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Frühsommer-Meningo-Enzephalitis – FSME

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Jährlich erkranken in Deutschland rund 100 bis 300 Menschen an der Frühsommer-Meningo-Enzephalitis, kurz FSME, einer viralen Erkrankung des zentralen Nervensystems, die von Zecken auf den Menschen übertragen wird. Eine kausale Therapie der Erkrankung, die vor allem in Süd- und Osteuropa auftritt, gibt es nicht. Allerdings besteht die Möglichkeit der vorsorglichen Impfung. Sie wird allen Personen geraten, die sich häufig in zeckenreichen Regionen aufhalten.

Verursacht wird die Frühsommer-Meningo- Enzephalitis (FSME) durch ein Virus, und zwar konkret durch ein Flavivirus. Dieses Virus wird üblicherweise durch den Biss einer Zecke (Ixodes ricinus) übertragen. Allerdings sind auch einige wenige Fälle bekannt, bei denen die Erkrankung durch den Genuss unpasteurisierter Milch von infizierten Kühen oder Ziegen ausgelöst wurde. Eine Infektion von Mensch zu Mensch gibt es nicht.  

Angehörige von Berufsgruppen, die sich viel in Gebieten, in denen mit Zecken zu rechnen ist, aufhalten, sind heutzutage meist vorsorglich geimpft. Daher infizieren sich inzwischen 90 Prozent der Betroffenen während der Freizeit. Zwei Drittel der Erkrankungsfälle treten dabei in den Monaten von Juni bis August auf, weshalb die Erkrankung auch Frühsommer-Meningo-Enzephalitis genannt wurde. Allerdings ist durchaus auch eine Erkrankung in der Zeit von März bis November möglich. Die Experten beobachten allgemein eine Zunahme der Fälle an FSME, die allerdings schwer zu fassen ist. Harte Daten liegen aus Schweden und den baltischen Ländern vor, wo in den vergangenen Jahren definitiv eine Erhöhung der Infektionszahlen dokumentiert wurde. Die Ursache dieses Phänomens ist bislang unbekannt, vermutet wird, dass die globale Klimaerwärmung eine Rolle spielen könnte.

Symptome treten erst Tage nach dem Zeckenbiss auf

Nicht jeder Biss einer infizierten Zecke führt zu einer Infektion. Nach erfolgter Infektion aber treten bei jedem dritten Betroffenen Krankheitszeichen auf. Erste Symptome manifestieren sich meist nach einer Inkubationszeit von drei bis 28 Tagen, meist jedoch nach etwa zehn Tagen. Die Erkrankung zeigt einen biphasischen Verlauf: Nach wenigen Tagen kommt es zu einer Initialphase mit grippeähnlichen Symptomen und mäßigem Fieber um 38 Grad Celsius, und es wird oft fälschlicherweise zunächst an eine Art Sommergrippe gedacht. Die Betroffenen klagen über Kopfund Gliederschmerzen, die jedoch im weiteren Verlauf wieder abklingen. 

Bei etwa jedem zehnte Erkrankten aber befällt das Virus das zentrale Nervensystem, und nach einer kurzen symptomfreien Phase entwickeln sich erneut Krankheitszeichen: Es kommt zu einem massiven Fieberanstieg, zu Erbrechen, heftigen Kopf- und Gliederschmerzen, Nackensteifigkeit und einem ausgeprägten Krankheitsgefühl.

Etwa 50 Prozent der Patienten entwickeln dabei eine isolierte Meningitis mit guter Prognose. In 40 Prozent der Fälle aber kommt es zur Enzephalitis (Gehirnentzündung). Rund zehn Prozent der Betroffenen entwickeln eine Myelitis (Rückenmarksentzündung). Es kann in solchen Fällen auch zu Bewusstseinsstörungen, zu Sprach- und Schluckstörungen, zu Lähmungen, Gleichgewichtsstörungen und Zittern kommen. 

Die Verdachtsdiagnose wird meist anhand der klinischen Symptomatik und der Anamnese gestellt. Relativ gut kann die FSME dabei diagnostiziert werden, wenn der Patient sich an den Zeckenbiss erinnert. Allerdings trifft das nur in etwa 70 Prozent der Fälle zu, ein Dilemma, das auch bei der Lyme-Borreliose, einer zweiten von Zecken übertragenen Erkrankung, bekannt ist. Konkret wird die Diagnose der FSME deshalb über den Nachweis spezifischer Antikörper oder über einen entsprechenden Titeranstieg gesichert.  

Eine kausale Behandlung der FSME ist nicht bekannt, die Krankheit kann lediglich symptomatisch behandelt werden, beispielsweise mit einer Fieber senkenden und einer entzündungshemmenden Medikation. Nach etwa drei Tagen bessert sich in aller Regel bei der Meningitis, also der eher leichteren Form der Erkrankung, die Symptomatik und die Infektion heilt im Verlauf von ein bis drei Wochen wieder aus. 

Doch rund 30 Prozent der Erkrankten leiden anschließend unter Folgeerscheinungen, wie einem neurasthenischen Syndrom (verminderte Belastbarkeit, vermehrte Müdigkeit) und/oder unter Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Auch sind Lähmungen, Gleichgewichtsstörungen, Hörstörungen sowie psychische Veränderungen als Folge der Infektion möglich.  

Besonders hoch ist die Gefahr für Folgeschäden, wenn von der Infektion nicht nur die Hirnhäute, sondern das gesamte Gehirn betroffen ist (Meningo-Enzephalitis). Auch wenn die Infektion auf das Rückenmark übergeht, sind Folgeschäden häufig.

Auch Todesfälle sind zu befürchten. Die Häufigkeit variiert mit dem Virustyp: Bei Infektionen mit dem vorwiegend in Mitteleuropa anzutreffenden Virus verlaufen etwa ein bis zwei Prozent der Fälle letal. Deutlich höher ist die Rate mit zehn bis 20 Prozent bei der FSME durch das vorwiegend in Osteuropa auftretende RSSI-Virus.

Der Erreger – das FSME-Virus

Verursacht wird die FSME durch ein Virus, das zu einer Gruppe von Erregern gehört, die auch in den Tropen vorkommen und Krankheiten wie das Gelbfieber auslösen. In Europa kennt man zwei Varianten des RNA-Virus, und zwar das so genannte Russian- Spring-Summer-Encephalitis-Virus, kurz RSSE-V, die gefährlichere Virusform, die vor allem in Russland und auf dem Baltikum anzutreffen ist, sowie das mitteleuropäische FSME-Virus, wobei sich aber beide Erreger weitgehend ähneln. Sie werden zudem beide durch die gängigen Impfstoffe erfasst.  

Hauptüberträger der FSME ist in Mitteleuropa die Schildzecke, wissenschaftlich Ixodes ricinus und umgangssprachlich auch gemeiner Holzbock genannt. Das Virus befindet sich in den Speicheldrüsen der Zecke und wird bereits beim Biss auf den Menschen übertragen. Anders bei der Lyme- Borreliose, einer anderen Erkrankung, die durch den Holzbock weitergegeben wird. Allerdings befindet sich der Erreger der Lyme-Borreliose im Magen-Darm-Trakt der Zecke, und das Risiko der Übertragung auf den Menschen ist deutlich geringer als bei der FSME. 

Die Zecken halten sich bevorzugt in Wäldern in nicht zu trockenen Lagen auf, und zwar in hohem Gras und Gebüsch sowie losem Laub. Sie können durch tierische Wirte, wie Hunde, Katzen oder Füchse, fast überall hinkommen. Daher sind in Endemiegebieten auch innerstädtische Grünanlagen und Parks keineswegs als zeckenfreie Zone anzusehen. Generell sind in den Endemiegebieten ein bis fünf Prozent der Zecken mit FSME infiziert.  

Damit sich der Erreger vermehren kann, ist eine Mindesttemperatur von acht Grad Celsius erforderlich, was den Anstieg der Infektionshäufigkeit in den frühen Sommermonaten erklärt. In Höhen oberhalb 1000 Meter halten sich keine Zecken mehr auf.

Endemiegebiete vor allem im Süden Deutschlands

Zu den Endemiegebieten, also den Regionen, in denen das Flavivirus überdurchschnittlich häufig in Zecken zu finden ist, gehören in Deutschland vor allem Bayern und Baden-Württemberg, aber auch südliche Teile von Hessen. Aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen und Brandenburg werden vereinzelte Fälle gemeldet. Weitere Endemiegebiete sind die osteuropäischen Länder, wie Polen, Tschechien, Slowenien und die Slowakei, aber auch Russland. Auch in Finnland, Schweden und Norwegen, Frankreich, Griechenland sowie Österreich, der Schweiz und Italien sind virusinfizierte Zecken weit verbreitet. Konkrete Verbreitungskarten FSME-infizierter Zecken werden vom Berliner Robert- Koch-Institut erstellt. Denn auch innerhalb der genannten Regionen ist die Gefahr der FSME unterschiedlich, die Risiko- und Hochrisikogebiete sind nicht gleich verteilt. So kann anhand der beobachteten klinischen Fälle gesehen werden, dass beispielsweise in Bayern spezielle Risikoregionen im Osten im Einzugsgebiet der Donau bestehen.  

In Baden-Württemberg ist eher der Südwesten betroffen, Risikogebiete sind die Region um Freiburg, das Breisgau und der Hochschwarzwald sowie Emmendingen und Ortenau, während im Osten Baden- Württembergs speziell im Bereich der Schwäbischen Alb kein oder nur ein geringes FSME-Risiko besteht. In Hessen sind nur einige südliche Landkreise und hier vor allem der Odenwald betroffen.

Die Daten beruhen im Wesentlichen auf den Meldungen der behandelnden Ärzte und sind deshalb direkt vom deren Meldeverhalten, aber auch von der Durchimpfungsrate der Bevölkerung abhängig. Eine andere Möglichkeit, konkrete Daten zu erheben, sind Zeckenuntersuchungen, wobei untersucht wird, inwiefern die Tiere virusspezifische RNA enthalten. Das aber ist ein sehr aufwändiges Verfahren.

Als besonders gefährdet für eine FSME gelten Angehörige von Berufsgruppen, die sich häufig in Endemiegebieten aufhalten also beispielsweise Förster, Jäger, Wald- und Landarbeiter. Inzwischen sind diese Personen jedoch zumeist durch eine Impfung vor der Infektion geschützt. Die meisten FSMEFälle betreffen daher mittlerweile Personen, die sich in ihrer Freizeit mit dem Virus infizieren. Es handelt sich vor allem um Menschen, die sich oft in zeckenreichen Gebieten, also primär im Wald, aufhalten.

Eine aktuelle Untersuchung des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg ergab dabei, dass wesentlich mehr Menschen mit FSME infiziert sind, als lange angenommen und dass wesentlich mehr Zecken das Virus in sich tragen, als bislang vermutet. In einigen Regionen ist dabei jede 20. bis 100. Zecke mit dem Virus infiziert.  

Die FSME bedroht dabei nicht nur Erwachsene, sondern in besonderem Maße auch Kinder, da diese sich vermehrt im Freien aufhalten.

Nur bedingte Schutzvorkehrungen

Da eine kausale Behandlung der FSME nicht möglich ist, kommt den Schutzvorkehrungen besondere Bedeutung zu. Hierzu gehören zunächst alle Maßnahmen, mit denen dem Zeckenbiss vorgebeugt wird. Einen gewissen Schutz bietet geschlossene Kleidung, doch ist dieser Schutz leider nicht hundertprozentig. Da Zecken vor allem im Unterholz und an Gräsern sitzen, ist es sinnvoll, die Socken über die Hosenbeine zu ziehen. Auch Insekten abweisende Mittel (Repellents) können einen bedingten Schutz vermitteln.   

Wichtig ist zudem, hohes Gras, Gebüsch und Unterholz so gut es geht zu meiden. Nach einem Aufenthalt in Zeckenbiotopen sollte man sich zudem gründlich nach Zecken absuchen. Denn diese beißen oft nicht sofort, sondern suchen zunächst nach einer geeigneten Körperstelle mit weicher und warmer Haut. Sie können so unter Umständen noch vor dem Biss gefunden und entfernt werden.   

Anders als bei der Lyme-Borreliose, bei der die Erreger sich im Magen-Darm-Trakt der Zecke befinden und durch das frühzeitige Entfernen des Tieres der Infektion vorgebeugt werden kann, ist dies bei der FSME nicht möglich. Denn da das Virus sich in den Speicheldrüsen aufhält, wird es praktisch mit dem Biss der infizierten Schildzecke sofort auf den Wirt, konkret also auf den Menschen übertragen. Speziell beruflich exponierten Personen, aber auch Reisenden in Endemiegebieten, wird wegen der ansonsten nur begrenzt möglichen Schutzvorkehrungen zu einer aktiven Schutzimpfung mit inaktiviertem Virus geraten. Zur Grundimmunisierung sind üblicherweise drei Impfungen im Verlauf von drei bis neun Monaten erforderlich, und nach drei Jahren sollte eine Auffrischimpfung erfolgen. Danach besteht ein 99-prozentiger Impfschutz.

Schutz bietet die vorsorgliche Impfung

Alternativ ist auch ein Kurzzeit-Impfschema zur Grundimmunisierung möglich, beispielsweise, wenn kurzfristig geplante Reisen in Hochrisikogebiete anstehen. Dabei wird die Impfung nach sieben Tagen und nach 21 Tagen wiederholt, wodurch ebenfalls eine hohe Schutzwirkung erzielt werden kann. Mit modernen Impfstoffen können dabei nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und sogar Kleinkinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr wirkungsvoll vor der FSME geschützt werden.

Während der frühen Inkubationsphase ist auch ein passiver Immunschutz mittels eines FSME-Hyperimmunglobulins möglich, allerdings ist die Gefahr von Nebenwirkungen bei diesem Verfahren vergleichsweise hoch. Nicht zugelassen ist diese Form der Impfung bei Kindern unter 14 Jahren.

Andererseits erweist sich die konsequente Impfung in den Hochrisikogebieten als probates Mittel der Prophylaxe. So konnte die Zahl der FSME-Erkrankungen in Österreich in den vergangenen 20 Jahren durch konsequentes Impfen um rund zwei Drittel gesenkt werden. Allerdings liegen die Durchimpfungsraten in Österreich inzwischen auch bei etwa 90 Prozent. Bislang sieht die STIKO (Ständige Impfkommission) eine Indikation zur vorsorglichen FSME-Impfung bei Personen, die sich in FSME-Risikogebieten aufhalten oder die durch FSME beruflich gefährdet sind.

Kommen neue Impfempfehlungen?

Diese Empfehlung wird derzeit überdacht, nachdem Zeckenuntersuchungen sowie Antikörper- Bestimmungen bei nicht geimpften Personen gezeigt haben, dass die infizierten Zecken offensichtlich weiter verbreitet sind, als es bisher den Anschein hatte. So ist sogar davon auszugehen, dass sie möglicherweise in ganz Baden-Württemberg und unter Umständen sogar im gesamten süddeutschen Raum vorkommen.

Es wird deshalb erwogen, die Indikation zur Impfung nicht länger nur am Risikogebiet festzumachen, sondern direkt an der Gefährdung des Menschen. Eine neue Empfehlung könnte deshalb so aussehen, dass die Impfung all jenen angeraten wird, die sich in Süddeutschland aufhalten und in ihrer Freizeit oder beruflich bedingt häufiger Zeckenbiotope aufsuchen.  

Christine VetterMerkenicher Str. 224, 50735 Köln

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