Prophylaxe durch Kuhmilch

Milch immunisierter Kühe verhindert die Wiederbesiedlung mit S. mutans

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Heftarchiv Zahnmedizin
Ein möglicher neuer Weg der Kariesprophylaxe wird beschrieben mit Milch von Kühen, die nach Immunisierung Antikörper gegen Streptococcus mutans entwickeln. Bei jungen Erwachsenen hemmt diese Milch die Besiedlung von Speichel und Plaque mit dem Bakterium.

Ein entscheidender Faktor für die Pathogenese der Zahnkaries ist die Haftfähigkeit von Streptococcus mutans an der Zahnoberfläche. Sie ist abhängig von der Aktivität der Glucosyltransferasen (GTFs) als Katalysatoren für die Synthese klebriger, wasserunlöslicher ß-Glucane und von der Bindung eines mikrobiellen Protein-Antigens (PAc) an Speichelinhaltsstoffe. Wenn es gelänge, beide Substanzgruppen, GTFs und PAc, gleichzeitig zu inaktivieren, könnte die Kariesprophylaxe möglicherweise ein gutes Stück weitergebracht werden.

Auf dem Weg zu diesem Ziel entwickelten die Autoren der vorliegenden Arbeit aus der alaninreichen Determinante von PAc (PAcA) und dem Substratbindungsbereich des GTFMoleküls (Glucan-binding domain = GB) ein neues, synthetisches Protein (PAcA-GB), mit dem sie trächtige Kühe immunisieren [Yu, H. et al.: Effects of antibodies against cell surface protein antigen PAc-glucosyltransferase fusion proteins on glucan synthesis and cell adhesion of Streptococcus mutans. Infect. Immun., 65 (1997) 2292-2298]. Im Laborversuch mit speichel-überzogenen Hydroxyapatitperlen zeigten die isolierten Antikörper dieser Milch eine Hemmwirkung sowohl auf die Adhäsion von S. mutans als auch auf die Aktivität der GTF.

Ein Schluck Milch ...

Die vorliegende Arbeit beschreibt eine Studie, die den Einfluss der Milch immunisierter Kühe auf die Besiedlung von Speichel und Plaque mit S. mutans unter In-vivo-Bedingungen untersucht. Testpersonen (TP) sind acht gesunde, junge Erwachsene (fünf weibliche, drei männliche; 20 bis 25 Jahre, randomisiert aufgeteilt in zwei Gruppen). Mit Ausgangswerten von >5 x 105 CFU S. mutans/ ml Speichel. Der prozentuale Anteil von S. mutans an den Gesamtstreptokokken in der Mundhöhle und der DMFT-Status sind vergleichbar, keine der TP weist klinisch erkennbare kariöse Läsionen auf. Die Testgruppe (n = 4) erhält pasteurisierte Milch immunisierter Kühe, die Kontrollgruppe (n = 4) Milch von nicht-immunisierten Kühen der gleichen Zucht. In der immunisierten Milch liegen die Antikörper gegen PAc zirka 130fach, die gegen GTF zirka zehnfach höher als in der Kontrollmilch (bestimmt mit enzyme-linked immunosorbent assay = ELISA).

In einer zweiwöchigen Vor-Studien-Periode, in der die TP angehalten werden, keine Änderungen ihres Ernährungsverhaltens und ihrer Mundhygiene vorzunehmen, werden jeweils drei Plaque- und Speichelproben entnommen zur Bestimmung des mikrobiologischen Ausgangswertes (S. mutans und Gesamtstreptokokken). Weitere Proben folgen vor Beginn des Tests sowie nach sieben, 14, 28, 42 und 70 Tagen.

Zur Minimierung der Mundflora beginnt die Studie mit einer professionellen, mechanischen Zahnreinigung mit nachfolgender Gabe von zehn Millilitern einprozentiger Cetylpyridinchloridlösung für fünf Minuten und Zahnspülung mit zehn Millilitern einer 0,2-prozentigen Lösung morgens und abends nach dem Zähneputzen. Die Maßnahmen werden an fünf aufeinander folgenden Tagen wiederholt. Danach folgt der eigentliche Test: Während 14 Tagen wird nach der Zahnreinigung morgens und abends jeweils eine Mundspülung durchgeführt mit zehn Millilitern Milch für eine Minute; eine Stunde nach der Maßnahme darf nichts gegessen oder getrunken werden. Danach kehren die TP zur gewohnten Mundhygiene und Ernährung zurück.

Nach der Reinigung liegt S. mutans in Speichel und Plaque bei zirka ein Prozent der Ausgangswerte; mit Beginn der Mundspülungen mit Milch steigt die Zahl kontinuierlich an, in der Testgruppe signifikant langsamer als in der Kontrollgruppe. Bis zum Ende der Messperiode (70 Tage) bleibt S. mutans in Speichel und Plaque unter dem Ausgangswert und weit unter dem jeweiligen Gehalt in der Kontrollgruppe. Dort wird der Ausgangswert bereits nach 14 Tagen wieder erreicht; er steigt rasch weiter an, bis zum Ende der Messperiode um das zehn bis 50fache. Die Autoren diskutieren als mögliche Ursache Substanzen, die von Natur aus in Milch vorkommen und das Wachstum von S. mutans anregen. Wegen der Vorgabe, nach der Behandlung nichts zu essen oder zu trinken, verbleiben sie vergleichsweise lange in der Mundhöhle.

S. mutans reagiert empfindlicher auf die Reinigungsmaßnahmen als andere Streptokokken; der Anteil an der Gesamtpopulation sinkt in Speichel und Plaque deutlich ab. Im Speichel, in der Testgruppe auch in der Plaque, hält der Trend während der ersten sieben Tage der Milchspülung noch an; dann steigt der prozentuale S. mutans-Anteil wieder an, in der Testgruppe bis zum Ende der Messperiode zum Ausgangswert, in der Kontrollgruppe weit darüber hinaus.

... zur Kariesprophylaxe

Die Ergebnisse der Studie bestätigen die In-vitro-Befunde und Untersuchungen anderer Autoren zur passiven Immunisierung gegen Karies. Der Gehalt an S. mutans in der Mundhöhle bleibt nach der Immunisierung noch mindestens ein bis zwei Monate weit unter dem Ausgangswert. Die Autoren sehen in der Milch immunisierter Kühe ein geeignetes Mittel zur Eindämmung der Karies bei bereits infizierten Personen und zur Verhinderung einer Erstinfektion von Säuglingen.

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