Hauptversammlung des Hartmannbundes

Alternative zur Bürgerversicherung

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Auf seiner jüngsten Hauptversammlung am 17./18. Oktober in Baden-Baden hat der Hartmannbund (HB, Verband der Ärzte Deutschlands e.V.) die Bürgerversicherung als Zukunftsreformoption abgelehnt. Sie führe zu noch mehr Abhängigkeit von den zentralstaatlichen Einflüssen auf das Gesundheitswesen und ebne den Weg zu einer Einheitskrankenversicherung. Die Bürgerversicherung unterminiere die berufliche Unabhängigkeit des frei praktizierenden Arztes. Sie packe die derzeitigen Finanzierungs- und Strukturprobleme der Krankenversicherung nicht an deren Ursachen.

Der HB-Vorsitzende Dr. med. Hans-Jürgen Thomas, Facharzt für Allgemeinmedizin aus Erwitte/Westfalen, mahnte die Politik, in einer durchgreifenden klar ausgerichteten Gesundheitsreform auch das Problem der instabilen sozialen Sicherungssysteme in Angriff zu nehmen. Alle demografischen Analysen hätten erwiesen, dass auch die Krankenversicherung analog der gesetzlichen Rentenversicherung mit Strukturelementen einer kapitalgedeckten Versicherung ergänzt werden müsse. Das Problem sei bereits seit zehn Jahren erkannt worden, jetzt setze sich auch bei der Politik diese Erkenntnis durch. Allerdings vermisst der HB Lösungsansätze. Eine Bürgerversicherung in der GKV gehe den entgegengesetzten Weg. Der HB verteidigt die Prinzipien der gegliederten Krankenversicherung, plädiert für die Stärkung der tragenden Prinzipien der Eigenverantwortung, Subsidiarität und Solidarität. Gesetzliche und private Krankenversicherung müssten neu aufeinander ausgerichtet und austariert werden. In einem angenommenen Leitbeschluss, initiiert durch den HB-Vorstand, wird ein Krankenversicherungsreformkonzept entworfen, das einen Kompromiss aus den Gestaltungselementen einer Kopfprämienversicherung (Rürup) und der Herzog-Kommission vorschlägt. Es fordert die Pflicht zur Versicherung aller Bürger – bei freier Wahl des Versicherungsträgers und der Leistungseinrichtungen. Voraussetzung für ein funktionierendes System sei eine durchgängige Transparenz der Kosten und Leistungen im System. Die Beitragszahler müssten erkennen, für welche Leistungen welche Finanzmittel aufgebracht werden und wohin die Finanzströme fließen.  

Das HB-Modell geht von direkten Vertragsbeziehungen zwischen sozialversicherten Patienten und Vertragsärzten aus. Grundlage der Leistungsgewährung müsse ein für alle Versicherte geltendes, sozial abgefedertes Kostenerstattungssystem sein. Die Vergütung erfolgt, so der HB, nach einheitlicher Gebührenordnung mit festen Eurobeträgen. Für sozial Schwache und Geringverdiener sollten staatsfinanzierte Zuschüsse gewährt werden, im Rahmen eines neu zu schaffenden Krankengeldes.  

Gesplittetes Angebot

Der Verband schlägt ein Splitting des Leistungsangebots innerhalb der Krankenversicherung in die Segmente Muss-, Soll- und Kann-Leistungen vor. Muss- oder verpflichtende Leistungen, die dem Kontrahierungszwang der Kassen unterworfen werden sollen, werden als Basisleistungen vorgeschrieben. Sie unterliegen der Versicherungspflicht, sind somit nicht abwählbar und werden für alle Versicherten gleich definiert. Bei den Grundleistungen soll der einfache Multiplikator der Gebührenordnung zwingend vorgeschrieben werden. Darüber hinaus gehende Soll- und Kann-Leistungen sollten über Zusatzversicherungen abgedeckt und individuell finanziert werden (ohne Mitbeteiligung durch den Arbeitgeber).  

Im Grundleistungskatalog wird, so die HBVorstellungen, eine medizinisch-indizierte ausreichende Grundversorgung aller Patienten sichergestellt. Hier soll die Absicherung der großen Gesundheits- und Lebensrisiken garantiert werden, die die Finanzierungsund Leistungskraft des Einzelnen übersteigen würden. Dieser Katalog müsste durch die medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften erarbeitet und per Gesetz sanktioniert werden. Über die laufende Aktualisierung und Implementierung des medizinischen Fortschritts sollen gesetzliche Gremien entscheiden – etwa die bisherigen, neu zu formierenden Bundesausschüsse. Unter Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes des Versicherten sollen sämtliche Kerndaten des Patienten auf einer erweiterten Chipkarte gespeichert und funktionell in allen Leistungsbereichen eingesetzt werden. 

Einen West-Ost-Transfer aus der kassenärztlichen Gesamtvergütung in Höhe von 0,6 Prozent zum Ausgleich des Ost-West-Gefälles lehnt der HB als nicht hinnehmbares „Sonderopfer“ ab. Auch die Vertragsärzte in den neuen Bundesländern hielten Sonderopfer zulasten einzelner Berufsgruppen für verfassungsrechtlich bedenklich. Der HB behält sich vor, auch in diesem Punkt die Verfassungskonformität zu überprüfen.  

Als zynisch bezeichnet der Verband die durch das Bundesgesundheitsministerium für 2004 bekannt gegebene „Quasi-Nullrunde“ in Höhe von einem Plus von 0,02 Prozent (alte Bundesländer) und 0,71 Prozent (Ostdeutschland). Eine solche Strangulierung der Versorgung führe, so der Hartmannbund, zu einer Lähmung des gesamten Systems.  

Dr. rer. pol. Harald CladeKreuzstraße 56, 50226 Frechen

 

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