Spätfolgen operativer Eingriffe an der Kieferhöhle

Okklusionszyste der Restkieferhöhle nach totaler Oberkiefer-Resektion

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Kasuistik

Es handelte sich um einen 67-jährigen Patienten, bei dem vor 24 Jahren ein ausgedehntes Oberkieferkarzinom reseziert worden war. Nach kompletter Maxillektomie (Abbildung 1) waren die durch die Resektion eröffneten Nasennebenhöhlen sekundär epithelisiert und über annähernd zweieinhalb Jahrzehnte symptomlos geblieben. Nach zehnjähriger regelmäßiger Tumornachsorge stellte sich der Patient nun in langem Abstand zur letzten Untersuchung wegen einer das rechte Jochbeinmassiv destruierenden, die Infraorbitalregion vorwölbenden Raumforderung vor. Die Progression des Befundes mit Verdrängung des rechten Bulbus oculi nach cranial war für den Patienten durch Doppelbildsehen erkennbar geworden. Die MRT-Diagnostik zeigte eine ausgedehnte, den Jochbeinkörper durchsetzende, homogene und scharf begrenzte Raumforderung, die den Infraorbitalrand und Orbitaboden subtotal verbraucht hatte (Abbildung 2 a und b). Unter der Verdachtsdiagnose einer Okklusionszyste wurde der Befund zunächst zur Entlastung und bioptischen Diagnosesicherung von enoral inzidiert, biopsiert und eine Drainage eingebracht.

Die definitive Therapie erfolgte über einen subziliaren Zugang. Abbildung 3 a zeigt die Vorwölbung des Befundes nach infraorbital mit weitgehender Auflösung der caudalen knöchernen Orbitabegrenzungen, Abbildung 3b den Situs nach Ausräumen der Occlusionszyste. In der Resthöhle ist jetzt die nach enoral ableitende Drainage erkennbar. Die Periorbita und eine caudale fibröse Narbenzone waren jeweils als Schichten erhalten geblieben. Die Rekonstruktion des Orbitabodens erfolgte daher mit einer PDSSchale, die auf einen medialen und lateralen Knochenanteil aufgelagert werden konnte. Da der Patient ausbestrahlt war, wurde auf eine Spongiosaplastik zur Okklusion des Lumens verzichtet und eine sekundäre Auffüllung durch Granulationsgewebe unter Erhalt der enoralen Drainage abgewartet.

Diskussion

Okklusionsphänomene der Nasennebenhöhlen stellen eine seltene, aber recht typische Spätkomplikation operativer Eingriffe an pneumatisierten Räumen des Gesichtsschädels dar. Die diagnostische Schwierigkeit dieser Befunde liegt in der außerordentlich langen Latenz zum Ersteingriff, und der klinisch oft sehr unspezifischen Symptomatik. Da nicht selten mehr als 20 Jahre bis zu einer Manifestation von Beschwerden vergehen, wird häufig erst die Folgegeneration von Chirurgen mit diesem Phänomen konfrontiert.

Während im vorliegenden Fall durch die infraorbitale Vorwölbung und die Diplopie konkrete Hinweise auf eine Raumforderung zu einer umgehenden bildgebenden Diagnostik führten, liegen häufig nur subjektive Angaben über unklare Schmerz- undMissempfindungen des Patienten ohne klinisch objektivierbare Befunde vor. Da es sich immer um voroperierte Patienten, meist nach radikalen Kieferhöhlenoperationen oder Mittelgesichtsfrakturen, handelt, werden die Beschwerden häufig als unspezifische Narbenschmerzen verkannt. Auch die konventionelle Röntgendarstellung in Form der Nasennebenhöhlenaufnahme führt nicht immer zu einer eindeutigen Diagnose, so dass bei neu aufgetretenen unklaren Beschwerden in langem zeitlichen Abstand zu Verletzungen oder Voroperationen an den Nasennebenhöhlen eine CT oder MRT-Bildgebung sinnvoll erscheint. In der klinischen Realität führt oft erst die akute Infektion der Okklusionszyste zur chirurgischen Intervention mit intraoperativer Verifizierung des Befundes.

PD Dr. Dr. Martin KunkelPD Dr. Dr. Torsten E. ReichertKlinik für Mund-, Kiefer- und GesichtschirurgieJohannes-Gutenberg-UniversitätAugustusplatz 255131 Mainz

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