Leitartikel

Auf der Stelle gehopst \r

Heftarchiv Meinung

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Hinterlassenschaft der Rürup-Kommission war ein erkennbar schwächelndes „Y“. Dessen nach oben auseinander klaffende Schere aus Lauterbach- und Rürupschen Visionen wird der schmale, aus kurzfristigem Einspar-Patchwork zusammengesetzte Stamm sicher nicht tragen können. Wieder einmal stellen wir fest: Außer zirka einer Million Euro an Spesen weiter nichts gewesen. Das musste so kommen. Die illustre Genese der anfänglich sogar als „Hartz II“ gefeierten Kommission – wer war noch mal Hartz? – macht spätestens jetzt deutlich, dass Rürups bunt gemischter Haufen der Mehroder Minder-Experten nur dazu diente, allen, die eine ehrliche Reform erhoffen, nicht das „Y“, sondern das berühmte „X für ein U“ vorzumachen. Das ungewünschte Gedeihen sachverständiger Ideen wurde zu Gunsten kurzsichtiger Erhaltungsstrategien wieder einmal erfolgreich verhindert.  

Also kein mutiger Sprung nach vorn. Stattdessen verhedderte man sich lieber in den von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt gezogenen Fäden – oder besser Stolperdrähten. So reichte es dann nur zu einem eitlen Hüpfen auf der Stelle für die Schlagzeilen in den Medien. Die Rürup- Kommission – eine gesundheitspolitische Hüpfburg. In Berlin sucht man derweil an allen Ecken nach Einsparpotentialen. Dennoch: Selbst wenn – oder gerade weil – zurzeit vieles zu Bruch geht, deutet die Stimmung immer mehr Richtung Auf- oder Umbruch: Jenseits der Regierungskoalition muss selbst die FDP erstaunt feststellen, dass Sie von der CDU/ CSU in ihren Vorstellungen auf allen Seiten überholt wird. Während sich die SPD-Spitze in Sachen Sozialpolitik intensiv Gedanken um den Rückhalt in der eigenen Partei macht, wartet man in der frisch auf Vordermann gebrachten Reformschmiede der Opposition auf geeignete Werkstücke. Die sollen von der Regierung als Vorschlag für einen konkreten Gesetzesentwurf kommen. Man braucht eben mehr als nur heiße Luft.  

Ob die SPD-Vorschläge, so sie dezidiert kommen, überhaupt Gegenstand einer parlamentarischen Kompromisslösung sein können, steht aber noch in den Sternen. Immerhin haben CDU/CSU – die FDP ohnehin – recht konkrete Vorstellungen, darunter auch solche, die das Konstrukt der zahnärztlichen Versorgung in Deutschland auf ganz andere Fundamente stellen könnten. Ob Ausgliederung von Zahnersatz oder der gesamten zahnmedizinischen Versorgung aus der GKV – beides wird ja von der CDU/CSU geprüft. 

Wir dürfen und werden in diesen politisch motivierten Diskussionen mit unserem fachspezifischen Sachverstand nicht außen vor bleiben. Wir müssen dem immer mehr Richtung purer Ökonomie abdriftenden Ansatz der Gesundheitsreformbemühungen etwas entgegensetzen, was die Interessen von uns Zahnärzten und unseren Patienten berücksichtigt. Ich sehe es als unsere Pflicht, das Prinzip der befundorientierten Festzuschüsse so lange zu erklären oder – wie jetzt auf dem Tübinger Forum „Gesundheitspolitik nach der Bundestagswahl“ geschehen – so dezidiert an ausgearbeiteten Einzelbeispielen vorzurechnen, bis auch der letzte Verantwortliche begreift, wo hier die Chancen für alle Beteiligten liegen.  

Die Voraussetzungen, dass man uns zuhört, waren noch nie so gut wie heute. Die Zahnärzteschaft hat sich in der gesundheitspolitischen Diskussion inzwischen ein Standing erarbeitet, das noch vor einem Jahrzehnt in dieser Form unvorstellbar war. Unser Sachverstand ist gefragt. Trotzdem sind wir auch in dieser so genannten Gesundheitsreform nicht Herr des Verfahrens. Wir müssen den politischen Prozess intensiv begleiten, zur richtigen Zeit die richtigen Stichworte einbringen. Wir müssen – wie bei der Neufassung des Bema – unsere gesetzgeberisch auferlegten Pflichten im Sinne von Zahnärzteschaft und Patienten erfüllen und das im vorgegebenen Rahmen Bestmögliche erreichen. Aber wir müssen auch klar machen, wo die jeweils von der Politik avisierten Wege wirklich enden. Begibt sich die Politik tatsächlich auf den gesundheitspolitischen Holzweg, werden wir mit Sicherheit nicht diejenigen sein, die hinterherlaufen.

Mit kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzAmtierender Vorsitzender der KZBV

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