Durch Studie Zusammenhang jetzt bewiesen

Candidabesiedelung der Mundhöhle und des Magen-Darm-Traktes

197887-flexible-1900
Heftarchiv Zahnmedizin
Candidainfektionen haben in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich zugenommen. Dabei werden äußere und vor allem auch innere Körperoberflächen von Hefen besiedelt. In der vorliegenden Studie konnte eine Wechselbeziehung zwischen der Pilzbesiedelung der Mundhöhle und des Magen-Darm-Traktes bei Kindern mit kariös erkrankten Gebissen dargestellt werden. Diese Arbeit wurde als jahresbester Vortrag 2001 anlässlich der Jahrestagung der Dt. Ges. für Kinderzahnheilkunde in Stuttgart prämiert.

Problemstellung

Bei 30 bis 50 Prozent der Normalbevölkerung lassen sich Pilze aus Mundschleimhautabstrichen isolieren, wobei Candida albicans mit acht bis 90 Prozent vorherrscht [6]. Es konnte eine positive Korrelation zwischen Pilzbesiedelung des Speichels und Kariesbefall sowohl bei Kindern [5] als auch bei Erwachsenen [8] nachgewiesen werden. Darüber hinaus wurde eine Beteiligung von Candida albicans am Kariesgeschehen vielfach belegt. Als Hauptreservoir für Sprosspilze in der Mundhöhle hat sich die kariöse Kavität bewiesen [11]. Ausgehend von dieser Nische kann die Hefe in den Mundraum gelangen und beispielsweise zu einer Soorerkrankung führen (Abbildung 1). Auch die an Kunststoff-Prothesen anhaftende Plaque wurde als weiteres Candida-Reservoir in der Mundhöhle beschrieben, von dem eine Streuung des Keimes entweder durch Aspiration in die Lunge oder durch Verschlucken in den Gastro-Intestinal-Trakt ausgehen könne [2]. Hier stellen Pilze unter Umständen die Ursache ernst zu nehmender Mykosen dar. Genauso denkbar ist jedoch, dass eine Verteilung von Candida, ausgehend von den kariösen Zahnkavitäten, über den Speichel in den Magen-Darm-Trakt erfolgt. Demzufolge kämen dann auch kariöse Zähne als Quelle für rezidivierenden Candida-Befall in Betracht.

In der vorliegenden Untersuchung interessierte daher besonders die Wechselbeziehung zwischen der Candida-Besiedelung der Mundhöhle und des Magen-Darm-Traktes bei Kindern mit naturgesunden und kariösen Gebissen.

Material und Methode

Im Zeitraum von 1999 bis 2000 wurden 40 Patienten mit kariösen und 40 Probanden mit naturgesunden Gebissen im Alter zwischen ein und zwölf Jahren in die Studie aufgenommen. Es handelte sich hierbei um 37 Mädchen und 43 Jungen. Das Durchschnittsalter für die Patienten mit kariösen Gebissen betrug 59,2 Monate, die Probanden mit naturgesunden Gebissen waren im Mittel 55,1 Monate alt. Zunächst erfolgten kariesdiagnostische Untersuchungen zur Bestimmung der DMF/dmf(T/t)- Werte [1]. Anschließend wurden Speichel- und Plaqueproben, bei den Patienten zusätzlich Proben kariös erweichter Zahnsubstanz entnommen und auf das Vorhandensein von Sprosspilzen überprüft. Stuhlproben der Patienten und Probanden wurden über die Eltern zur Verfügung gestellt und ebenfalls auf eine Candidabesiedelung untersucht.

Für die Anzüchtung der Pilze wurden Plaque und kariöse Zahnsubstanz mittels sterilem Löffelexcavator und Speichelproben mittels sterilem Abstrichtupfer aus der Mundhöhle entnommen und auf Sabouraud-Agar (Merck KgaA, Darmstadt, Deutschland) ausgestrichen (Abbildung 2). Die Stuhlproben der Kinder wurden mit einem Emulgator (Tween 20) versehen und homogenisiert. Vom Überstand dieser Lösung wurden 50 μl ebenfalls auf Sabouraud-Agar gebracht. Die Platten wurden bei 37° C bebrütet und nach 24 sowie 48 Stunden beurteilt. Die Differenzierung der Candida-Arten erfolgte mittels Auxacolor-Test (Sanofi Diagnostics Pasteur, Marnes la Coquette, Frankreich).

Für die Mengenangabe der Pilze wurden folgende Keimzahlklassen gewählt (Abbildung 3): 0: keine, 1: einzelne (< 10 Kolonie bildende Einheiten, KBE), 2: wenig (10-102 KBE), 3: viel (102-103 KBE), 4: massenhaft (>103 KBE).

Ergebnisse

Kariesstatus

Tabelle 1 zeigt die DMF/dmf(T/t)-Gesamtund Einzelwerte der Kinder mit kariösen Gebissen. Der mit 11,5 sehr hohe DMF/dmf(T/t)-Gesamtwert belegt, dass es sich bei den Patienten um Jungen und Mädchen mit extremer Kariesanfälligkeit handelte. Der Anteil an erkrankten Milchbeziehungsweise bleibenden Zähnen war mit Abstand am höchsten. Nur ein sehr geringer Teil war mit Füllungen versorgt oder aufgrund von Karies bereits extrahiert worden.

Mikrobiologische Befunde

Bei allen diagnostizierten Hefen handelte es sich um Candida albicans. Abbildung 4 zeigt den Vergleich der Candidabesiedelung der Mundhöhle und des Magen-Darm-Traktes zwischen den Probanden mit naturgesunden Gebissen und den Patienten mit Karies. Bei den Probanden konnten nur in jeweils zehn Prozent der Fälle Hefen in Speichel- und Plaqueproben und in 2,5 Prozent im Stuhl diagnostiziert werden. Dagegen waren bei den Patienten in 62,5 Prozent Pilze im Speichel, in 70,0 Prozent in der Plaque, in 92,5 Prozent in der kariös erweichten Zahnsubstanz und in immerhin 67,5 Prozent in den Stuhlproben nachweisbar.

Die Gegenüberstellung der durchschnittlichen Candida-Mengenbewertung von Probanden und Patienten, gemessen an den zuvor ermittelten Keimzahlklassen, ist in Abbildung 5 grafisch dargestellt. Die mittlere Bewertung bei den Jungen und Mädchen mit kariesfreien Gebissen betrug für Speichel 0,23, für Plaque 0,2 und für Stuhl 0,05. Bei den Patienten waren diese Werte um ein Mehrfaches höher.

Tabelle 2 gibt die prozentuale Verteilung der einzelnen Candida-Keimzahlklassen bei Probanden und Patienten wieder. Bei denKindern mit naturgesunden Gebissen konnte die höchste Keimzahlklasse („massenhaft“) in keinem Fall nachgewiesen werden. Allerdings fanden wir diese hohe Keimdichte bei den Patienten bereits in fünf Prozent der Plaqueproben und sogar in 42,5 Prozent in Abstrichen kariös erweichter Zahnsubstanz. Auch in Stuhlproben konnten in 2,5 Prozent der Fälle massenhaft Candida diagnostiziert werden.

Diskussion

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass die Besiedelung der Mundhöhle mit Pilzen eng an das Vorhandensein von kariösen Zähnen gekoppelt ist. Wir fanden bei Kindern mit naturgesunden Gebissen lediglich in jeweils zehn Prozent eine Candidabesiedelung von Speichel und Plaque, dagegen war die Hefe in 62,5 Prozent der Speichelproben, in 70 Prozent der Plaqueabstriche und sogar in 92,5 Prozent der kariösen Substanz bei Patienten mit kariösen Gebissen nachweisbar. Diese positive Korrelation wurde auch schon in vorausgegangenen Untersuchungen belegt [5, 8, 10, 11, 13]. Der Zusammenhang zwischen Candidabesiedelung der Mundhöhle und kariösem Gebisszustand wird jedoch noch deutlicher, wenn man die Mengenverteilung der Hefen betrachtet. So waren in der vorliegenden Untersuchung die Mittelwerte der Keimzahlklassen bei den Patienten deutlich höher als bei den Probanden. Andere Autoren konnten darüber hinaus einen Zusammenhang sowohl zwischen dem Vorkommen von Candida und dem DMF- und F-Index als auch eine signifikante Übereinstimmung zwischen dem Zerstörungszustand (D-Index) der Zähne und der Quantität der Pilze belegen [4]. Die Mengenverteilung der Sprosspilzbesiedelung in unserer Studie zeigt, dass in der kariösen Zahnsubstanz die höchste Keimdichte an Candida spezies vorherrscht und sich somit die kariöse Kavität als geradezu ideales Reservoir für Hefen in der Mundhöhle darstellt.

Als wichtigstes Ergebnis darf jedoch auf den Zusammenhang zwischen Candidabesiedelung der Mundhöhle und des Magen-Darm-Traktes verwiesen werden. Diesbezüglich hatte eine weitere Arbeitsgruppe bereits auf eine Wechselbeziehung zwischen oraler und fäkaler Candida albicans-Konzentration hingewiesen [12]. Es stellte sich bei unseren Patienten eine eindeutige Korrelation zwischen Candidabesiedelung von Speichel und Stuhlproben heraus. Somit lässt sich vermuten, dass ausgehend von kariösen Kavitäten eine Streuung der Hefen zunächst über den Speichel in die Mundhöhle und von dort durch Verschlucken in den Magen-Darm-Trakt erfolgt.

Der alleinige Nachweis von Hefen im Orointestinaltrakt sollte allerdings noch nicht überbewertet und als Candida-Infektion interpretiert werden [9]. Unzweifelhaft können Candida spezies jedoch bei HIV- oder anderen immunsupprimierten Patienten zu großen Problemen führen [3]. Bisher hat sich die totale Eliminierung dieser Pilze aus dem Oropharyngealtrakt solcher immungeschwächter Patienten als sehr schwierig erwiesen [7].

Die vorliegenden Ergebnisse lassen vermuten, dass dies nicht zuletzt auch an der schweren Erreichbarkeit der Sprosspilze in kariösen Zähnen liegen kann, woraus zu schließen ist, dass künftig noch mehr auf die Eliminierung von kariösen Kavitäten in deren Mundhöhle entweder durch zahnerhaltende Füllungstherapie oder durch Extraktion nicht erhaltungswürdiger Zähne zu achten ist.

Dr. Franziska Ansari

Prof. Dr. Willi-Eckhard Wetzel

Poliklinik für Kinderzahnheilkunde

Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

Schlangenzahl 14

D-35392 Gießen

Tel: 0641-99-46241

Fax: 0641-99-46239

E-Mail:

Franziska.Sziegoleit@dentist.med.uni-giessen.de

Nelly Schulz-Weidner,

Prof. Dr. Andreas Sziegoleit

Institut für Medizinische Mikrobiologie,

Justus-Liebig-Universität Gießen

Diese Arbeit erschien in modifizierter Form in der dzz 57, 349-352 (2002) und wird hier mit freundlicher Genehmigung des Verlages wiedergegeben.

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