7. Forum Freiheit in Berlin

Bürokratie – der Feind der Freiheit

Ein neues Fundament für die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland nach vier verlorenen Jahren deutscher Gesundheitspolitik forderte der Bundesvorsitzende des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ), Dr. Wilfried Beckmann, auf dem 7. Forum Freiheit am 11. September in Berlin. Die gemeinsam mit dem Unternehmerinstitut ASU und dem Liberalen Institut als „Politische Bilanz und Ausblick“ durchgeführte Veranstaltung legte gezielt den Finger auf die empfindlichste Wunde deutscher Sozialpolitik: Überbordende Bürokratie und Rahmenbedingungen sind, so gemeinsamer Tenor der Referenten, der „größte Feind der Freiheit“.

Die Steuer-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik nach vier Jahren rot-grüner, aber auch nach 16 Jahren verfehlter Weichenstellungen vorheriger Regierungen stand auf dem 7. Forum Freiheit im Kreuzfeuer der Kritik. Die geladenen Vertreter der rot-grünen Regierung hatten in der Diskussionsrunde einen entsprechend schweren Stand. Das Urteil von Podium wie Plenum fiel – verdeutlicht auch an internationalen Vergleichen – entsprechend kräftig aus: „Während man in Japan und in den USA ab der Tulpenblüte nicht mehr für das Gemeinwesen, sondern für sich selbst arbeitet, fängt der Deutsche erst nach der Kirschernte an, sein persönliches Netto einzufahren,“ betonte der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (ASU), Max Schön, in seinem Eröffnungsstatement die Schwierigkeiten der Selbständigen, im Sozialstaat Deutschland für sich und ihre Angestellten erfolgreich tätig zu sein. Schön plädierte für eine Abkehr von staatlicher Reglementierung: „Es kommt nicht darauf an, immer mehr Einkommen umzuverteilen und den einzelnen vom Staat immer abhängiger zu machen, sondern im Gegenteil: das Recht auf den Ertrag der eigenen Arbeit zu akzeptieren, den Leuten ihr Geld zurückzugeben, Unternehmern wie den Arbeitnehmern.“

Die Gründe für die drastischen Fehlentwicklungen? Dr. Hans D. Barbier, ehemaliger FAZ-Redakteur und Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, bot eine ernüchternde Analyse: „Die Gewöhnung an den hohen Staatsanteil, der Irrtum der Bemessung des Sozialen an Aufwandszahlen hat das Bewusstsein der Gesellschaft geprägt. Die Politik hat dies befördert und sieht sich heute nicht mehr in der Lage, ein Programm des Herumdrehens anzubieten.“ Entsprechend gering sei der qualitative Unterschied der Angebote der beiden großen Parteiengruppierungen der Sozialdemokratie und der Unionsparteien. Der Preis, der dafür zu zahlen sei, „ist höher als es die ohnehin hohen Steuern und steigenden Beiträge zeigen: der Verlust des Gefühls für den Wert von eigenverantwortlichem Wirtschaften verengt den Bereich der faktisch zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten beim Gang zur Urne“. Die Lage der Nation sei, so Barbier, „Angst vor der Agenda liberaler Politik“.

Ein neues Fundament

Trotz dieser Ausgangslage wurden die Regierungsvertreter – Dr. Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, SPD-MdB Christian Lange vom Ausschuss für Arbeit und Technologie sowie SPD-MdB Jörg-Otto Spiller vom Finanzausschuss – in den drei von der freien Journalistin und Autorin Dr. Gabriele Krone-Schmalz geleiteten Diskussionsrunden zu den Perspektiven in Arbeitsmarkt, Steuerpolitik und Gesundheitswesen mit entsprechenden Auswegsangeboten konfrontiert.

Konkret für das deutsche Gesundheitswesen: Dr. Wilfried Beckmann, Bundesvorsitzender des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ), plädierte nach den „vier verlorenen Jahren“ mit einer weiteren Negativentwicklung der Versorgung durch Budgetierung, einer Ausdünnung der Struktur im ambulanten Bereich, fehlender Planungssicherheit und keinen Investitionsimpulsen für ein konstruktives Fundament: Die „Balance zwischen Eigenverantwortung und Solidarität“ müsse neu definiert, die Solidarität der Gesunden mit den Kranken wieder hergestellt werden.

Der vom FVDZ-Bundesvorsitzenden präferierte Weg: Die Schaffung eines „Gesamtkonzeptes der Steuer- und sozialen Sicherungssysteme“, das staatliche Aufgaben, Versicherungsleistungen und individuelle Leistungen berücksichtigt und in dem eine soziale Umverteilung durch Steuern erfolgt. Beckmann fordert eine deutliche Stärkung der Kompetenz für Patient und Arzt und wendet sich gegen die zentrale Steuerung des Gesundheitswesens durch Staat und Krankenkassen. Eine unterstellte informationelle Asymetrie im Verhältnis von Patient und Arzt sei „keine Legitimation zur Fremdbestimmung“. Nicht die Quittung, so Beckmann, sondern die Kostenerstattung, für die eine Verauslagung durch den Patienten nicht zwingend sei, schaffe hier die richtige Grundlage. Die Souveränität über Befundund Behandlungsdaten müsse der Patient haben.

Anders als es in der Politik betrachtet wird, sei der Ansatz zu mehr Prävention Ausdruck des Wunsches nach besserer Lebensqualität und kein Sparpotential: „Prävention kann die Menschen gesünder alt werden lassen. Sie kann unter Umständen zu einer anderen Verteilung der Kosten auf der Zeitachse führen.“

Gesundheitswesen und Markt, so Beckmann, seien ein Spannungsfeld, aber kein Gegensatz. Die Strukturen und Angebote des deutschen Gesundheitswesens seien Ausdruck ökonomischer Entscheidungen und Kompromisse. Aber: „Der Gesundheitsmarkt, einer der bedeutenden Märkte der Zukunft, wird in Deutschland durch den Anspruch der Gesetzlichen Krankenversicherung stranguliert, die weiter für begrenzte Mittel unbegrenzte Leistungen verspricht.“ Der Arzt und Zahnarzt berate und behandle hingegen befundorientiert: „Da können und dürfen wirtschaftliche Überlegungen keinen primären Einfluss haben.“

Deshalb müsse das Spannungsfeld zwischen Möglichkeiten und ökonomischen Grundlagen für den Patienten transparent gestaltet werden. Befundorientierte Festzuschüsse und eine präventionsorientierte Zahnheilkunde seien der für die Zahnmedizin gangbare Wege aus dieser Misere: Der Patient kann sich über alternative Therapiekonzepte – mit durchaus großen Kostenunterschieden – im Gespräch mit dem Zahnarzt, über Zweitmeinungen oder anderweitig extern informieren. Und es könne nicht mehr derjenige die Solidargemeinschaft maximal belasten, der die aufwändigste Therapieform wählt. Beckmann: „Dem Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit wird entscheidend Rechnung getragen, das System ist offen für medizinische Innovationen und trägt anders als uniforme Sachleistungskataloge der Individualität des einzelnen Bürgers Rechnung.“ Sein Resümee: Nicht die ständige Teilnachbesserung des Systems, sondern das Nachdenken über neue Wege ist überfällig.

Mehr Markt ist machbar

Entsprechende Ansätze stellte BMG-Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder indes nicht in Aussicht. Er plädierte dafür, das Sachleistungsprinzip durch qualitätsorientierte Maßnahmen zu verbessern und das Kassenprinzip durch die Möglichkeit von Einzelverträgen zu erweitern. Schröders Ausweg: „Die einzelnen Elemente müssen besser aufeinander bezogen werden.“ Widerspruch kam von der sozialpolitischen Expertin der FDP, Dr. Gisela Babel: „Wir müssen damit aufhören, dass jeder jederzeit jede Leistung auf höchstem Niveau erhalten kann.“ Der mündige Bürger werde Einschränkungen hinnehmen müssen. Moderatorin Krone-Schmalz ergänzte mit einem drastischen Bild zur Absurdität des unbegrenzten „Alles für Jeden“: „Wir können auch nicht jedem einen 600er Mercedes statt einer Ente vor die Tür stellen, weil wir wissen, dass er im Falle eines Unfalles besser da raus kommt.“

In einem Grundsatzreferat zum „Wirtschaftsstandort Deutschland“ definierte auch FDP-MdB Dr. Günter Rexrodt die Grenzen des Systems. Der ehemalige Wirtschaftsminister zeigte sich überzeugt, dass „nicht alles, aber viel mehr über den Markt“ zu machen sei: „Ein anderes Modell ist auf Grund von Demografie und Arbeitsmarkt nicht denkbar.“ mn

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