Gastkommentar

Ideologisch überfrachtet

Die Ideen für Gesundheitsreformen sprießen allüberall im Lande. Jeder, der etwas – politisch – auf sich hält, macht Vorschläge zu Hauf. Allerdings oft mit einem Nachteil: Die Reformideen sind aus der jetzigen politischen Situation geboren, manchmal von Ideologie überfrachtet und meist auch untauglich für eine langfristige Sanierung des deutschen Gesundheitswesens.

Rainer Vollmer
Gesundheitspolitischer Fachkorrespondent Berlin

Nach den Auseinandersetzungen der letzten Monate um die diesjährige Gesundheitsreform beginnen sich nun Konturen abzuzeichnen. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat den Anfang gemacht und legte ihren „3. Rohentwurf eines Gesundheitsstrukturmodernisierungsgesetzes (GMG)“ vor. Das allerdings muss noch ausgefüllt werden mit den finanzstrukturellen Vorstellungen der Rürup-Kommission, die überraschend hörte, dass die ihr anfänglich zugebilligte Beratungszeit von einem halben Jahr auf drei Monate bis April verkürzt wurde. Die Bundestagsfraktion der Union steht bereit, nach Vorlage eines echten Gesetzentwurfs in Verhandlungen mit Regierungsvertretern einzutreten. Denn: Nur ein gemeinsam erstellter Gesetzentwurf hat Chancen, den Bundesrat zu passieren. Fast alle neuen Bestimmungen einer Gesundheitsreform sind zustimmungspflichtig.

Über eins ist man sich einig: Die Lohnnebenkosten sollen auf höchstens 40 Prozent sinken, die GKV-Beitragssätze somit auf rund 13 Prozent. Das aber schafft die Politik nur, wenn sie mehr Finanzvolumen in die GKV presst – für die ohnehin finanziell malträtierte Bevölkerung Grund zur unsäglichen Wut auf diese Regierung.

Oder es muss ein massiver Ausgabenblock aus dem GKV-Leistungskatalog herausgenommen, das Risiko privatisiert werden. Und da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die privaten Unfälle (vom Ski- bis zum Hausputz-Unfall) oder aber die gesamte Zahnmedizin. Beide Leistungsblöcke dürften rund elf Milliarden Euro an Entlastung für die Kassen ausmachen. Nicht für den Bürger, der muss sich durch private Zusatzversicherungen absichern.

Ein Vertreter der Rürup-Kommission hat sich auf die Herausnahme der Zahnmedizin festgelegt; danach die Grünen, dann die CDU. Von der CSU darf angenommen werden, dass sie sich nach der Bayern-Landtagswahl am 21. September ebenfalls der Forderung anschließt. Das wiederum hat Kanzlerberater Rürup und die von den Traditionalisten der SPD gejagte Ministerin Schmidt auf den Plan gerufen. Die lehnen eine Privatisierung der zahnmedizinischen Versorgung ab. Der Vorschlag kommt nicht aus ihren Reihen. Sie plädieren für das „Unfall-Paket“, übersehen dabei allerdings – bewusst oder unbewusst: Die Abgrenzung bei Unfällen ist fast nicht möglich; es wird zu einem Hasardspiel der Versicherten führen, ihre Unfälle zu verschleiern. Und es werden unterschiedlichste Tarife unterschiedlichster Versicherungsunternehmen aus alle Branchen hinzugezogen.

Klarer, abgrenzbarer ist es, die zahnmedizinische Versorgung in die Eigenverantwortung des Versicherten zu legen. Dazu hat die private Krankenversicherung als einzig Betroffene bereits Rechnungen angestellt. Das Ergebnis: Eine Prämie wird durchschnittlich 20 bis 25 Euro im Monat je Versicherten kosten. Allerdings: Diese Prämien sind nur zu halten, wenn die Behandlungskosten sich im Rahmen der jetzigen Gebührenordnung für GKV-Versicherte bewegen. Das bedeutet, dass ein Rückgriff auf die GOZ für Private höhere Prämien verursacht. Oder man einigt sich auf Festbeträge für die Behandlung.

Geflissentlich übersehen wird, dass in dem Gesetzentwurf zwei weitere Paragraphen zu finden sind, die für Zahnärzte bedeutungsvoll sein können und auch von der Opposition gestützt werden dürften: Freiwillig Versicherte sollen sich im Rahmen einer Kostenerstattung im Ausland behandeln lassen können. Und: Krankenkassen können mit Leistungserbringern im Ausland Behandlungsverträge abschließen.

Vor allem die zweite Festlegung muss stark beachtet werden. Denn den Kassen wird erlaubt, in den Wettbewerb deutscher Leistungserbringer (sprich Zahnärzte und Dentallabors) einzugreifen. Das aber würde den Wettbewerb auf den Kopf stellen.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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