Forscher erproben Impfung via Zahnseide
„In unserer Proof-of-Concept-Studie haben wir gezeigt, dass verschiedene Arten von Impfstoffen – Proteine, inaktivierte Viren, Nanopartikel-konjugierte Peptide und mRNA – auf Zahnseide aufgetragen werden können und bei Mäusen effektiv an die Zielstelle gelangen“, schreibt Hauptautor Rohan Ingrole von der Texas Tech University anlässlich der Veröffentlichung der Studie im Fachmagazin „Nature Biomedical Engineering“ auf LinkedIn. Die Mäuse hätten eine starke systemische und mukosale Antikörperreaktion aufgezeigt, fügt der Chemieingenieur hinzu: „Insbesondere Mäuse, die mit einem auf Zahnseide aufgebrachten Influenza-Impfstoff geimpft wurden, zeigten robuste Antikörperreaktionen und waren vor einer tödlichen Influenza-Virusinfektion geschützt.“
Applikation über das Saumepithel wirkt besser als der „Goldstandard“...
Schleimhautoberflächen seien eine Eintrittspforte für viele Krankheitserreger, betont Co-Autor Harvinder Singh Gill, Professor für chemische und biomolekulare Technik an der North Carolina State University (NC State University). „Wird ein Impfstoff jedoch per Injektion verabreicht, bilden sich Antikörper hauptsächlich im Blutkreislauf des Körpers. Auf den Schleimhautoberflächen passiert das nur in geringem Maße“, erklärt er im Interview mit der NC State University. Zusätzliche Antikörperabwehr ließe sich jedoch erreichen, wenn Impfstoffe über die Schleimhautoberfläche gegeben würden.
Das Saumepithel bietet hier laut den US-Forschern besonders gute Möglichkeiten, da es durchlässiger ist als andere Epithelgewebe. Um ihre These zu beweisen, trugen sie den Impfstoff auf ungewachste Zahnseide auf und wendeten sie bei Labormäusen an. Dabei verglichen sie die Antikörperproduktion bei Mäusen, die einen Peptid-Grippeimpfstoff über die Zahnseide, das Nasenepithel oder die Zungenschleimhaut erhielten. „Wir haben festgestellt, dass die Applikation des Impfstoffs über das Saumepithel eine weitaus bessere Antikörperreaktion auf den Schleimhautoberflächen hervorruft als der derzeitige Goldstandard für die Impfung über die Mundhöhle, bei dem der Impfstoff unter die Zunge gelegt wird“, fasst Ingrole die Ergebnisse zusammen.
...und ist offenbar weniger riskant als die nasale Gabe
Die meisten Impfstoffformulierungen könnten nicht über das Nasenepithel verabreicht werden, da die Barriereeigenschaften dieser Schleimhautoberfläche eine effiziente Aufnahme des Impfstoffs verhinderten, führt Gill gegenüber der NC State University aus. „Bei der intranasalen Verabreichung besteht außerdem die Gefahr, dass der Impfstoff ins Gehirn gelangt, was zu Sicherheitsbedenken führen kann.“
Die US-Wissenschaftler prüften in weiteren Versuchen, ob Zahnseide als Träger für drei andere bekannte Impfstoffklassen funktioniert: Proteine, inaktivierte Viren und mRNA. Laut der Studie führte die Verabreichungsmethode in allen Fällen zu robusten Antikörperreaktionen in der Blutbahn und auf der Schleimhautoberfläche.
Funktioniert das auch bei Menschen?
Um diese Frage zu beantworten, beschichteten die Wissenschaftler Zahnseide-Sticks mit fluoreszierendem Lebensmittelfarbstoff und testeten mithilfe von 27 Probandinnen und Probanden, ob sie den Lebensmittelfarbstoff in ihre Epithelien einbringen konnten. Das Ergebnis fasst Ingrole so zusammen: „Wir fanden heraus, dass etwa 60 Prozent des Farbstoffs in der Zahnfleischtasche deponiert wurde, was darauf hindeutet, dass Zahnseide eine praktische Methode zur Verabreichung des Impfstoffs sein könnte.“ Anschließende klinische Studien sollen hier weitere Erkenntnisse bringen.
Zu klären sei auch, so Co-Autor Gill, wie oder ob diese Impfmethode bei Menschen mit Zahnfleischerkrankungen oder anderen oralen Infektionen funktionieren würde.
Rohan S. J. Ingrole, Akhilesh Kumar Shakya, Gaurav Joshi, Chang Hyun Lee, Lazar D. Nesovic, Richard W. Compans, Harvinder Singh Gill. Floss-based vaccination targets the gingival sulcus for mucosal and systemic immunization, Nature Biomedical Engineering, 2025; DOI: 10.1038/s41551-025-01451-3