Gemeinsame Stellungnahme der DGZMK und DGZPW

Sind vollkeramische Kronen und Brücken wissenschaftlich anerkannt?

Vollkeramische zahnärztliche Restaurationen zeichnen sich durch hohe Ästhetik und Biokompatibilität aus. Die Vorteile vollkeramischer Restaurationen sind: kein toxisches oder allergisches Potential der Keramik, geringe Plaqueanlagerung, mögliche Schonung von Zahnhartsubstanz und Parodont und sehr gute Ästhetik. Die Vielfalt der auf dem Markt angebotenen Systeme und die nicht immer durch Studien belegten Angaben zu Indikationsbereichen und Verfahrensweisen erschweren eine sichere Anwendung vollkeramischer Systeme in der Praxis. Für die Anwendung von Keramiken für vollkeramische Restaurationen sind werkstoffkundliche Grundkenntnisse unerlässlich. Silikatkeramiken werden oft auch als Glaskeramik bezeichnet, da neben dem kristallinen auch ein nicht kristalliner Glasanteil vorliegt. Unter Oxidkeramik versteht man einfache Oxide, wie Aluminiumoxid, Zirkondioxid und Titandioxid, sowie komplexe Oxide, wie Spinelle. Für die klinische Eignung einer Keramik zur Herstellung einer vollkeramischen Restauration müssen neben der Erfüllung der einschlägigen Normen vor allem die physikalisch-chemischen Eigenschaften bewertet werden. Dies sind die Biegefestigkeit, die Bruchzähigkeit, der Weibull-Modulus, die unterkritischen Risswachstumsfaktoren, die Dauerfestigkeit unter Wechsellast und die Risskorrosion durch Wasser sowie die Konditionierbarkeit für Verbundsysteme. Vollkeramische Systeme können nach werkstoffkundlicher Zusammensetzung (Tabelle 1), Verarbeitung (Tabelle 2) und klinischer Anwendung (Tabelle 3) klassifiziert werden:

Keine der vorgenannten Einteilungen lässt primär eine Aussage über die spezifische Indikation eines vollkeramischen Materials zu. Aus der Analyse der publizierten klinischen Studien zu keramischen Restaurationen lässt sich ableiten, dass materialspezifische Indikationen bestehen. Die hohen Frakturraten früherer Vollkeramiksysteme haben gezeigt, dass Keramiken mit Biegefestigkeiten unter 200 MPa für die angestrebte Indikation der konventionell zementierten Kronen und Brücken nicht geeignet sind. Für Keramiken mit hoher Festigkeit liegen positive klinische Daten vor. Demgegenüber zeigen Silikatkeramiken mit Festigkeiten unter 200 MPa als Adhäsivrestaurationen gute Überlebensraten. Es ist also zu unterscheiden zwischen konventionell zementierbaren Vollkeramikrestaurationen und adhäsiv zu befestigenden Vollkeramikrestaurationen.

Normal zementierbare Vollkeramikrestaurationen

Konventionell zementierte Restaurationen werden mechanisch durch Erhöhung der Reibung zwischen Restauration und präpariertem Zahn befestigt. Die Retention ist abhängig von der Festigkeit des Zements, der Oberflächenrauigkeit, der Größe und der Flächenneigung der Fügeflächen. Da kein kraft- und spannungsschlüssiger Verbund zwischen Restauration und Zahn besteht, hängt die Belastbarkeit von der Eigenfestigkeit der Restauration ab. Diese wird bestimmt von den physikalischen Eigenschaften der Keramik und der Geometrie der Restauration. Konventionell zementierte Restaurationen müssen deshalb möglichst hohe Festigkeitseigenschaften des keramischen Werkstoffs und eine materialadäquate Präparation mit optimaler Widerstandsund Retentionsform aufweisen.

• Für Stiftaufbauten und Einlagefüllungen aus Zirkonoxidkeramik, bei denen wegen ihrer hohen Biegefestigkeit das konventionelle Zementieren möglich erscheint, liegen hinreichende Langzeitergebnisse nicht vor.

• Kronen: Konventionell zementierte vollkeramische Kronen sind angezeigt, wenn neben der allgemeinen medizinischen Indikation für die Überkronung eines Zahnes folgende Kriterien erfüllt werden können: Retentionsform (Stumpfhöhe mindestens vier Millimeter, Präparationswinkel sechs bis zehn Grad),

Widerstandsform (zirkuläre Stufe von einem Millimeter Breite, Mindestschichtstärke ein Millimeter, inziso-okklusale Schichtstärke 1,5 bis zwei Millimeter, gerundete innere Linien- und Kantenwinkel).

Die genannten Anforderungen stellen gegenüber einer herkömmlichen Verblendkrone einen erheblich höheren klinischen Aufwand dar. Der Mindestabtrag stellt bei Prämolaren und unteren Schneidezähnen ein Risiko für die Vitalerhaltung der Pulpa dar. Einfachere Präparationsformen (Hohlkehle) erscheinen bei sehr hohen Bruchzähigkeiten (Zirkonoxid) möglich. Opakere Kernkeramiken werden als Gerüst mit Sinterkeramiken verblendet, während bei Keramiken mit zahnhartsubstanzähnlicher Lichtdurchlässigkeit die Restaurationen lediglich bemalt und glasiert werden können. Die Befestigung erfolgt mit Zementen (Phosphat-, Glasionomer- und Hybridmonomerzementen), wobei Zemente mit hoher Lichtdurchlässigkeit zu besseren ästhetischen Ergebnissen im Kronenrandbereich beitragen. Unter Beachtung der publizierten Langzeiterfahrungen der jeweiligen Systeme sind konventionell zementierte vollkeramische Kronen für das Front- und Seitenzahngebiet wissenschaftlich anerkannt.

• Brücken: Bei Brücken treten unter Last grundsätzlich Biegemomente auf, die Zugspannungen zur Folge haben. Die Keramik muss deswegen eine möglichst hohe Bruchzähigkeit aufweisen. Die für vollkeramische Kronen dargelegten Präparationsregeln sowie die Herstellervorschriften für die Gerüstgestaltung sind strikt zu befolgen. Die geforderten Mindestdimensionen sind jedoch klinisch nicht immer zu realisieren. Auch fehlen pragmatische Messverfahren der erreichbaren Dimensionen und der auftretenden Belastungen. Die geringen verfügbaren klinischen Daten machen gegenwärtig eine sehr strenge Indikationsstellung und eine Beschränkung auf dreigliedrige Brücken zum Ersatz eines Zahnes nötig. Von zukünftigen Zirkonoxidkeramiken wird erwartet, dass die Gerüstgestaltung derjenigen der Metallkeramik entspricht.

Adhäsive keramische Restaurationen

Adhäsivrestaurationen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie durch einen kraftschlüssigen, reproduzierbaren und dauerhaften Verbund an der Zahnhartsubstanz verankert werden. Dies führt zu einer erheblichen Erhöhung der Belastbarkeit. Voraussetzung für einen Verbund ist die Adhäsivtechnik an der Zahnhartsubstanz, die Konditionierung der keramischen Fügefläche (Ätzung mit Flusssäure, Silanisierung) und die Verwendung eines Kunststoff- Komposits als Adhäsivmedium. Dentinkonditionierer sind für den Verschluss eröffneter Dentintubuli notwendig (Verhinderung postoperativer Beschwerden) und können zum Verbund beitragen. Anzustreben sind möglichst große Fügeflächen im Zahnschmelz. Die Präparation soll schmelzbegrenzt sein, da für dentinbegrenzte Adhäsivrestaurationen keine hinreichenden klinischen Daten vorliegen. Kriterien für adhäsive keramische Restaurationen sind: defektbezogene, schmelzbegrenzte Präparation, gerundete innere Linien- und Kantenwinkel, keine mechanische Retention, adhäsive Aufbaufüllungen aus Komposit zur Erzielung gleichmäßiger Schichtstärken, adhäsives Befestigen unter streng kontrollierten Bedingungen (zum Beispiel Kofferdam). Der klinische Aufwand ist durch die Präparationsziele, provisorische Versorgung (wenig mechanische Retention) und die zeitintensive Adhäsivtechnik wesentlich höher als bei konventionellen Gussrestaurationen. Für folgende Indikationen liegen hinreichend klinische Daten vor, um sie als wissenschaftlich anerkannt einzustufen:

• Adhäsive keramische Einlagefüllungen und labiale Veneers sind im Statement der DGZMK 1998 als wissenschaftlich anerkannt worden.

• Adhäsive Teilkronen sind im Seitenzahngebiet indiziert bei größeren okklusalen, approximalen, vestibulären Defekten mit nicht unterstützen Kavitätenwänden im Höckerbereich, sowie zur Okklusionstherapie (Bisshebung und mehr). Wegen der defektbezogenen, mechanisch nicht retentiven Präparation liegt ab der Beteiligung eines Höckers eine Teilkrone vor. Die - Indikation im Frontzahngebiet kann bei Formabweichungen, Verfärbungen, Stellungsanomalien, Formänderung von transpositionierten Zähnen, Diastemata, Zahnfrakturen, Abrasionen, Erosionen, multiplen Füllungen, Rekonstruktion von Führungsflächen und bei Non-Okklusion gegeben sein. Frontzahnteilkronen liegen vor, wenn bei defektbezogener Präparation neben der vestibulären die inzisalen, approximalen und lingualen Flächen ganz oder teilweise mit einbezogen werden.

• Für adhäsiv befestigte Vollkronen und Brücken machen die verfügbaren klinischen Daten gegenwärtig eine gesicherte Aussage noch nicht möglich.

Lothar Pröbster, Wiesbaden/Tübingen

Siehe auch unter der Internetadresse:

www.dgzmk.de

oxidkeramische Werkstoffe

silikatkeramische Werkstoffe

glasinfiltriertes Aluminiumoxid

Feldspatkeramik

glasinfiltrierter Mg-Al-Spinell

Leuzitkeramik

glasinfiltriertes Zirkonoxid

Lithium-Disilikatkeramik

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dichtgesintertes Zirkonoxid

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