Das Gesundheitswesen als Beschäftigungsmotor

Mehr Jobs als in der Autoindustrie

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Das Gesundheitswesen ist einer der größten Arbeitgeber Deutschlands. Von Krankenschwestern und Hebammen über Physiotherapeuten und Augenoptiker bis hin zu Zahnärzten und Ärzten – fast fünf Prozent aller berufstätigen Deutschen arbeiten für die Gesundheit. Beeindruckende Zahlen, welche aber von Seiten der Politik oft nicht richtig wahrgenommen werden. Dabei macht ein Blick auf die Statistik klar, dass das Gesundheitswesen nicht nur eine echte Jobmaschine ist – sondern auch, dass von einer „Kostenexplosion“ keine Rede sein kann.

Zuerst die Fakten. Im Jahr 2000, so die aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes, waren 4,1 Million Menschen im Gesundheitswesen beschäftigt. Damit war etwa jeder neunte deutsche Arbeitnehmer in diesem Sektor tätig – 71 Prozent waren Frauen. Mit 2,1 Millionen Beschäftigten stellten die Gesundheitsdienstberufe die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen dar. Zu ihnen zählen Zahnärzte und Ärzte, Krankenpfleger, Physiotherapeuten und medizinischtechnische Assistenten. Rund sechs Prozent der Beschäftigten übten soziale Berufe – etwa Altenpflegerin oder Heilpädagogin – aus. Eine weitere viertel Million Gesundheitsberufler war in medizinhandwerklichen Bereichen oder anderen Fachberufen tätig.

Wichtigste Einrichtungen

Die beschäftigungsmäßig wichtigsten Einrichtungen in der deutschen Gesundheitsversorgung, so das Statistische Bundesamt, waren und sind die ambulanten beziehungsweise stationären und teilstationären Einrichtungen. Hier waren im Untersuchungszeitraum 83 Prozent des Gesundheitspersonals beschäftigt – jeweils rund 1,7 Million Menschen.

Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes war im Vergleich zum Jahr 1998 in allen Einrichtungen – außer im Gesundheitsschutz und in den ambulanten Einrichtungen – mehr Personal beschäftigt. In den stationären und teilstationären Einrichtungen war der Anstieg mit 1,3 Prozent am höchsten; im ambulanten Bereich verringerte sich das Personal hingegen um 2,7 Prozent – das sind rund 48 000 Beschäftigte.

Mehr als zwei Drittel aller Beschäftigten arbeitete im Jahr 2000 Vollzeit. Acht Prozent galten als geringfügig beschäftigt, der Rest war teilzeitbeschäftigt. Im Vergleich zur Gesamtwirtschaft unterscheiden sich diese Zahlen insofern, als dass der Anteil der Teilzeitkräfte im Gesundheitswesen um gut zehn Prozentpunkte höher liegt. Mit ein wenig Mathematik errechnete das Statistische Bundesamt, dass die 4,1 Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen einer Zahl von 3,3 Millionen Vollzeitbeschäftigten entsprechen.

„Das Gesundheitswesen ist eine Jobmaschine, die in allen Regionen des Landes die Wirtschaft stützt.“ So reagierte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Manfred Richter-Reichhelm, im vergangenen Sommer auf ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, das die „Wirtschaftlichen Aspekte der Märkte für Gesundheitsdienstleistungen“ untersucht hatte. Seit den 70er Jahren, so ein wesentliches Ergebnis der Studie, ist die Beschäftigung im Gesundheitssektor erheblich gewachsen – auf annähernd fünf Prozent der Gesamtbeschäftigung. Eine ebenso wichtige Feststellung des Gutachtens: Obwohl die Einkommen in den Gesundheitsberufen gestiegen seien, könne nicht von einer „Kostenexplosion“ im Gesundheitswesen die Rede sein. Eine Beobachtung, die vom Vorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Berlin, Dr. Jörg-Peter Husemann, unterstrichen wird. Er macht sich dafür stark, dass die „Jobmaschine Gesundheitswesen“ von der Politik stärker wahrgenommen wird. Der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttosozialprodukt, so Husemann, sei von 1980 bis 2000 fast konstant geblieben. Er sei in dieser Zeit lediglich von 5,84 Prozent auf 6,22 Prozent gestiegen – und das, obwohl gleichzeitig der gesamte medizinische Fortschritt und die demographische Entwicklung mitfinanziert worden seien.

Die ambulant tätigen Ärzte, so der Kommentar der KBV, stünden in Sachen Arbeitsplätze „längst auf einer Stufe mit der Automobilindustrie“ – rund eine Million Menschen arbeiten hier. Niedergelassene Mediziner seien „erstklassige Garanten“ für den Zuwachs an Arbeitsplätzen, die Zahl der sozialversicherten Jobs in den Praxen steige kontinuierlich.

An einem Punkt, so die KBV, würde dieser Zuwachs besonders deutlich: Die Anzahl der Arzthelferinnen habe sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten von zirka 200 000 auf rund 500 000 mehr als verdoppelt. „Hier zeigt sich deutlich, dass die Ärzte trotz der problematischen wirtschaftlichen Lage nicht am falschen Ende sparen“, so Richter-Reichhelm. „Das Wohl der Patienten steht an erster Stelle und wir gewährleisten eine gute Betreuung.“ Zudem nähmen niedergelassene Ärzte auch in der Ausbildung von Nachwuchskräften „eine Vorbildrolle“ ein und „scheuen keine hohen Kosten“. Die Ausbildung einer Arzthelferin koste fast 10 000 Euro im Jahr – Ärzte geben im Vergleich mit anderen Branchen am meisten für ihre Azubis aus.

Richter-Reichhelm betonte mehrfach den hohen Stellenwert des Gesundheitswesens auf dem Arbeitsmarkt – gerade in strukturschwachen Gebieten. Und er forderte: „Verantwortungsvolle Politiker dürfen diese Jobmaschine nicht abwürgen.“ Das Bild des „verreckenden“ Motors wurde auch von Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer gewählt. Ein „starres Festhalten am Dogma stabiler Beiträge“ in der Gesetzlichen Krankenversicherung würde genau diese Gefahr bergen.

Apropos Motor. Den Vergleich mit der Automobilindustrie zieht auch der Berliner KZV-Vorsitzende Husemann: „Allein in den deutschen Zahnarztpraxen gibt es mehr Arbeitsplätze als bei BMW, Audi und Viag zusammen.“

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