Kardiologie

Schutz vor Rechtsherzversagen nur durch frühe gezielte Diagnostik

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Zum Rechtsherzversagen kommt es durch eine unbehandelte pulmonale arterielle Hypertonie (PAH). Die PAH ist mit jährlich etwa 9000 Neuerkrankungen relativ selten. Im klinisch manifesten Stadium haben die Patienten jedoch nur noch eine Prognose von knapp drei Jahren. Die bislang dürftigen therapeutischen Optionen hatten zu einem verbreiteten diagnostischen Nihilismus geführt. Neuerdings lohnt sich jedoch die Frühdiagnostik. Mit dem ersten Endothelin-Rezeptor-Antagonisten steht nun eine wenig belastende orale Therapie zur Verfügung.

Im so genannten kleinen Kreislauf, also der Zirkulation zwischen dem rechten Herzen, der Lunge und dem linken Herzen, ist eine Druckerhöhung noch schädlicher als im großen Kreislauf, der das Blut vom linken Herzen zur Peripherie und zurück zum rechten Herzen bewegt. Während des diesjährigen Jahreskongresses der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) Anfang September in Berlin stand folgerichtig ein Fokus auf der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH), die als Auslöser der meist fatal verlaufenden Rechtsherzinsuffizienz zwar seltener als die bekannte essenzielle Hypertonie im großen Kreislauf ist, dafür wesentlich tückischer, wie Prof. Nazzareno Galiè vom Kardiologischen Institut der Universität Bologna auseinander setzte.

Durch die Druckerhöhung im kleinen Kreislauf kommt es durch die Vasokonstriktion zu einem erhöhten pulmonalen Gefäßwiderstand und in dessen Gefolge zur Hypertrophie des rechten Ventrikels (Abb. 1). Doch wird nicht nur die rechte Kammer geschädigt, sondern auch das pulmonale Gefäßbett, wie Abbildung 2 demonstriert. So verengen sich die Gefäße immer mehr und führen schließlich zur Insuffizienz und dann zum Versagen des rechten Herzens.

Bedrohlich bereits bei geringer Symptomatik

Bereits eine PAH der WHO-Klassifikation I bis II (asymptomatisch bei Ruhe, normale Aktivität mit leichten Einschränkungen möglich, vor allem zunehmend Erschöpfung, Dyspnöe, Thoraxschmerzen oder synkopale Zustände) vermindert die durchschnittlich noch erwartbare Lebenszeit auf sechs Jahre. Prima vista erscheinen diese Patienten aber als „gesund“. In der Klasse III nach WHO, wo ebenfalls noch in Ruhe keine Symptomatik auftritt, die körperliche Aktivität jedoch noch mehr eingeschränkt ist, reduziert sich die Lebenserwartung auf durchschnittlich 2,5 Jahre. In diesem Zustand werden die hier zu Lande jährlich ungefähr 9000 neuerkrankten Patienten schließlich diagnostiziert. Wegweisend ist für die frühe Diagnostik

• frühzeitig auftretende und progressive Belastungsdyspnöe, also Atemnot bei mäßig belastender körperlicher Tätigkeit;

• zunehmend stärkere Ermüdbarkeit, auch nach leichterer körperlicher Belastung;

• Neigung zu Synkopen, das sind Unregelmäßigkeiten im fühlbaren Puls.

Bei solchen Patienten sollte sich jeder Arzt bereits zu diesem Zeitpunkt fragen, woher die reduzierte Leistungsfähigkeit kommt. Vor allem bei jüngeren Patienten, die noch nicht im Alter eines natürlichen Leistungsabfalls sind, muss diese Symptomatik als Alarmsignal verstanden werden. Wichtiger Hinweise für die Angehörigen: Durch noch nicht ganz verstandene Mechanismen kommt die PAH mit wesentlich größerer Häufigkeit bei Systemkollagenosen wie einer Sklerodermie oder einem Lupus erythematodes vor. Von den jährlichen knapp 9 000 Neuerkrankungen entstehen mehr als 8 000 Fälle als sekundäre PAH bei solchen Patienten !

Im weiteren Verlauf erst kommen periphere Ödeme, gestaute Halsvenen und die Hepatomegalie als Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz dazu, die in älteren Lehrbüchern als typische (aber späte) Zeichen der PAH angegeben werden.

Abklärung nur in Zentren

Im Verdachtsfall wird die Abklärung einer derartigen Symptomatik nur in spezialisierten kardiologischen Zentren möglich sein, in der Regel also Universitätskliniken. An-

gehörige oder erwachsene Patienten sollten, falls sie in Sorge sind, auf einer Überweisung bestehen.

Die Diagnostik beginnt mit einer (nicht-invasiven) Echokardiographie als Screening. Sollte sich ein verdächtiger Befund ergeben, folgt eine Rechtsherzkatheter-Untersuchung mit Testung der pulmonalen Vasoreagibilität (meist durch Gabe von Stickoxid – NO) zur Bestimmung des weiteren therapeutischen Vorgehens. Wichtig ist es auch, die körperliche Belastbarkeit durch einen Sechs-Minuten-Gehtest zu quantifizieren.

Jede auf diese Weise entdeckte PAH ist sofort behandlungsbedürftig, da die rasant abnehmende Kondition der Patienten mit einem irreversiblen Verfall des Gewebematerials in Herz und Gefäßen parallel geht. Wie Prof. Lewis J. Rubin vom Lungengefäßzentrum an der Universität von Kalifornien in La Jolla allerdings einschränkte, sprechen höchstens 20 Prozent der Patienten auf eine NO-Katheterinfusion mit einer Gefäßerweiterung an. Sie sind Kandidaten für einen Behandlungsversuch mit Kalzium-Antagonisten. Nur die Hälfte dieser Patienten zieht daraus einen dauerhaften Nutzen.

Für die übrigen Patienten gab es bis vor wenigen Monaten keine wirksame und zugleich einfache Behandlung. Nur ziemlich heroische Behandlungsansätze waren verfügbar und wurden auch nur dann bezahlt, wenn es eigentlich schon zu spät war, bei symptomatisch sehr schwer erkrankten Patienten: Dauerinfusionen mit sehr flüchtigen Prostanoiden, wie Prostazyklin, oder die Herz-Lungen-Transplantation als ultima ratio.

Erst nach Einführung des ersten Endothelin-Rezeptor-Antagonisten Bosentan, der den pathogenetisch für die Vasokonstriktion verantwortlichen endogenen Vasopressor Endothelin ausschaltet, haben die restlichen 75 Prozent der Patienten eine echte therapeutische Option, wie Rubin die bisherigen Erfahrungen mit diesem völlig neuartigen Therapeutikum zusammenfasste.

Wirksame orale Therapie

Bosentan erreicht europaweit erstmals 38 000 Patienten mit PAH, die zuvor praktisch keine einfach durchführbare und nebenwirkungsarme Behandlungsmöglichkeit besaßen. Das demonstrierte Prof. Gérald Simonneau aus Clamart (Frankreich) mit Hinweis auf die größere der beiden kontrollierten Studien, die schließlich zur bevorzugten Zulassung von Bosentan als Tracleer® führte.

In der umfangreichen „Bosentan Randomized Trial of Endothelin Antagonist Therapy for Pulmonary Arterial Hypertension = BRATHE-1 – Studie“ wurden 213 Patienten mit 125 beziehungsweise 250 Milligramm Bosentan oder Plazebo behandelt. Die Patienten litten unter einer primären oder sekundären (Sklerodermieassoziierten) PAH der Klasse III und IV. Der nach 16 Wochen gemessene Wert im Sechs-Minuten-Gehtest ergab unter Bosentan im Vergleich zu Plazebo eine um durchschnittlich 44 Meter verlängerte Gehstrecke (23 zu 67 Meter). Der Unterschied war hoch signifikant (p < 0,001). Abbildung 3 zeigt im Verlauf ein sofortiges Ansprechen auf Bosentan.

Gleichsinnig verbesserte sich auch in der Verumgruppe sowohl die Dyspnöe, die körperliche Leistungsfähigkeit (NYHA-Klasse), die Zeit bis zur Verschlechterung des klinischen Zustands der Patienten (gemessen am Auftreten von Komplikationen) und die gesamte Hämodynamik im kleinen Kreislauf.

Dieser Befund wurde fundiert durch eine echokardiografische Substudie an 58 Patienten, die eine deutliche Verbesserung des Verhältnisses der enddiastolischen rechtsbeziehungsweise linksventrikulären Volumina unter Bosentan im Vergleich zu Plazebo dokumentierte. Der Therapieeffekt errechnete sich mit – 0,64 für Delta LV:RV (p = 0,007).

Zu beachten sind allerdings die Leberwerte unter der Therapie. Schon in der Pilotstudie fanden sich transiente Verschlechterungen der Leberwerte unter Bosentan. Diese erwiesen sich als dosisabhängig. Unter 250 mg/die Bosentan wurden sie bei 2,6 Prozent, unter 500 mg/die bei 7,1 Prozent der Patienten festgestellt. Die Werte besserten sich allerdings im Verlauf, notfalls spätestens nach Absetzen der Medikation.

Fazit

Damit rechtfertigt sich heute nicht mehr der in der Vergangenheit geübte diagnostische und therapeutische Nihilismus in Sachen Hypertonie im kleinen Kreislauf. Die Studiendaten sagen noch nichts darüber aus, ob sich unter Bosentan auch die Prognose der Patienten langfristig bessert. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass insbesondere früh behandelte Patienten auch hier profitieren.

So erweist sich Bosentan, das erste orale Medikament zur Therapie kardiopulmonaler Erkrankungen, als eine hochwirksame Behandlungsoption, wie Prof. Simonneau resümierte. Dies betrifft sowohl die Symptomatik, das klinische Bild wie auch Hämodynamik und echokardiographische Befunde, wie Prof. Galiè ergänzte.

Till Uwe Keil

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