Titandioxid darf nicht mehr als karzinogen bezeichnet werden
Der EuGH kippt damit die bestehende Einstufung des Weißpigments als karzinogen, also als krebserzeugend oder krebsfördernd. Der zuständige Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) in der Europäischen Union (EU) habe zuvor nicht alle für die Bewertung des Stoffes relevanten Aspekte berücksichtigt, heißt es in der Begründung. Seit Jahren streiten Hersteller mit der EU darüber, ob das weiße Pulver, das unter anderem in Farben, Arzneimitteln, Lebensmitteln und Spielzeug als Weißmacher Verwendung findet, krebserregend wirken kann.
2016 hatte die französische Nationale Agentur für Lebensmittelsicherheit, Umweltsicherheit und Arbeitsschutz der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) den Vorschlag vorgelegt, Titandioxid im Zusammenhang mit einem möglichen Einatmen als karzinogenen Stoff einzustufen. Ein Jahr später erteilte der Ausschuss für Risikobeurteilung der ECHA seine Zustimmung zur Einstufung als krebserregend. Auf dieser Grundlage erließ die EU-Kommission 2019 eine Verordnung zur Einstufung und Kennzeichnung von Titandioxid. Darin stellte sie fest, „dass es sich um einen Stoff handelt, bei dem der Verdacht auf karzinogene Wirkung beim Menschen bestehe, wenn er in Pulverform mit mindestens 1 Prozent Partikel mit aerodynamischem Durchmesser von höchstens 10 μm eingeatmet werde“.
Studie zur Einschätzung war offenbar fehlerhaft
Verschiedene Hersteller, Importeure, nachgeschaltete Anwender und Lieferanten von Titandioxid fochten die Einstufung/Kennzeichnung vor dem EuGH an. Mit Erfolg: Der EuGH erklärt die strittige Einstufung und Kennzeichnung nun für nichtig und bestätigt damit ein Urteil der untergeordneten Instanz. Diese war zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Beurteilung der Anerkennung und der Zuverlässigkeit einer wissenschaftlichen Studie (auf die sich die Einstufung von Titandioxid-Pulver stützte) offensichtlich ein Fehler begangen wurde.
Mit der Verordnung der EU-Kommission aus dem Jahr 2019 war Titandioxid zwar nicht verboten worden, musste aber mit einem Warnhinweis gekennzeichnet werden. Die Verwendung in Lebensmitteln ist jedoch seit 2022 verboten, da der Stoff beim Verzehr negativen Einfluss auf das menschliche Erbgut haben könne und Krebsrisiken daher nicht ausgeschlossen werden könnten.
Europäischer Gerichtshof
Az.: C-71/23P
Urteil vom 1. August 2025