Leitartikel

Wir bleiben konsequent

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

nie war der sozialpolitische Reformdruck auf eine Regierung dieser Republik so groß wie heute. Der in der Öffentlichkeit als „Blut-, Schweiß- und Tränen-Rede“ angekündigte Auftritt des Bundeskanzlers war ein weiterer Versuch, Deutschland den notwendigen Schneid zum Abschied von längst nicht mehr finanzierbaren Gewohnheiten abzuringen. Bisheriges Ergebnis: Blut ist gottlob nicht geflossen, der Schweiß fand sich allenfalls auf der Stirn des Kanzlers und die Tränen fließen vor allem vor Wut bei linken Sozialdemokraten.

Wichtig zu wissen ist daher, dass nicht die Bevölkerung selbst vorrangiger Adressat der Bemühungen Schröders ist. Dass der Sozialstaat in Not ist, dass er drastische Zugeständnisse abverlangt, weiß mein Nachbar nebenan genau so gut wie Ihrer. Den wachen Seitenblick des Kanzlers erfordern eher diejenigen aus seinen eigenen Reihen, die sich als gewerkschaftlich verankerte Bewahrer schlicht weigern, die Entwicklung anzuerkennen und entsprechend zu handeln. Diese innerhalb der Regierungsparteien konterkarierend wirkenden Kräfteverhältnisse sind für eine Gesundheitsreform alles andere als nützlich.

Zu einer Zeit, da die Zahnärzteschaft per Gesetzesauftrag im Bundesausschuss Zahnärzte und Krankenkassen, im Erweiterten Bewertungsausschuss und auch im Bundesschiedsamt wegen Neubeschreibung der Zahnheilkunde, Neufassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes und Neuverhandlung des Ersatzkassenvertrages konkrete Aufgaben abzuarbeiten hat, zeigt der Gesetzgeber selbst nur verworrene Denkansätze, nichts Halbes und nichts Ganzes. Vor allem das vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegte „Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz“ ist eindeutig der falsche Lösungsansatz für die überfälligen Reformen. Was uns die Riege um Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hier aufgetischt hat, hilft weder Patienten noch dem System – und unsere Interessen sind ihr ohnehin gleichgültig.

Es sind diese neuen Schritte zu noch mehr Staat, diese weiteren Verstrickungen in immanente Widersprüche, die für den KZBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Rolf-Jürgen Löffler die Gratwanderung zwischen eigenem Selbstverständnis und der nur noch gering erscheinenden Handlungsbreite unmöglich erscheinen ließ. Der Vorstand der KZBV bedauert, aber respektiert die Konsequenzen, die ihr Vorsitzender angesichts dieser Sachlage gezogen hat.

Aber obwohl wir die Probleme und Schwierigkeiten in der derzeitigen politischen Auseinandersetzung durchaus sehen, ziehen wir daraus andere Konsequenzen: Gerade wegen der möglichen Folgen für Patienten und Zahnärzte müssen wir den Dialog fortsetzen. Es ist unsere Pflicht, jetzt die Vorschläge der Zahnärzteschaft für ein befundorientiertes Festzuschusssystem offensiv in der Diskussion zu halten. Es wäre politisch töricht, die in der sachlichen Arbeit erzielte konstruktive Resonanz, die inzwischen errungene Akzeptanz ausgerechnet zurzeit aufs Spiel zu setzen.

Denn es darf nicht übersehen werden, dass in der Politik ganz akut eine breite Diskussion um die zahnärztlichen Grundforderungen entbrennt, dass die oppositionellen Parteien sehr offensiv den Gedanken vertreten, die zahnmedizinische Versorgung aus der gesetzlichen Krankenversicherung herauszunehmen. Selbst wenn es „nur“ um eine Loslösung des Zahnersatzes gehen sollte, muss sich die gesamte Zahnärzteschaft klar und deutlich positionieren.

Dabei bleibt zu bedenken: Die Politik macht das alles nicht, um „endlich“ den berechtigten Forderungen der Zahnärzteschaft gerecht zu werden. Sie braucht die Reduzierung des GKV-Beitragssatzes, um dem Thema insgesamt die für diese Regierung vielleicht lebensgefährliche Brisanz zu nehmen. Die Politik wird etwas tun, ob mit oder ohne uns Zahnärzte. Und es werden – und zwar auf allen Ebenen – nicht die Maßnahmen sein, die kurzfristig ein leichteres Leben erwarten lassen.

Dennoch: Wir haben in den vergangenen Monaten kontinuierlich verhandelt, vergleichsweise „still“ und konsequent gearbeitet. Wenn wir uns jetzt aus diesem Prozess zurücknehmen, wenn die Zahnärzteschaft in den kommenden Monaten nicht mehr an den öffentlichen Gesprächen teilnimmt und nicht mehr als dezidierte, mit festen Vorstellungen partizipierende Kraft auftritt, dann wird auch die Politik in den anstehenden Entscheidungsprozessen keine Rücksicht auf Deutschlands Zahnärzteschaft nehmen.

Das gilt es zu verhindern! Das ist unsere Pflicht! Mit

Mit kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzStellvertretender Vorsitzender der KZBV

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