Zahnärzte im Ausland

Nichts wie weg!

Persönliche Herausforderung, besser geregelte Arbeitszeiten oder ein positiveres Arbeitsklima ohne starre Hierarchien – die Motivation, der Heimat den Rücken zu kehren, kann sehr vielfältig sein. Fast immer ist es auch die Unzufriedenheit mit dem budgetierten Gesundheitssystem in Deutschland, die die Zahnärzte im Ausland nach Alternativen suchen lässt. Die Chancen stehen gut – einige europäische Nachbarn suchen gezielt auf dem deutschen Markt.

Norwegen wird mehr und mehr zu unserer Heimat und wir haben vor, ganz hier zu bleiben. Ich habe einen neuen Lebensrhythmus gefunden und lebe jetzt fast vollständig ohne Druck und Zwänge. Das empfand ich als Zahnarzt in Deutschland immer als sehr belastend.“ Der Stralsunder Zahnarzt Dirk Miltz hat sich vor zwei Jahren dazu entschlossen, Deutschland zu verlassen. „Back to nature“ war sein Motto und so verschlug es ihn nach Norwegen, wo Zahnärzte dringend gesucht werden. Miltz lebt und arbeitet nun in der kleinen Insel-Kommune Midsund mit 2100 Einwohnern auf fünf Inseln: „Etwas abseits von der großen Welt sind wir sehr glücklich darüber, so direkt mit der Natur zu leben. Seeadler, Robben, Wale, Graugänse, Nordlicht und die Farbenspiele über dem Meer haben wir exklusiv um uns herum.“ Für ihn hat sich die Emigration gelohnt: Norwegen sei ein wunderschönes Land und biete gute Arbeitsbedingungen, schwärmt der 45-Jährige. „Man muss allerdings hierher passen.“

Ausland light

Der Blick über den deutschen Tellerrand kann völlig neue Perspektiven eröffnen. Diese Erfahrung kann man allerdings auch machen, ohne gleich auszuwandern. „Für mich bedeutet ein Auslandsaufenthalt vor allem Horizonterweiterung“, erklärt Tobias Bauer seinen Hang zur Ferne. Doch der Singener Zahnarzt ist und bleibt in Deutschland tätig. Denn statt die Heimat langfristig oder sogar endgültig zu verlassen, gibt es auch eine andere Möglichkeit: „Ausland light“. Bauer bevorzugt diese Art des Auslandaufenthaltes. Er war bereits für einige Monate in Frankreich und – im Rahmen eines Hilfsprojektes – in Südafrika. Im nächsten Jahr steht ein Aufenthalt im subtropischen Norden Australiens an, wo er einige Wochen in der Praxis eines australischen Kollegen in Darwin mitarbeiten will. So könne man das Land auf eine ganz andere Weise erleben und lerne auch ein anderes Umfeld der zahnärztlichen Behandlung kennen, erklärt Bauer, Mitglied der deutschen Sektion der Young Dentists Worldwide. „Das sind Erfahrungswerte, die man in Deutschland so nie machen könnte.“

Wer an einem solchen Austausch interessiert ist, für den sind die Young Dentists Worldwide (YDW)) eine gute Anlaufstelle. Die Organisation wurde vor zehn Jahren von jungen Kollegen gegründet, die in der International Association of Dental Students aktiv waren. Die Nachwuchszahnärzte wollten ihre guten Kontakte auch über das frisch erworbene Examen hinweg pflegen. Zunächst als Sektion der Fédération Dentaire Internationale (FDI), arbeiten die Young Dentists seit zwei Jahren völlig unabhängig und vertreten die Belange junger Zahnärzte auf der ganzen Welt. Rund 350 Mitglieder hat die Organisation, 70 davon in Deutschland. Immer häufiger wird der Wunsch an die Kollegen herangetragen, zentrale Anlaufstelle für austauschwillige Zahnärzte aus der ganzen Welt zu sein. Im Rahmen der Möglichkeiten einer ehrenamtlichen Vereinigung versuchen die Young Dentists, Kontakte in das jeweilige Land zu vermitteln und Tipps für die Vorbereitung eines Auslandsaufenthaltes zu geben. Wenn sich allerdings Studenten wegen einer Famulatur bei Ihnen melden, verweisen sie auf den Zahnmedizinischen Austauschdienst in Bonn (ZAD e.V.), mit dem die YDW eng zusammenarbeiten.

Quer durchs Land

Studenten, die sich beim ZAD melden, interessieren sich fast ausnahmslos für Famulaturen in Entwicklungsländern. „Die Studenten dürfen bei solchen Praktika in der dritten Welt aus zahnärztlicher Sicht viel mehr machen“, erklärt Doris Bungartz vom ZAD eine wesentliche Motivation. Die gesamte Palette zahnärztlicher Behandlung müsse mit einfachsten technischen Mitteln bewerkstelligt werden. Viele Studenten reizten aber auch die persönliche Herausforderung oder der kulturelle Aspekt der Reise – wenn etwa mit einer mobilen Dentaleinheit quer durchs Land gereist werde.

Der ZAD vermittelt deutsche Studenten der Zahnmedizin ins Ausland und bietet unter bestimmten Voraussetzungen finanzielle Unterstützung. Umgekehrt werden ausländische Studenten auch an deutsche Universitäten vermittelt. Um möglichst studentennah arbeiten zu können, ist an jeder deutschen Universität ein „Leo“ (Local Exchange Officer) tätig. Hier bekommt man Famulaturberichte und Adressenlisten sowie Antragsformulare für Reisekostenzuschüsse.

„Wenn die Studenten zurückkommen, erleben sie oft erst mal einen Kulturschock, sind aber auch hoch motiviert für ihre zukünftige Arbeit“, resümiert Bungartz die positiven Erfahrungen des Austauschs. Im vergangenen Jahr vermittelte der ZAD 87 Studenten in Hilfsprojekte in der dritten Welt, keinen einzigen hingegen innerhalb der EU.

Gute Chancen in Europa

Wer auch ohne Famulatur oder Kurzzeit- Austausch weiß, dass die Arbeit als Zahnarzt im Ausland genau das Richtige ist, der bekommt beim Arbeitsamt wichtige Informationen. „Prinzipiell hat man als deutscher Zahnarzt in ganz Europa gute Chancen. Die Ausbildung hier gilt als hochwertig und es gibt keinerlei Probleme mit der Anerkennung der Diplome“, weiß Eva Weber von der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) in Bonn. Hier bekommt man Adressen und Broschüren über den Wechsel ins europäische Ausland. Europa ist grenzenlos geworden – auf der Homepage des Arbeitsamtes findet man im Stelleninformations-Service (sis) Arbeitsangebote europaweit. Allerdings sind die Ausschreibungen in den verschiedenen Ländern sehr punktuell, in einigen EU-Nachbarländern ist der Bedarf durch die eigenen Zahnärzte weitgehend gedeckt. Dies gilt auch für die Schweiz, die noch bis vor kurzem jährlich rund 25 deutschen Zahnärzten eine Stelle anbot. „Im letzten halben Jahr wurden keine deutschen Zahnärzte mehr in die Schweiz vermittelt“, erklärt Manfred Steinke, Arbeitsvermittler beim ZAV. Der Markt in der Schweiz sei gesättigt und Inländer hätten bei einer Bewerbung automatisch Vorrang, so Steinke. In anderen Ländern – etwa Dänemark – gibt es zwar freie Stellen, diese finden sich allerdings oft in den abgelegenen Gegenden eines Landes, in denen die heimischen Zahnärzte nicht arbeiten möchten und an denen auch deutsche Zahnärzte nur selten Interesse zeigen. Generell gute Chancen haben Zahnärzte in Großbritannien, Irland oder Schweden. Ganz oben auf der Liste steht allerdings Norwegen: Die Skandinavier suchen gezielt auf dem deutschen Markt und haben jährlich 200 freie Stellen zu besetzen.

Enges Budget-Korsett

„Ich könnte mir vorstellen, nach Norwegen zu gehen und für immer dort zu bleiben“, erzählt eine angestellte Zahnärztin auf einer Infoveranstaltung in Hamburg. Hier informiert – in Zusammenarbeit mit dem deutschen Arbeitsamt – die norwegische Arbeitsverwaltung „aetat“ über die Arbeitsmöglichkeiten im norwegischen, staatlichen Gesundheitsdienst. Ihren Namen möchte die junge Zahnärztin nicht nennen, solange sie aus Norwegen noch keine definitive Zusage hat. „Hier in Deutschland halten einen die Kassen in Schach. Aus finanziellen Gründen kann ich dem Patienten nicht die medizinisch beste Behandlung garantieren“, kritisiert die 25-jährige Zahnärztin das deutsche Gesundheitssystem. Sie habe ein Problem damit, minderwertige Arbeit auf Grund einer Budget-Politik zu leisten. In Norwegen bestünden diese Zwänge nicht, da dort erwachsene Patienten ihre Zahnbehandlung vollständig privat bezahlen. Lediglich Kinder, Behinderte und sozial Schwache haben einen Anspruch auf freie Zahnbehandlung.

Eine weitere Besucherin der Infoveranstaltung hat ähnliche Motive: „Ich möchte mich in Deutschland nicht selbständig machen. Das Korsett im deutschen Gesundheitswesen wird doch immer enger geschnürt.“ Die begrenzten Möglichkeiten als Angestellte im deutschen öffentlichen Dienst hätten sie nach Alternativen suchen lassen. „In Norwegen wird in den Gesundheitszentren in großen Teams gearbeitet, das ist genau das Richtige für mich“, erklärt die junge Zahnärztin. Sie will vernünftige Zahnheilkunde betreiben, sich weiterbilden und entwickeln – und kann sich vorstellen, in Norwegen zu bleiben, wenn die Bedingungen stimmen.

Norwegen sucht

Im norwegischen öffentlichen Gesundheitsdienst arbeiten 1200 Zahnärzte. Der jährliche Bedarf liegt bei 175 bis 200 Stellen, doch nur 90 norwegische Zahnärzte verlassen jährlich die beiden Universitäten in Oslo und Bergen – und 70 Prozent von ihnen werden privatzahnärztlich tätig.

Deshalb suchen die Norweger bereits seit 1999 im Rahmen der Health Recruitment Unit speziell in Deutschland nach geeigneten Zahnärzten, die bereit sind, längerfristig in Norwegen zu arbeiten – 59 mal waren sie bisher erfolgreich. In diesem Jahr haben bisher 19 deutsche Zahnärzte einen Vertrag in Norwegen unterschrieben. „Wir bräuchten noch mindestens 100 mehr“, sagt Kristin Kvanvag von der norwegischen Arbeitsverwaltung aetat. Die Norweger tun einiges, um den deutschen Zahnärzten ihre Jobs mit guten Rahmenbedingungen schmackhaft zu machen. Sie bieten dreimonatige Intensiv-Sprachkurse in Berlin, Dresden, Frankfurt oder Köln, die mit 675 Euro pro Monat bezuschusst werden. An- und Abreise werden ebenso finanziert wie ein Mietzuschuss für eine Zweitwohnung während des Kurses. Anschließend geht’s dann so schnell wie möglich in den hohen Norden. Auch bei der Bewältigung sämtlicher bürokratischer Hürden ist die aetat behilflich.

Oberzahnarzt Paul Sördal, Leiter des Distriktes Ofoten, ist ebenfalls in Hamburg bei der Infoveranstaltung vor Ort. Er will die Bewerber für seinen Distrikt in Mittelnorwegen begeistern: „Alles ist diskutierbar, neben dem Gehalt lässt sich auch fast alles andere verhandeln.“ Sördal bietet den Interessenten eine 36 Stunden Woche, einen Grundlohn von 43 500 Euro, der sieben Jahre lang jährlich um 1700 Euro wächst, und nach dem ersten Jahr einen Extraurlaub von 50 Stunden. Umzugskosten werden selbstverständlich übernommen und auch bei der Suche nach einer schönen Wohnung oder einem Haus wird geholfen. „Es gibt so viele freie Stellen, dass wir viele Bedingungen akzeptieren. Daran soll ein Wechsel nun wirklich nicht scheitern“, betont der Distriktleiter.

Auf ins Abenteuer

Der Darmstädter Zahnarzt Axel Langenbach ist dem Werben aus Norwegen gefolgt. „Ich wollte mich ohne Budgets und ökonomischen Druck als Zahnarzt weiterentwickeln. Und es war wohl auch die Abenteuerlust und die Neugier auf ein neues Land“, beschreibt er seinen ganz persönlichen Motivations-Mix.

Der Leiter einer Zahnklinik in Stavanger arbeitet seit zwei Jahren in Norwegen und schwärmt in den höchsten Tönen: „Die Arbeitszeiten von 08:00 bis 15:15 Uhr sind dermaßen attraktiv, dass man die Klinikräume anschließend mieten und auf eigene Rechnung Privatpatienten behandeln kann, wodurch sich das Gehalt beträchtlich steigern lässt.“ Doch auch das Festgehalt von rund 46 000 Euro reiche völlig aus, um ohne ökonomische Zwänge arbeiten zu können. Es bleibt also die Wahl: viel Freizeit oder ein höheres Gehalt.

Nach dem Job genießt Langenbach den nordischen Sommer und den hohen Freizeitwert Norwegens: „Klettern, radfahren, wandern, angeln oder Schneescooter fahren auf Spitzbergen – man hat hier einfach insgesamt mehr Zeit für sich selbst.“ Man müsse sich allerdings im Klaren sein, dass Zahnärzte in einer öffentlichen Zahnklinik vorrangig Kinder und Jugendliche bis 20 Jahre behandeln, so der 31-jährige Klinikleiter. Weitere Patientengruppen seien Behinderte, Pflege- und Suchtpatienten. Vor allem die Kinderbehandlung dürfe nicht unterschätzt werden. Auf Grund des hauptsächlich jungen Klientels ist der Anteil der Prothetik in öffentlichen Zahnkliniken entsprechend geringer als in Deutschland. „Die Arbeit ist sehr vielseitig, aber auch sehr anspruchsvoll“, betont Langenbach.

Doch neben den guten Arbeitsbedingungen ist es vor allem das kollegiale Miteinander, das Langenbach positiv aufgefallen ist: „Sowohl innerhalb der Kliniken als auch zwischen den Kliniken – selbst zu den Privatzahnärzten – besteht ein angenehmes kollegiales Verhältnis ohne Intrigen und Ellenbogen.“ Man helfe sich untereinander mit Rat und Tat und pflege das Soziale in der Zahnärztevereinigung. Auch über die technische Ausstattung weiß er nichts Negatives zu sagen: digitales Röntgen, computergestütztes Patientenverwaltungssystem und Intranet zwischen den Kliniken sind auch in den abgelegeneren Winkeln Standard.

Sein Fazit: „Gerade jüngere Zahnärzte sollten sich überlegen, mal über den Tellerrand zu blicken, eine neue Sprache zu lernen sowie die Arbeits- und Lebensweise in einem anderen Land kennen zu lernen.“

Es wird eng

Wer dieser Aufforderung nachkommen möchte, sollte sich allerdings beeilen. „Mittelfristig wird mit einer Sättigung und dann mit einem Überschuss auf dem medizinischen Sektor gerechnet“, warnt der Skandinavien-Experte und Gesundheits-Journalist Uwe Preusker. Durch die jahrelange Ärzte- und Zahnärzteanwerbung und eine Erhöhung der medizinischen Studienplätze um 25 Prozent soll der Unterversorgung in Norwegen der Garaus gemacht werden. Langfristig wollen die Norweger sogar Unterkapazitäten in den Nachbarländern mitversorgen, prognostiziert der Skandinavien-Kenner. Doch das ist noch Zukunftsmusik – zurzeit gibt es immer noch rund 175 zahnärztliche Stellen jährlich, die nicht besetzbar sind, so Preusker.

Auch Norwegens Nachbar Schweden bemüht sich, seiner Unterkapazitäten Herr zu werden. Mediziner wie Zahnärzte sind dort schwer gefragt, und ähnlich wie die Norweger, arbeiten auch die Schweden mit dem deutschen Arbeitsamt zusammen und veranstalten Informationstage. „Im Gegensatz zu Norwegen gibt es in Schweden keine zentrale Arbeitsverwaltung. Dort läuft alles über die regionalen Arbeitsämter“, erklärt Preusker. Was die zahnärztliche Versorgung angeht, ähnelt das schwedische System dem seines Nachbarlandes: Im öffentlichen zahnärztlichen Gesundheitsdienst sind mehr als die Hälfte aller Zahnärzte angestellt. Sie versorgen in regionalen Gesundheitszentren kostenfrei Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 19 Jahren. Seit 1999 ist die früher ebenfalls kostenfreie Behandlung für Erwachsene abgeschafft. Sie müssen jetzt Zuzahlungen leisten, haben aber auch die Wahl, einen der rund 3500 schwedischen privaten Zahnärzte aufzusuchen.

Auch Schweden bietet sehr attraktive Arbeitszeiten und ein entspanntes Arbeitsklima mit extrem flachen Hierarchien. „Skandinavier haben eine ganz andere Mentalität“, betont Preusker. Das Prinzip der Selbstausbeutung ist den Schweden fremd: Nur wer genug Ruhezeiten hat, kann auch vernünftig ärztlich tätig werden. Dazu kommt, dass Zahnärzte und Ärzte in Schweden ein sehr hohes Ansehen haben. Wermutstropfen ist allerdings das im Vergleich doch sehr spärliche Gehalt von etwa 3000 Euro pro Monat.

Englands schlechter Ruf

Das britische Gesundheitssystem hat auf Grund langer Wartezeiten bei den Patienten einen schlechten Ruf, doch Mediziner schätzen die hervorragende Ausbildung und gute Arbeitsbedingungen. Bei den Verdienstmöglichkeiten im öffentlichen Gesundheitsdienst schneiden Zahnärzte in Großbritannien – wenn auch nur nominal – deutlich besser ab als in Skandinavien: Ein ausschließlich für den staatlichen Gesundheitsdienst (NHS) arbeitender Zahnarzt verdiente im Jahr 2001 durchschnittlich 48 000 Pfund, also knapp 80 000 Euro. Allerdings sind die Lebenshaltungskosten in England – vor allem in den Großstädten – extrem hoch, was einen Einkommensvergleich schwierig macht. Viele Zahnärzte im NHS sind mit ihrem Gehalt unzufrieden. Sie bessern sich durch die zusätzliche Behandlung von Privatpatienten ihr Einkommen auf oder satteln vollständig auf private Patienten um. Auf Grund der Zahnärzteknappheit im öffentlichen Gesundheitsdienst – es fehlen Tausende Zahnärzte im NHS – boomt die private Zahnmedizin. Rund 28 Millionen Patienten sind beim NHS eingeschrieben, davon haben zwei Millionen eine zahnärztliche Zusatzversicherung. Tendenz steigend. Die Entwicklungen haben die Regierung alarmiert, die eine radikale Reform für den zahnärztlichen Sektor plant (siehe zm 19). Insgesamt sind auf der britischen Insel derzeit 31 000 Zahnärzte registriert. Zwei Drittel von ihnen arbeiten im NHS. Rund sieben Prozent der britischen Zahnärzte kommen aus der EU, weitere acht Prozent aus Nicht-EU-Ländern. Da es keine gemeinsamen Infoveranstaltungen von Arbeitsamt und britischem Gesundheitsdienst gibt, müssen sich Interessierte ihre Informationen woanders holen. Eine gute Anlaufadresse ist die Deutsch-Englische Ärztevereinigung (anglo-german medical society, agms). „Wir sind für alle medizinischen Berufe offen und versuchen zu helfen oder Kontakte zu vermitteln“, verspricht Dr. Friedrich-Franz Bode von der agms. In der Vergangenheit sei allerdings nur eine Handvoll Zahnmediziner an die agms herangetreten, so Bode. Kaum zu verstehen, denn die agms macht den Medizinern ein ganz besonderes Angebot: Sie bietet Ärzten und Zahnärzten, die in Großbritannien praktizieren möchten, ein Info-Seminar an. Hier wird auf die wesentlichen Unterschiede im Gesundheitssystem der beiden Länder aufmerksam gemacht. In kleinen Workshops trainiert man typische Situationen im Umgang mit britischen Patienten. „Hier werden vor allem praktische Hilfestellungen vermittelt – wie man sich in England versichert, wer einem im staatlichen Gesundheitsdienst weiterhilft oder wie man ein Bankkonto eröffnet“, verdeutlicht Bode die Kursinhalte. Das Seminar wird zum Selbstkostenpreis von 180 Euro angeboten, in diesem Jahr werden 40 Teilnehmer erwartet.

Quadratur des Kreises

Wer in Deutschland als Zahnarzt hauptsächlich mit Kindern arbeiten will, hat es schwer. „Die Arbeit, die ich machen wollte, die gibt es in Deutschland gar nicht.“ Doch für den Arnsberger Zahnarzt Darius Sagheri war schon im Studium klar, dass er viel mit Kindern arbeiten will: „Eine eigene Praxis in Deutschland mit einem solchen Schwerpunkt, das wäre schwierig geworden.“ Also: ab ins Ausland. Englischsprachig sollte es sein und auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen konzentriert sein. Ohne große Vorbereitung kündigte er seine Wohnung und seinen Job als Assistent. Er rief in Irland bei der Dental Association an: „Dort habe ich die Telefonnummern von den verschiedenen regionalen Health Boards bekommen. Innerhalb von zehn Tagen war ich dann in Irland.“ Seit drei Jahren arbeitet Sagheri für das National Health Board in Dublin. Das irische Gesundheitssystem ist mit dem schwedischen vergleichbar: regionale Unterteilung und kostenfreie Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Im vergangenen Jahr wurde das Behandlungs- Alter der Jugendlichen von 14 auf 16 Jahre angehoben. „Dadurch gab es einen plötzlich stark angestiegenen Bedarf an Zahnärzten im öffentlichen Gesundheitsdienst“, weiß Sagheri. Der Bedarf konnte nicht durch heimische Absolventen gedeckt werden. So begann auch Irland verstärkt im Ausland um Zahnärzte zu werben. Die Iren arbeiten – ähnlich wie Norwegen und Schweden – mit der deutschen ZAV zusammen, allerdings bieten sie nur eine einzige Infoveranstaltung pro Jahr. Der Termin für das nächste Jahr steht noch nicht fest, wird von der ZAV aber frühzeitig bekannt gegeben.

Der Verdienst in Irland liegt mit etwa 55 000 Euro pro Jahr eindeutig höher als in Schweden und Norwegen – bei in etwa vergleichbaren Lebenskosten. Mit der Qualität seines Jobs ist Sagheri sehr zufrieden: „Man bekommt hier wesentlich schneller als in Deutschland auch verantwortungsvollere Arbeitsangebote“, ist er sich sicher. Seine Aufgabe sind Reihenuntersuchungen an verschiedenen Dubliner Schulen, anschließend bestellt er die Kinder in seine Praxis – Gruppen- und Individualprophylaxe aus einer Hand. Darüber hinaus ist ein Teil seines Jobs, in Zusammenarbeit mit der Dubliner und der Freiburger Universität epidemiologische Vergleichsstudien über den Kariesbefall zu machen. Sagheri ist zufrieden mit seiner Entscheidung, Deutschland verlassen zu haben: „Ich habe einen guten Job, die Mentalität der Leute ist klasse und die Lebensqualität sehr hoch.“

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