dieser Zahnarzt mit seinen Gläubigern selbst verständigen. Das bedeutet, dass jeder dieser Gläubiger eine Vollstreckung durchführen kann. Nur wenn genügend Masse vorhanden ist, wird das Insolvenzverfahren eröffnet.

Erlöse fließen weiter

Der vom Gericht bestellte Gutachter wird üblicherweise als Insolvenzverwalter eingesetzt. Dieser Insolvenzverwalter übernimmt die Führung des Unternehmens oder der Praxis mit der Maßgabe, die noch vorhandenen Vermögenswerte auf die Gläubiger möglichst gleichmäßig zu verteilen. Die Gläubiger können damit rechnen, dass zirka fünf bis zehn Prozent Ihrer Forderungen beglichen werden. Hat also ein Zahnarzt 50 000 Euro Schulden bei einem Gläubiger, kann dieser im Rahmen des Insolvenzverfahrens mit einer Rückzahlung von 2 500 bis 5 000 Euro rechnen.

Während des Insolvenzverfahrens muss der Zahnarzt zwar arbeiten, seine Erlöse fließen auch auf seine Konten, jedoch ist er über diese nicht mehr verfügungsberechtigt. Denn alle Erlöse, die der Zahnarzt erwirtschaftet, fließen in die Insolvenzmasse ein. Aus dieser Insolvenzmasse erhält der Zahnarzt für sich und seine Familie Unterhalt. Die Höhe des Unterhaltes beschließen die Gläubiger gemeinsam im Rahmen einer Gläubigerversammlung. Die Gläubiger sind natürlich daran interessiert, eine ausgewogene Regelung zu finden, die sowohl den Bedürfnissen des Zahnarztes und seiner Familie als auch ihren Gläubigerinteressen entspricht.

Im günstigsten Fall endet das Insolvenzverfahren mit der Befriedigung der Gläubiger. Jedem Gläubiger können die vereinbarten fünf bis zehn Prozent der Schuldensumme gezahlt werden. Für den Zahnarzt bedeutet das, dass er keine Schulden mehr hat. Genauso ist aber auch denkbar, dass nicht alle Schulden befriedigt werden können. Dann besteht ein Teil der Schulden weiter. In diesem Fall kann eine Restschuldbefreiung durchgeführt werden, sofern das Zahnarztunternehmen nicht als eine GmbH geführt wird – was aber ohnehin selten der Fall ist.

Für dieses Restschuldbefreiungsverfahren muss der Schuldner – also der Zahnarzt – beim Insolvenzgericht einen Antrag stellen. Diesen Antrag kann er direkt bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens, aber auch während des laufenden Insolvenzverfahrens stellen. Bei der Antragstellung muss der Zahnarzt alle Einkünfte, die über der Pfändungsfreigrenze liegen, an einen Treuhänder abtreten. Wie viel Geld dem Zahnarzt als Schuldner dann noch verbleibt, ist abhängig vom Umfang seiner Einnahmen und seiner Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Ehefrau und Kindern.

Das Restschuldbefreiungsverfahren dauert sieben Jahre vom Zeitpunkt der Abtretungserklärung gerechnet. Während dieser Zeit hat der Zahnarzt als Schuldner zahlreiche Pflichten zu beachten. Jeder Verstoß gegen diese Pflichten kann dazu führen, dass auf Antrag eines Gläubigers die Restschuldbefreiung versagt wird. Im normalen Fall endet das Restschuldbefreiungsverfahren mit dem Beschluss des Insolvenzgerichtes, das den Zahnarzt von der bestehenden Restschuld befreit.

Berufliche Konsequenzen – die Aberkennung der Zulassung – hat der Zahnarzt auf Grund seiner Überschuldung nicht zu fürchten. Ebenso ist die Zulassung an die Person des Zahnarztes gebunden. Deshalb kann sie nicht in die Insolvenzmasse einfließen. Der überschuldete Zahnarzt kann also weiterhin seine zahnärztliche Tätigkeit ausüben.

Fazit: Ziel eines Zahnarztes, der sich in einer angespannten finanziellen Situation befindet, muss es also sein, möglichst früh das Insolvenzverfahren einzuleiten. Denn nur solange noch „Masse“ vorhanden ist, ist ein Verfahren überhaupt möglich. Und: Besser wäre es natürlich, es gar nicht erst zu einer solchen Situation kommen zu lassen.

Sigrid Olbertz, MBA, Zahnärztin undMaster of Business AdministrationIm Hesterkamp 12 A, 45768 Marl

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