Was Patienten erwarten

Überzeugen und begeistern

Eine moderne technische Ausstattung und fachliches Wissen reichen auf dem umkämpften Gesundheitsmarkt nicht mehr aus, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Das Dienstleistungsunternehmen Zahnarztpraxis wird an anderen Erfolgsfaktoren gemessen. Da Patienten als medizinische Laien kaum in der Lage sind, die fachliche Qualität ihrer Zahnarztpraxis zu beurteilen, legen sie andere Kriterien an. Sie bewerten „ganzheitlich“ – Stimmungseindrücke, Akzeptanz der eigenen Person, optische Anreize, persönliches Wohlbefinden, die Organisation und Kommunikation prägen das Bild der Praxis.

Selbstverständlich wünscht sich ein Patient immer noch, dass das „Problem“, welches ihn in die Zahnarztpraxis geführt hat, behoben wird. Doch ob er jemals wiederkommen oder die Praxis weiterempfehlen wird, steht auf einem anderen Blatt. Nämlich auf einer Checkliste, welche die folgenden Punkte enthält:

• Hatte ich Gelegenheit, mein Anliegen umfassend darzustellen?

• Hatte ich das Gefühl, willkommen zu sein?

• Hatte ich das Gefühl, wichtig zu sein?

• Habe ich mich wohlgefühlt?

Rund 70 Prozent aller Patienten wechseln die Praxis, weil sie das Gefühl haben, dass man dort ihren Bedürfnissen mit Gleichgültigkeit gegenübersteht. Untersuchungen haben bewiesen, dass Praxen bevorzugt werden, die eine besondere persönliche Betreuung der Patienten gewährleisten – das heißt, dass sie den Patienten nicht als ein „Gebiss auf zwei Beinen“ ansehen, sondern als einen Menschen, der sich mit einer Vielzahl von Bedürfnissen Rat suchend an die Zahnarztpraxis wendet.

Eine der wichtigsten Aufgaben des Praxisteams ist deshalb, oben genannte Bewertungsfaktoren so zu gestalten, dass der Patient sich immer wieder darin bestätigt fühlt, sich für die richtige Praxis, die auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist, entschieden zu haben. Darüber hinaus hat sich die Patientenerwartung dahingehend verändert, dass mit einem erhöhten qualitativen Anspruch das Bedürfnis nach Service, bevorzugter Behandlung und Individualität gleichermaßen einhergeht.

Der Wunsch, verstanden zu werden, ist nur zu erfüllen, wenn es einem Team gelingt, dem Patienten zu vermitteln, dass es alle Zeit der Welt für ihn hat. Das beginnt bei der Terminvergabe und endet bei der Verabschiedung an der Rezeption. Vermittelt die Mitarbeiterin bei der Terminvergabe am Telefon bereits, dass sie gestresst ist, überträgt sich das auf den Patienten. Er spürt schon jetzt: In dieser Praxis hat man wenig Zeit.

Dieses noch undefinierte Gefühl verstärkt sich, wenn er die Praxis betritt und die Mitarbeiter hasten im Eiltempo an ihm vorbei. An der Rezeption steht bereits eine Menschentraube, die dann auch im Wartezimmer zu finden ist. Hat er endlich im Behandlungszimmer Platz genommen, ist ihm bewusst, dass man eigentlich keine Zeit für ihn hat.

Unter Druck gesetzt

Dies lässt sich noch steigern, indem Mitarbeiter während des Gespräches mit dem Zahnarzt gelegentlich ins Zimmer hineinschauen und ihn durch einen vorwurfsvollen Blick auf die Armbanduhr darauf aufmerksam machen, dass er sich beeilen soll, weil das Wartezimmer überquillt. Der Patient fühlt sich unter Druck gesetzt und versucht nun seinerseits die Situation zu entschärfen, indem er sich möglichst kurz fasst. Innerlich bleibt jedoch die Befürchtung, dem Zahnarzt sein Anliegen nicht so ausführlich schildern zu können, dass er bei der Behandlung auch wirklich bekommt, was er will. Das negative Verhalten, welches in manchen Praxen an den Tag gelegt wird, ist vielen nicht immer bewusst. Doch von den Patienten wird es um so bewusster wahrgenommen.

In den USA hat man bereits darauf reagiert. Die North West Fluglinie weist ihre Fluggäste, die nach Deutschland reisen, auf Folgendes hin (wörtlich übersetzt): „Besuchern aus den USA kommen Verkäuferinnen und Verkäufer sowie Bedienungspersonal in Restaurants und Gaststätten als unterkühlt und abweisend vor. Dieses Verhalten ist für das Dienstleistungsgewerbe in Deutschland ganz normal und nicht unhöflich gemeint.“

Aber es gibt eine Lösung. Alle im Team, und dazu zählt auch immer der Behandler, müssen dem Patienten vermitteln, dass er heute der erste, einzige und wichtigste Patient ist – auch wenn im Hintergrund das Chaos tobt.

Am Telefon wird mit ruhiger Stimme und immer mit einem Lächeln auf den Lippen gesprochen. Patienten werden mit Herzlichkeit und persönlichen Worten an der Rezeption empfangen. Die Terminvergabe wird überdacht, damit es nicht regelmäßig zu Wartezeiten kommt – denn übereifriges vor-sich-hin-Arbeiten ist kein Zeichen von Fleiß, sondern von Kopflosigkeit. Die Praxis wird stets gelassenen Schrittes durchwandert, denn eiliges Hasten führt nur zum Fall. Das Patientengespräch findet immer in Ruhe und störungsfrei statt. So kann auch der Patient zur Ruhe kommen. Es gelingt ihm, sich klarer zu äußern und er fühlt, dass er als Person mit seinen Wünschen wahrgenommen wird. Auch der Zahnarzt hat Gelegenheit, dem Patienten die Rückmeldung zu geben, dass er ihn wirklich verstanden hat.

Interpretations-Sache

Der Wunsch, willkommen zu sein, erfährt seine Erfüllung am Telefon und an der Rezeption. Seit der Erfindung der Telefons im Jahre 1861 hat sich die fernmündliche Kommunikation zu einem der wichtigsten Marketinginstrumente entwickelt. Kompetenz, Patientenorientierung und Corporate Identity einer Praxis werden dort vermittelt. Denn der Patient schließt vom Verhalten der Mitarbeiterin beim Melden am Telefon auf die Arbeitsweise in der Praxis. Dabei sind folgende Interpretationen typisch.

Die monoton-gelangweilte Meldung

Der Patient erwartet eine Praxis, in der mit stoischer Ruhe gearbeitet wird, nach dem Prinzip „Eile mit Weile“. Falls Patienten den Termin wahrnehmen, erscheinen sie eine halbe Stunde später als vereinbart, denn am Telefon wird schon deutlich, dass bei dieser Einstellung zur Arbeit Termine hier wohl nicht pünktlich eingehalten werden.

Die gehetzte Meldung

Eindeutiges Kennzeichen von „Massenbetrieben“. Der Patient entwickelt Sorge, dass in der Praxis auf Grund der Überbelastung Kunstfehler durchaus vorkommen können.

Die kurzangebundene, unfreundliche Meldung

Der Patient erkennt schon jetzt, dass er mit dieser Mitarbeiterin nie klarkommen wird. Wie wird dann erst der Chef sein („Wie der Herr, so’s Gescherr”)?

Wie ein lieber Gast

Begeisterung und positive Überraschung sind die Gefühle, die eine Praxis und ihre Mitarbeiter schon beim ersten Kontakt auslösen müssen. Dass Patienten in eine Praxis kommen, ist nicht selbstverständlich. Deshalb sollte sich das Team über jeden Patienten freuen, der den Weg in die Praxis findet. Jeder Patient sollte als ein lieber Gast betrachtet und ihm gegenüber Freude und Wertschätzung gezeigt werden. Wer jetzt denkt, „da haben wir ja viel zu tun“, dem kann man nur zustimmen. Nur ernsthafte Bemühungen um den Patienten bringen auch eine Steigerung der Resultate.

Der Wunsch, wichtig zu sein, geht einher mit dem Bedürfnis, als Mensch wahrgenommen zu werden. Eine Mitarbeiterin, die an der Rezeption ein Telefonat führt und einem Patienten, der die Praxis betritt, den Rücken zukehrt, kann das nicht erfüllen. Selbst wenn in der Praxis „der Bär tobt“, muss immer Zeit für einen „Augenblick“ und ein Lächeln sein.

Ein einfaches Mittel, um einem Menschen das Gefühl von Wichtigkeit zu vermitteln ist, ihn bei der Begrüßung mit seinem Namen anzusprechen. Doch das darf nicht übertrieben werden. Wer seinen Gegenüber in jedem Satz mit seinem Namen anspricht, gilt nicht als höflich sondern als „schleimig“. Weniger ist in diesem Fall mehr.

Über die Gesprächsthemen der vergangenen Begegnungen sollten Notizen gemacht werden. Es löst Freude und Anerkennung aus, wenn diese Themen kurz aufgegriffen oder Fragen über den Fortgang bestimmter Ereignisse im Leben der Patienten gestellt werden.

Der Wunsch nach Komfort entsteht besonders im Wartezimmer. Wer lange Wartezeiten hat, sollte zumindest über bequeme Stühle verfügen. Sind diese hart und die Umgebung erscheint kühl, kommen dem Patienten zehn Minuten Wartezeit vor wie eine halbe Stunde. Was bestimmt hilft, ist einmal selbst im Wartezimmer Platz zu nehmen, den Blick schweifen zu lassen und zu überprüfen, ob ein Wartender sich dort wirklich wohl fühlen kann.

In der Praxis sollten helle Farben dominieren. Kühles Weiß ist out. Pastelltöne und die Gestaltung der Wände mittels Wischtechnik vermitteln Behaglichkeit. Bei der Dekoration der Wände sollte auf positive Bilder oder Objekte Wert gelegt werden. Im Wartezimmer liegen aktuelle Zeitschriften aus und zur Erfrischung steht dem Patienten dort zumindest Wasser zur Verfügung. Die Rezeption ist frei von Informationsbroschüren. Frische Blumen stellen einen Blickfang dar, ebenso eine der Jahreszeit entsprechende Dekoration.

Als unangenehm wird der typische „Zahnarztgeruch“ empfunden. Kerzen, Duftlampen oder Blütenblätter können den Duft von Orangen, Limonen, Kokos, Zimt oder Bergamotte verströmen. Nicht wenige Praxen holen sich Tipps von Feng-Shui-Beratern, die vor Ort praktische Hinweise geben, welche auf die Persönlichkeit des Zahnarztes und seine Praxisphilosophie individuell abgestimmt sind.

Einfach ausprobieren

Der Unterschied zwischen effektiver und ineffektiver Patientenbetreuung ist eine Sache der Sensibilität, der Aufrichtigkeit, der Einstellung und der Fähigkeit, zwischenmenschliche Beziehungen positiv zu gestalten. Ein Zahnarzt sollte mit dem Team überlegen, welche Tipps umgesetzt werden können. Wer unsicher ist, ob eine Veränderung Ihren Patienten gefällt, sollte es einfach ausprobieren – nach einer vierzehntägigen Probezeit weiß er mehr.

Die freundliche Meldung am Telefon oder positive Formulierungen lassen sich einstudieren, doch wenn das Herz, die Überzeugung und der Wille nicht dabei sind, um sich mit aller Kraft für das Wohl der Patienten einzusetzen, können nie Spitzenleistungen erreicht werden. Das Feuer muss brennen – im Zahnarzt und in seinem Team.

Karin NamianowskiMühlbolz 688260 Argenbühl

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