Landeszahnärztetag Baden-Württemberg

Die Patienten werden älter – und alle müssen umdenken

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Aktueller denn je war das Thema des Zahnärztetages Baden-Württemberg gewählt: Es ging um die Herausforderungen, die die Alterszahnheilkunde künftig an die Zahnärzte stellen wird. Der Kongress machte deutlich: Es gilt, sich mit offenen Augen neuen Bereichen zu widmen und für die Praxis aufzubereiten.

„Die Problematik der Alterszahnheilkunde wird Patienten, Gesellschaft, Kliniker und Praktiker vor große Herausforderungen stellen“, brachte Kammerpräsident Dr. Udo Lenke die Sache auf den Punkt. „Der Zahnarzt wird vermehrt mit multimorbiden Menschen konfrontiert, die neben einem enorm großen Zeitaufwand eine besondere individuelle Behandlung durch den Zahnarzt in Beratung, motivierender Prophylaxe und Therapie erfordern.“ Eindringlich schilderte Lenke die Situation des älter werdenden Patienten, die Probleme der demografischen Entwicklung, der Wechselwirkungen mit der Allgemeingesundheit oder mit dem Pflege- und Seniorenbetreuungsbereich.

Der Vorstand der Landeszahnärztekammer Baden-Württeberg hat beschlossen, ein grundlegendes Konzept zur Behandlung der älteren Patienten zu erarbeiten. Damit sollen ältere Menschen und körperlich und geistig Behinderte besser versorgt werden. Eine Umfrage unter Kammermitgliedern hat gezeigt, dass 1 160 Zahnärzte in der Seniorenversorgung aktiv sind.

Hoher Fortbildungswille

Lenke schlug den Bogen von der Alterszahnheilkunde zur Fortbildung in der Kollegenschaft generell. Entgegen politischer Bestrebungen hätten die Zahnärzte längst ihre „Hausaufgaben gemacht“, neue Bereiche erspäht und für die Kollengenschaft aufbereitet. Das belegen in Baden-Württeberg auch harte Zahlen: Haben die Fortbildungsinstitutionen der Landeszahnärztekammer vor zehn Jahren noch 18 000 Fortbildungsstunden pro Jahr gezählt, so sind es 2001 schon 100 000.

Es sei wichtig, so betonte Lenke, dass dies absolut freiwillig und ohne staatlichen Zwang stattfinde. Deswegen erteilte er Bestrebungen in der Politik, eine Zwangsfortbildung mit Rezertifizierung einzuführen, eine glatte Absage und wies auf das Konzept der Bundeszahnärztekammer zur strukturierten Fortbildung mit Zertifizierung hin. Zwangsfortbildung und Rezertifizierungsmaßnahmen seien ein Weg in die Sackgasse und belasteten das mündige Zahnarzt-/Patienten- Verhältnis.

Der Fortbildungsreferent der Kammer, Prof. Dr. Johannes Einwag, führte in einem sehr anschaulichen Vortrag in die Thematik ein. Lebensqualität im Alter sei eine Herausforderung für den Zahnarzt, so der Tenor. Seit 1840 sei die Lebenserwartung um jeweils drei Monate pro Jahr angestiegen. Frauen könnten heute (1999/2000) mit einem Lebensalter von 82,6 Jahren, Männer mit 76,9 Jahren rechnen. Es gebe kein Gießkannenkonzept für die Betreuung Älterer, sagte Einwag. In Betracht zu ziehen seien Faktoren wie Zielkrankheiten, die Compliance des Patienten, die zahnärztliche Versorgung oder allgemeinmedizinische Überlegungen.

Und, so fragte er die Teilnehmer eindringlich, wie alt sind wir eigentlich? Er zeigte auf, dass die Abiturienten von heute in einer Zeit aufgewachsen sind, in der beispielsweise ein Schwarz-Weiß-Fernseher, drei Fernseh-Programme oder auch die intensive Buchlektüre einer Welt von Gestern angehören.

Ausführlich ging Prof. Dr. Andreas Kruse, Heidelberg, auf die Situation des alten Menschen im Hinblick auf medizinische und psychologische Aspekte ein. Der Gerontologe und Vorsitzende der Sachverständigenkommission der Bundesregierung zum dritten Altenbericht machte deutlich, dass es gerade im Alter notwendig sei, die körperliche und kognitive Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden aufrecht zu erhalten. Eine wichtige Aufgabe sei es, Konzepte zu entwickeln, um auch Menschen aus unteren Bildungsschichten anzusprechen. Noch im hohen Alter sei es sinnvoll, mit Maßnahen der Prävention zu beginnen und die körperliche Aktivität zu fördern. Änderungen von Lebensstil und Umweltbedingungen könnten bewirken, dass bestimmte körperliche oder psychische Gebrechen abgemildert werden. Nicht zuletzt sollte man ein besonderes Augenmerk auf die Gruppe der alternden Frauen richten. pr

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