Steuersparmodelle zum Jahresende

Unfallverhütung bei der Abschreibungsrallye

Im Spätherbst stehen wieder die Verkäufer von Steuersparmodellen vor der Haustür. Doch Vorsicht: Die Steuersparmöglichkeiten sind mittlerweile stark reduziert. Jetzt gilt es, bei der zugesagten Rendite nicht zu verunglücken.

Mit einer politischen Tat von großer Tragweite hat sich der sozialdemokratische Politflüchtling Oskar Lafontaine wohl für immer im Steuergesetzbuch verewigt: Er schaffte die Steuersparmodelle durch Verlustabschreibung weitgehend ab. Was der rote Schreck der Reichen gleich zu Beginn seiner kurzen Karriere als Bundesfinanzminister ins Einkommensteuergesetz hat schreiben lassen, ist im Detail so komplex und kompliziert, dass selbst Steuerberater immer wieder die einschlägigen Paragrafen nachschlagen müssen, um durchzublicken.

Nur so viel zur groben Orientierung: Verluste aus Abschreibungsgeschäften können nach einer Neuformulierung des Paragrafen 2b Einkommensteuergesetz nicht mehr unumschränkt vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden. Im Prinzip lassen sich nach der Umschreibung des Steuergesetzes nur noch Verluste mit Gewinnen aus der gleichen Einkommensquelle aufrechnen. Und auch das nur, wenn langfristig ein zu versteuernder Gewinn zu erwarten ist. Außerdem können Abschreibungskünstler selbst Großeinkommen nicht mehr völlig steuerfrei stellen. Die Modalitäten wurden so umdefiniert, dass an einer Mindestbesteuerung kein Weg mehr vorbei führt.

Überdies orientieren sich die Abschreibungsfristen für technische Wirtschaftsgüter (etwa Schiffe oder Flugzeuge) nicht mehr an der technischen Veralterung, sondern an der Nutzungsdauer. Ließ sich zuvor beispielsweise ein Flugzeug innerhalb von zwölf Jahren total abschreiben, so müssen jetzt 24 Jahre dafür angesetzt werden. Mit dem Resultat: Als Verlustabschreibung ist Flugzeugleasing tot. Und noch eine bittere Pille haben die Steuerabschreiber zu schlucken: Musste ehedem nur der halbe Verkaufserlös aus einem liquidierten Steuersparmodell versteuert werden, so unterliegt jetzt, wie auch sonst üblich, der volle Erlös der Besteuerung. In der Praxis wird ein Großteil der anfangs erlassenen Steuern am Ende dann doch fällig.

Werbeverbot

Entscheidend aber für die gesamte Abschreibungsbranche ist ein rigoroses Werbeverbot. Bei einer geplant verlustträchtigen Geldanlage darf jetzt nicht mehr auf eventuell erzielbare Steuervorteile verwiesen werden. Steht in den nicht nur werblich, sondern vor allem juristisch relevanten Verkaufsprospekten auch nur ein einziger, kleiner Hinweis auf Steuereinsparungen, wird das entsprechende Abschreibungsmodell vom Fiskus für null und nichtig erklärt.

Dennoch: Die zumeist überaus rührigen Anbieter von Steuersparanlagen haben vor Lafontaine, der ihnen mit dem Stichtag 4. März 1999 einen Todesstoß versetzen wollte, längst nicht die Waffen gestreckt. Im Gegenteil: Was sich noch irgendwie unter den Aspekt des Steuernsparens fassen lässt, wird um so aggressiver in den Markt gedrückt. Im Vordergrund stehen aber jetzt die zu erzielenden Renditen. Im wesentlichen dreht sich die Abschreibungsrallye nun um die folgenden Modellkonstruktionen.

Geschlossene Immobilienfonds:Sie sammeln überwiegend bei Privatinvestoren Geld für große, zumeist gewerbliche Bauprojekte ein. Ist die benötigte Investitionssumme beisammen, wird der Fonds geschlossen. Anders als bei Offenen Immobilienfonds sind die Fondsanteile nicht öffentlich handelbar. Zur Hochblüte der aufgeblähten Ostabschreibungen Anfang bis Mitte der neunziger Jahre waren Geschlossene Immobilienfonds die Rennpferde des Steuernsparens. Man platzierte seinen Einsatz, und schon hatte man eine fette Steuerersparnis im Sack. Doch mittlerweile lässt sich bei diesen Fonds nicht viel mehr abschreiben als bei Immobilien allgemein, wenn sie in Eigenregie errichtet oder als Eigentumswohnung von einem Bauträger erworben werden.

Deshalb forcieren die Fonds-Initiatoren nicht mehr so sehr das Abschreibungspotential, sondern die Rendite. Diese steigt in vielen Fondskonstruktionen weit über das Normalmaß einer Im-mobilierendite an, wenn der Investor nach einer Haltedauer von womöglich zehn Jahren beabsichtigt, in den Ruhestand zu wechseln. Dann nämlich muss er kein erarbeitetes Einkommen mehr versteuern. Er kann somit eine stattliche Immobilienrendite, die bisweilen auf acht Prozent und mehr aufgepumpt wird, steuerlich gut verkraften.

Um hohe „Ruhestandsrenditen“ zu erwirtschaften, praktizieren inzwischen die meisten Immobilienfonds folgende Strategie: Sie finanzieren das ausgelobte Objekt großenteils mit überaus zinsgünstigen Währungskrediten, etwa in Schweizer Franken oder gar in japanischen Yen. Damit lassen sich die deutschen Zinssätze auf Euro-Basis zumeist mehr als halbieren. Zugleich erhöhen die Fonds-Betreiber die jährliche Tilgung, zumeist von den üblichen 1,0 auf 2,5 Prozent. Dadurch ist das Objekt schneller schuldenfrei. Dadurch fließen später die eingenommenen Mieterträge relativ ungeschmälert von Zinskosten auf das Konto der Fondsteilnehmer. Ein wunderbares, anlegerfreundliches Anlagekonzept, so scheint es. Wenn da nicht das im Prinzip unkalkulierbare Währungsrisiko wäre. Dieses Risiko potenziert sich, wenn die Hypothekenlaufzeit (nicht zuletzt auch zur Senkung der laufenden Zinsen) von Hause aus relativ kurz ist oder bewusst kurz gehalten wird. Der Schweizer Franken ist im Zuge der Euro-Umstellung nicht gerade als „billig“ einzustufen. Sollte der Euro schwächeln, dürfte der Franken sogar noch teuer werden. Wenn aber ein Hypothekendarlehen mit einem um beispielsweise zehn Prozent gestiegenen Währungskurs getilgt werden muss (und Währungsschwankungen von zehn Prozent sind an der Tagesordnung), verteuert sich das Immobilienobjekt ganz erheblich. Wesentlich kursvolatiler als der Schweizer Franken ist der japanische Yen.

Fazit: Wer sich mit den üblichen Immobilienabschreibungen begnügt und bei Geschlossenen Immobilienfonds jetzt in erster Linie auf Rendite aus ist, sollte sich wegen des prinzipiell hohen Währungsrisikos nicht bei Objekten engagieren, die überwiegend mit Fremdwährungsdarlehen finanziert werden sollen. Denn diese Darlehen mit dem vermeintlich niedrigen Zins könnten den Fondsinvestoren teuer zu stehen kommen. Die im Prospekt ausgewiesene Mietrendite bricht dann wie ein Kartenhaus zusammen

Windkraftfonds:Hoch im Abschreibungskurs standen und stehen Windkraftanlagen, deren gewaltige Windflügel Strom erzeugen. Bei diesen Abschreibungsobjekten locken nicht nur Steuerersparnis und vermeintlich hohe Renditen. Windkraftfonds bescheren den Investoren auch ein gutes Ökogewissen.

Auch bei diesen Fonds stehen nicht mehr lukrative Verlustabschreibungen im Vordergrund, sondern lukrative Renditezusagen von jährlich sieben Prozent und mehr – wenn die Anlage reibungslos arbeitet. Doch tatsächlich schütten die Fonds im Schnitt jährlich nur 2,2 Prozent des eingesetzten Kapitals wieder aus. Das ermittelte das Hamburger Research-Haus Fondsmedia in einer Studie, die 165 Anlagen einem Test unterzog.

Nicht nur einen Großteil der versprochenen Renditen können die Anleger in den Wind schrei- ben. Der häufigste Grund für Magerrenditen: Die im Windgutachten ausgewiesenen und als Berechnungsgrundlage dienenden Winde wehen in etwa 80 Prozent der untersuchten Fälle längst nicht so oft und intensiv, wie es einer ordentlichen Stromrendite zuträglich wäre. Zumeist befreit der Windkraft-Investor den Anlagen-Initiator mit einem „Haftungsausschluss“ davor, dass er für das Renditerisiko mangels Wind einstehen muss. Das größte Risiko bei Windkraftanlagen sind jedoch nicht die stark schwankende Windstärken, sondern die zumeist viel zu niedrig kalkulierten Betriebs- und Wartungskosten. Eigentlich müssten 15 bis 20 Prozent der Erträge hierfür angesetzt werden. Auf dem (geduldigen) Papier sind es zumeist jedoch nur fünf Prozent. Die Lebensdauer eines stromerzeugenden Windflüglers ist im Schnitt mit 20 Jahren kalkuliert. So lange sind aber diese Anlagen, in denen sich auch mechanisch viel ums liebe Geld dreht, noch nicht im praktischen Betrieb erprobt. Es werden immer neue, technisch verbesserte Kraftanlagen entwickelt. Doch in eine als „Pilotprojekt“ ausgewiesene Anlage sollte ein Investor sein Geld auf keinen Fall stecken. Er würde damit überwiegend einen womöglich verlustreichen Versuchsbetrieb finanzieren.

Fazit: Als Anlageobjekt sind Investitionen in Windkraftanlagen eine durchaus ehrenwerte und sinnvolle Sache. Doch der Standort muss stimmen. Und Standorte, an denen das ganze Jahr über ein ausreichend starker Wind weht, sind knapp geworden. Denn sie wurden zuerst genutzt. Da aber der Wind buchstäblich die Rendite aufbläst, sind Standorte zweiter Wahl ein Renditerisiko. Hinzu kommt: Die renditerelevanten Wartungs- und Reparaturkosten sind auf Grund fehlender Erfahrungswerte noch nicht verlässlich kalkulierbar.

Schiffsfonds:Um die darbende deutsche Werftindustrie am Leben zu erhalten, stattete der Steuergesetzgeber den Schiffbau mit besonders üppigen Möglichkeiten der Verlustabschreibung aus. So entwickelten sich Containerschiffe, auch wenn sie letztlich in Korea gebaut wurden, zu den Kassenschlagern der Abschreibungsindustrie. Doch die Zeiten der mit Steuervorteilen überfrachteten Frachter sind vorbei.

Statt zehn Jahren müssen Schiffe jetzt mindestens 15 Jahre lang, bisweilen auch, je nach Ansicht des involvierten Finanzamtes, länger abgeschrieben werden. Der Erlös aus dem Verkauf des auf Fondsbasis fahrenden Schiffes, der dem Investor das eingesetzte Kapital wenigstens zum Teil wiederbeschaffen soll, muss voll versteuert werden. So ergibt sich die Faustformel: Was anfangs an Steuern gespart wurde, muss am Ende nachbezahlt werden. Früher unterlag nur der halbe Verkaufspreis der Besteuerung.

Nun steht auch bei Schiffsfonds die Rendite im Vordergrund. Gleichgültig, wie lange der Chartervertrag eines Containerschiffes terminiert und wie die Charterrendite definiert wurde – die Rendite hängt letztlich von den sehr volatilen Charterraten am Markt ab. Glaubt ein Reeder, zu hohe Charterraten zu zahlen, wird ein Chartervertrag einfach nachverhandelt.

Fazit: Wer an einem Schiffsfonds beteiligt ist, der vor dem 4. März 1999 aufgelegt wurde, kann von Glück sprechen, wenn er sein finanzielles Seeabenteuer schadlos übersteht. Und wer jetzt mit einem Schiff hohe Renditen einfahren will, braucht für deren Realisierung mindestens ebenso viele günstige, mit Glück gepaarte Umstände wie ein Aktionär.

Medienfonds:Unter Medienfonds versteht man in erster Linie Finanzierungsgesellschaften für Kinofilme. Sie waren und sind ein Verkaufsschlager. Denn diese Gattung der Abschreibungsmodelle ist die einzige mit unbeschränktem Abschreibungspotenzial. Das heißt: Auf Grund einer Ausnahmeregelung zur Förderung des deutschen Films sind Medienfonds zumeist mit einer Verlustzuweisung von 100 Prozent ausgestattet. Bereits im ersten Jahr, so der steuertechnische Kniff, verliert ein Film seinen Produktionswert total. Das bedeutet für einen Investor mit dem höchsten Steuersatz: Die Einlage in einen Medienfonds finanziert sich zur Hälfte aus ersparten Steuern.

Dennoch kann die andere Hälfte verloren sein, wenn die Wette auf einen Kinohit nicht aufgeht. Das zweite Lockmittel für ein finanzielles Engagement in einem Medienfonds ist nämlich die in Aussicht stehende Rendite, wenn der oder die Filme, die mit dem Geld des Anlegers finanziert werden, zu einem Kassenschlager werden. Eine entscheidende Stelle im Verkaufsprospekt sind daher die Passagen, in denen die Beteiligung des Fondsinvestors an den Einspielerlösen geregelt ist.

Doch eine auf dem Prospektpapier dokumentierte, hochprozentig dotierte Gewinnausschüttung zugunsten der Kapitalgeber darf nicht als Dogma verstanden werden. In der Praxis fällt die Gewinnbeteiligung, sofern überhaupt Gewinne eingespielt werden, doch magerer aus als versprochen. Nicht selten wird sogar weniger als die Hälfte der zugesagte Marge an die Kapitalgeber ausgeschüttet. Gründe zur billigen Abspeisung der Finanziers finden die einfallsreichen Filmproduzenten immer. Wer sie nicht akzeptieren will, muss klagen und dann Gegenbeweise beibringen. Doch was hinter den Filmkulissen in den Buchhaltungsbüchern abläuft, kann der weit außen stehende Privatinvestor nicht wissen und somit auch nicht kontrollieren.

Fazit:Wer Medienfonds zeichnet, geht eine unkalkulierbare Wette auf den prognostizierten Filmerfolg ein. Wer mit seinem Anlagekapital letztlich Erfolg hat, hat primär Glück gehabt. Und wer mit einem blauen Auge, das heißt ohne Kapitalverlust, davon gekommen ist, sollte sich glücklich schätzen.

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