Editorial

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Liebe Leserinnen und Leser,

Deutschlands Bundesregierung hat erstmals eine – öffentlichkeitswirksam zum Beginn des Jahres ernannte – Patientenbeauftragte. Die SPD-Abgeordnete Helga Kühn-Mengel will Patienten in der Öffentlichkeit vertreten, ihnen endlich „eine Stimme“ verschaffen. Alle anderen Beteiligten im Gesundheitssystem – also Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Pharmaindustrie und auch Krankenkassen – hätten bereits „starke Vertreter“, erklärte die frisch eingesetzte Ministerielle der staunenden Öffentlichkeit.

Stellt sich automatisch die Frage: Wer vertritt da eigentlich wen? Und vor allem: Gegenüber wem? Sind die Patienten durch eine Beauftragte wirklich gut vertreten, deren „Arbeitgeber“ laut Medien wie „Stern“ per Gesundheitsreform die „große Abzocke“ gestartet hat? Andererseits: Sind Ärzte und Zahnärzte, deren Arbeit bei ihren Patienten auf großes Vertrauen stößt, wirklich die „starken“ Lobbyisten, die nur für sich selbst und – so wird vielfach auf Regierungsseite implizierend argumentiert – gegen die eigene Patientenklientel sprechen?

All das ist bedenkliche Schwarz-Weiß-Malerei einer Regierung, die momentan eher die angeschlagenen Krankenkassen verteidigt, anstatt – wie vorgegeben wird – wirklich patientenbezogen zu handeln.

Lang hat es jedenfalls nicht gedauert, bis auch Gutgläubige das Zahlenspiel um die Krankenversicherungsbeiträge durchschaut hatten. Die im vergangenen Frühsommer noch gefeierte große Sozialreform entpuppte sich bereits in den ersten Wochen des neuen Jahres als das, was sie eigentlich ist: ein tiefer Griff in die Portmonees der Bundesbürger. Die lang ersehnte, von der Bundesregierung avisierte Beitragsentlastung entlarvt sich hingegen peu à peu als Wunschdenken.

Also: Ehe man zu negative Schlagzeilen macht, braucht man neue Themen. Kurz gesucht, schnell gefunden: Patientenschutz, bereits im vergangenen Jahr als Gesetzesvorgang von der Sozialministerin angekündigt, direkt im neuen Jahr durch Schaffung einer Patientenbeauftragten bekräftigt, schafft neue Duftmarken scheinbaren Tatendrangs – von einer Regierung, die wenig willens scheint, sich den tatsächlichen Problemen des Gesundheitswesens zu stellen.

Lehrreich gewesen wäre schon in den ersten Tagen des Jahres ein Blick in die Wirkungsstätten der als so „stark“ herausgestellten Gesundheits-Lobby. In Praxen wie auch Apotheken zahlten die Patienten zwar in der Regel die so genannte „Praxisgebühr“. Sie waren sich aber sehr wohl klar darüber, dass nicht Ärzte und Apotheken, sondern die Krankenkassen Nutznießer dieser Gesetzgebung sind. Praxisgebühr wie auch höhere Zuzahlungen sind kein zusätzliches Geschenk an Ärzte oder Apotheker. Sie sollen einzig und allein die gesetzlichen Krankenversicherer davor bewahren, direkt vor Entkräftung zu kollabieren. Sicher ist nur, dass die Patienten mehr zahlen. Die positive Wirkung auf das System bleibt fraglich.

Ein Fall für die Patientenbeauftragte? Wohl kaum. Denn letztlich fiele das in die Kategorie der „Böcke und Gärtner“.

Mit freundlichem Gruß

Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur

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