FDI-Kongress in Wien: Das wissenschaftliche Programm

Der weltweite Stand von Wissenschaft und Technik

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Heftarchiv Zahnmedizin
Vielfältig und umfangreich präsentierte sich das wissenschaftliche Programm des FDI-Kongresses in Wien. Themen aus allen Spezialgebieten wurden angeboten. Ein besonderes Augenmerk galt dem Wissenschaftsspektrum von Ungarn und Tschechien.

Wien war bereits vor 20 Jahren, aber auch schon davor, Ort des internationalen FDIKongresses. Das Austria-Center hatte sich auf gut 10 000 Besucher vorbereitet, und bis zum letzten Tage des Kongresses wurden tatsächlich insgesamt 9490 Teilnehmer bei Kongress und Dentalschau gezählt.

Eine Besonderheit war dieses Jahr, dass für die Nachbarländer Ungarn und die Tschechische Republik spezielle Sitzungen vorgesehen waren, um das Wissenschaftsspektrum dieser Länder speziell vorzustellen.

Wie jedes Jahr war das Programm außerordentlich umfangreich und umfasste Themen aus allen Spezialgebieten der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, zum Teil aber auch darüber hinaus. Eine Reihe bekannter Referenten aus allen Teilen der Welt war eingeladen, um den vorwiegend aus Europa kommenden Teilnehmern den neuesten Stand der Wissenschaft und Technik zu demonstrieren.

Das Programm begann am Dienstag, dem 1. Oktober, wo im Rahmen von Präkongresskursen Themen wie die Wiederherstellung der „broken crown“ – Bezahnung (Sverker Toreskog, Schweden), Mikroskope und der Einsatz von Lupen (Neville J. Mc-Donald, USA) aber auch Themen wie die vollkeramische Wiederherstellung (Urs Brodbeck, Schweiz) sowie kieferorthopädische und endodontische Therapiekonzepte präsentiert wurden. Insbesondere die von Sverker Toreskog, Schweden, präsentierte „Show“ beeindruckte und erinnerte an frühere, ähnliche Veranstaltungen der FDI.

Zahnheilkunde im Fokus der allgemeinen Gesundheit

Dienstag, der 1. Oktober, stand unter dem Motto der Zahnheilkunde und der allgemeinen Gesundheit. Guy Heyden, Schweden, führte seine Betrachtungen zur allgemeinen Gesundheit in Bezug auf die Mundgesundheit im Detail aus.

Per Axelsson, Schweden, referierte dann über die Möglichkeiten der Prävention der Karies. Er berichtete über ein 1979 eingeführtes Karies-Präventionsprogramm für Kinder und Jugendliche bis zum 19. Lebensjahr. Ziel der Studie war es, dass in dieser Altersgruppe keine approximalen Restaurationen mehr notwendig werden, keine okklusalen Amalgamfüllungen bestehen, kein approximaler Verlust des parodontalen Attachments vorliegt sowie eine Motivation der Individuen mit Verantwortung für ihre eigene Gesundheit erzeugt wird.

Thomas Flemmig, Deutschland, führte dann die Präventionsmöglichkeiten der Parodontitis vor. Er betonte insbesondere die Primärprävention, wobei Risikoerhebungen, professionelle Zahnreinigung, Aufgabe des Rauchens, Ernährungsberatung sowie die lokale Anwendung nichtsteroidaler antientzündlicher Medikamente und Mundhygiene infrage kommen. Er machte deutlich, dass chirurgische Interventionen, mikrobiologische Tests, Antibiotika- und Immunmodulationstherapien erst für fortgeschrittene Stadien der Parodontitiden erwogen werden sollten. Zur gleichen Zeit wurde ein industriegefördertes Symposium zur Dentinüberempfindlichkeit angeboten. Neben mundhygienischen und Parodontalaspekten sowie der Frage des Bleichens und restaurativer Aspekte wurde insbesondere auf die tägliche Diagnostik und mögliche Therapie der Überempfindlichkeit eingegangen.

Andrej M. Kielbassa, Deutschland, stellte die prädisponierenden Faktoren zusammen und zeigte wesentliche Therapiegrundlagen auf. Hingewiesen wurde auch auf Produkte, die bei häuslicher Anwendung eine entsprechende Desensibilisierung bewirken. Ein weiteres wichtiges Thema war die Schmerztherapie in der Zahnheilkunde. Sowohl über ethische Aspekte als auch über Pharmakotherapie des Schmerzes (Karen Baker, USA) wurde informiert. Im Rahmen eines zweiten Symposiums am Mittwoch, dem 2. Oktober, führte Thomas Attin, Deutschland, in die Perspektiven des Zahnbleichens ein. Möglichkeiten des Bleichens in der Praxis, wie auch durch Selbstanwendung mit möglichen Ergebnissen und Risiken wurden deutlich gemacht. Mit Robert Gerlach, Donald White und Gerard Kugel waren im Wesentlichen Sprecher aus den USA zu diesem Thema geladen worden.

Langlebigkeit und Langzeiterfolge

Wiederum ein wichtiges Hauptthema war die Langlebigkeit restaurativer Materialien. Neben Asbjørn Jokstad, Norwegen, berichtete Thomas Kerschbaum, Deutschland, über Langzeiterfolge festsitzender Brücken. Aufgrund von Überlebensstudien und systematischen Reviews konnte festgestellt werden, dass die mittlere Überlebenszeit solcher Versorgungen etwa 20 Jahre beträgt. Nach zehn Jahren sind 96 bis 98 Prozent der Brückenpfeiler noch vorhanden. Hauptursache von Zahnverlust muss in der Karies gesehen werden.

Am Donnerstag, dem 3. Oktober, stand unter anderem das Thema „Neue Technologien und Innovationen in der Zahn-, Mundund Kieferheilkunde“ im Programm. Von mindestens ebenso großer Bedeutung war dann das heute so intensiv diskutierte Thema der Parodontalerkrankungen und deren mögliche Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit. Mark Bartold, Australien, fasste die heutigen Erkenntnisse zur Frage der Parodontitiden, Herzerkrankungen, Diabetes und rheumatoiden Arthritis zusammen. Das Thema „Parodontopathien und Frühgeburt“ behandelte Steven Offenbacher, USA. Michael Mateyka, Österreich, referierte über die Systemerkrankungen mit Auswirkungen auf das Parodontium, wie die zyklische Neutropenie, das Down-Syndrom, Papillon-Lefèvre-Syndrom und andere.

Erfahrungen aus Tschechien und Ungarn

An diesem Tag fand auch eine spezielle Sitzung der Tschechischen Republik statt. Mit der so genannten ungarischen „Arkövy“-Konferenz wurden spezielle Themen, die sich im Wesentlichen auf die Oralmedizin und Oralbiologie bezogen, präsentiert. Jolán Bánóczy, Ungarn, referierte über ihre großen Erfahrungen zu oralen Präkanzerosen, ein Thema, dass sie seit Jahrzehnten intensiv bearbeitet. Ungarn hat derzeit eine der höchsten Mortalitätsraten durch das Mundhöhlenkarzinom weltweit. Da die allgemeine Gesundheit und Zahn-, Mundund Kieferheilkunde im Fokus des Kongresses stand, gab es am Donnerstag auch Aspekte zu restaurativen Materialien und der allgemeinen Gesundheit, wobei vor allem auch die Nebenwirkungen von Biomaterialien angesprochen wurden (Andreas Schedle, Österreich).

Am Freitag, dem 4. Oktober, galt der Implantologie bei älteren Patienten das Hauptinteresse. Georg Watzek, Österreich, berichtete über seine Erfahrungen und neue Therapieansätze zur Knochenregeneration wie mesenchymale Stammzellen, bone morphogenetic proteins sowie Thrombozytenkonzentrate, ihre Derivate und deren Kombinationen.

Am Freitag lagen die Schwerpunkte auf dem Bereich der Parodontologie, präprothetischen Chirurgie sowie auf dem Thema der Prävention und Therapie von Notfallsituationen. Alan Drinnan, USA, berichtete über die in der zahnärztlichen Praxis auftretenden Notfallsituationen, wie Synkopen, Allergien, diabetische Reaktionen, kardiovaskuläre Probleme, Asthma und andere. Dem Speichel als kariesprotektivem Faktor sowie als diagnostischer Flüssigkeit wurde ebenfalls ein Hauptthema gewidmet.

Große Zahl von freien Vorträgen

Neben den Seminaren und Schwerpunktpräsentationen waren freie Vorträge und Posterpräsentationen in großer Zahl zu hören und zu besichtigen. Auch hier waren eine Reihe deutscher Beiträge zu vermerken. Wie jedes Jahr, so war auch diesmal eine große Dentalschau dem Kongress zugeordnet.

Arbeitssitzungen von speziellen Arbeitsgruppen, wie ein Komitee zum Thema „Tabak“, „Mundhöhlenkarzinom“ und so genannte „neue Killerdiseases“ (HIV und Tuberkulose, spongiforme Encephalopathie und mehr) sowie auch eine Arbeitsgruppe zu „evidence based dentistry“ ergänzten das überbordende Programm.

Besondere Schwerpunkte und breiter Überblick

Der jährlich stattfindende FDI-Kongress bietet als Großveranstaltung einen breiten Überblick über den Stand der Wissenschaft in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, wobei das jeweils ausrichtende Land besondere Schwerpunkte setzt. So wird der diesjährige FDI-Kongress besonders in Erinnerung bleiben zu den Themen „Mundhöhle“ und „Allgemeine Gesundheit“.

Obwohl die Spezialisierung in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde immer mehr zunimmt, ist es erstaunlich, dass eine so große Zahl von Teilnehmern jährlich zu diesen Kongressen kommt. Das liegt wohl vor allem daran, dass meist international bekannte, hoch spezialisierte und herausragende Wissenschaftler und Kliniker referieren.

Im nächsten Jahr wird Sydney, Australien, den FDI-Kongress ausrichten, wobei auch hier wiederum mit einer exzellenten Besetzung der Vorträge und Seminare mit international bekannten Sprechern gerechnet werden kann.

Wie immer: „Nach dem Kongress ist vor dem Kongress“, und es darf der 2003 in Sydney stattfindende nächste FDI-Kongress mit Spannung erwartet werden.

Informationen zum Kongress in Sydney sind bereits erhältlich unter: www.fdiworldental. org, Fr. Fleuchaus, Tel: 0221/4001-207, Fax: 0221/4001-214 und Reisebüro Reder, Fr. Klose, Tel: 07071/41 06 54.

Prof. Dr. Peter A. ReichartUniversitätsklinikum CharitéAbteilung für Oralchirurgie und zahnärztlicheRöntgenologieAugustenburger Platz 113353 Berlin

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