GKV-Leistungsausschluss von Zahnersatz

Gutachten bestätigt Rechtmäßigkeit

Die überparteiliche Kommission zur Gesundheitsreform sieht die Herausnahme des Zahnersatzes aus dem GKV-Leistungskatalog ab 2005 vor. Trotz diverser Diskussion ein auch nach bisherigem Leistungsrecht der GKV rechtlich zulässiger Schritt, wie ein gemeinsam von KZBV, BZÄK und FVDZ in Auftrag gegebenes Gutachten des renommierten Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Helge Sodan (FU Berlin) erneut bestätigt.

Selten schlugen in der deutschen Gesundheitspolitik die Wogen so hoch wie nach Bekanntgabe des Eckpunktepapiers, das von der überparteilichen Kommission aus SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP über weitere Einsparmaßnahmen im Bereich der gesetzichen Krankenversicherung erarbeitet wurde. Auch wenn der BMGS-Entwurf eines „Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes“ zwischenzeitlich auf Eis gelegt wurde, herrschte zwischen den Parteien Einverständnis, dass zur wirksamen Entlastung der Beitragssätze insgesamt ein Einsparvolumen von über 20 Milliarden Euro erzielt werden sollte. Grundsätzlich einig waren sich die Kommissionsmitglieder auch, dass ein Einsparvolumen dieser Größenordnung nur erreicht werden kann, wenn auch spürbare Einschnitte im Leistungsbereich der GKV unternommen werden.

Aufgrund entsprechender Anträge der CDU/CSU-Fraktion und der F.D.P.-Fraktion im Deutschen Bundestag stand dabei insbesondere auch der Bereich des Zahnersatzes zur Disposition. Entsprechend einer langjährigen Forderung der Zahnärzteschaft soll, so das Ergebnis der Verhandlungen, ab 2005 die Einführung eines befundorientierten Festzuschusssystems mit der Option auf Kostenerstattung sowie eine zusätzliche Pflichtversicherung in- oder außerhalb der GKV eingeführt werden.

Wie immer hat der Gesetzgeber bei solchen Reformvorhaben allerdings verfassungsrechtliche Grenzen zu beachten. Diese sind allerdings auch bei der Ausgestaltung von Sozialversicherungssystemen weit gezogen. Das hat erneut ein verfassungsrechtliches Gutachten von Prof. Dr. Helge Sodan am Beispiel der aktuellen Diskussion über die Ausgliederung des Zahnersatzes aus dem Leistungskatalog der GKV verdeutlicht. Prof. Sodan geht in seinem Gutachten insbesondere auf einen möglicherweise verfassungswidrigen Eingriff in Grundrechte der Versicherten auf Leben und körperliche Unversehrtheit, in deren Eigentumsfreiheit sowie in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Lichte des Sozial- und Rechtsstaatsprinzips ein.

Eine Rückführung der Leistungen ist zulässig

Unter umfassender Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der diesbezüglichen Literaturstimmen arbeitet Sodan heraus, dass die genannten Grundrechte den Gesetzgeber nicht daran hindern, das geltende Sozialsystem in der Bundesrepublik an veränderte Verhältnisse anzupassen. Dies beinhaltet grundsätzlich auch die Möglichkeit, den in den letzten Jahren ständig ausgeweiteten Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen wieder zu reduzieren.

Laut Gutachten ist es zumindest auch sehr zweifelhaft, ob eine solche Ausgliederung der Versorgung mit Zahnersatz aus dem Leistungskatalog zu einer sogenannten „unechten Rückwirkung“ führen würde, was gegebenenfalls Übergangsregelungen für die bereits jetzt GKV-Versicherten erforderlich machen könnte. Selbst unter dieser Voraussetzung, erläutert Sodan, würde dem dann erforderlichen Vertrauensschutz nach dem Ergebnis des Gutachtens durch die zur Zeit diskutierte Einführung einer privaten Versicherungspflicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen werden. Angesichts des hohen Ranges, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zukommt, würden etwaige Bestandsinteressen der Versicherten diese Zielsetzungen des Gesetzgebers danach eindeutig nicht überwiegen.

Im Zusammenhang mit der Einführung einer privaten Pflichtversicherung wären auch weitgehende Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit der privaten Versicherungsunternehmen verfassungsrechtlich zulässig. Dies betrifft nach dem Ergebnis des Gutachtens unter anderem die Einführung eines Kontrahierungszwanges, die Festlegung eines bestimmten Mindestversicherungsschutzes, den Verzicht auf eine vorherige Risikoprüfung sowie die Prämienfreiheit für Kinder und Prämienvergünstigungen etwa für die nicht- oder nur geringfügig verdienenden Ehegatten.

Bereits kompetenzrechtlich zweifelhaft wäre danach lediglich ein gesetzlich geregelter einheitlicher Versicherungsbeitrag. Ein auch innerhalb einer privatrechtlichen Versicherung grundsätzlich zulässiger sozialer Ausgleich könnte jedoch durch eine Begrenzung der Beiträge auf einen zumutbaren Höchstsatz erreicht werden.

Die Umsetzung der Eckpunkte in einen Gesetzesentwurf zur Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung wird zeigen, ob die Sozialpolitik in der Lage ist, den ihr verfassungsrechtlich eingeräumten Regelungsspielraum auch tatsächlich zu nutzen.

Dr. Thomas MuschallikJustitiar der KZBVUniversitätsstraße 7350931 Köln

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.