Patientenzufriedenheit im internationalen Vergleich

Echo der Kulturen auf die Qualität

Wie ist es um die Zufriedenheit deutscher Zahnarzt-Patienten im internationalen Vergleich bestellt? Eine Studie der Fachhochschule Osnabrück hat in vier Industrienationen untersucht, inwieweit sich die nationale Kultur der Patienten darauf auswirkt, wie diese den Besuch beim Zahnarzt wahrnehmen und wie zufrieden sie danach sind.

Schon seit einigen Jahren nehmen Klagen zu, die Service-Qualität in Deutschland könne nicht mit der in anderen Ländern mithalten. Von „Service-Wüste“ ist oft die Rede, wenn wieder mal Kunden über ihre – in diesen Fällen schlechten – Erfahrungen mit Dienstleistern berichten. Sind das nun Einzelmeinungen? Und wie kommt es dazu, dass jemand die Leistung eines Anbieters hoch oder niedrig einschätzt? Wie wird sie reflektiert, etwa von Zahnarzt-Patienten, die ja hochwertige (Dienst-)Leistungen wollen? das fragten Wirtschaftswissenschaftler der Fachhochschule Osnabrück und hakten nach mit einem internationalen Vergleich.

Nachgefragt

Der Besuch beim Zahnarzt lasse sich international gut vergleichen, so die Ökonomen, denn die „Erstellung“ und „Darbietung“ der so genannten „Dienst“-leistung werde überall ähnlich strukturiert sein: Zahnarzt-Patienten in Deutschland wie in den USA erwarteten vermutlich den gleichen Ablauf wie Patienten anderswo auf der Welt – von telefonischer Anmeldung über persönliches Melden an der Rezeption, Warten auf die Untersuchung, auf ein Gespräch und gegebenenfalls auf eine Behandlung.

Deswegen wurden – nahezu zeitgleich – an Hochschulen in vier Ländern Zahnarztpatienten befragt: 145 in Deutschland, 234 in den USA, 154 in Kanada und 234 in Japan. 95 Prozent der befragten Patienten waren 18 bis 30 Jahren alt, der Anteil männlich/ weiblich schwankte zwischen 45 und 55 Prozent. Die Untersuchungen wurden nicht durch Verbände oder Interessengruppen finanziert oder angeregt; es handelte sich um eine wissenschaftlich induzierte Fragestellung, bei der ein Zahnarztbesuch stellvertretend für eine „als vergleichbar angenommene Dienstleistung“ herangezogen wurde.

Fünf Pluspunkte

Wie wurde nun die Service-Qualität konkret erfasst? In der Service-Literatur haben sich in den letzten Jahren fünf Variable herausgestellt, die – in diesem Fall bei medizinischer Versorgung – die Qualität sehr gut abdecken:

• Verlässlichkeit (Termine werden pünktlich eingehalten; Diagnosen stellen sich als akkurat heraus),

• Empathie (Anerkennung des Patienten als Person, Erinnerung an vorherige Probleme, Geduld),

• Materialien (Wartezimmer, Behandlungszimmer, Ausstattung, schriftliches Material),

• Ansprechbarkeit (Bereitschaft zum Zuhören, keine Wartezeiten, Zugängigkeit) und

• Vertrauen (Wissen, Fertigkeiten, Reputation, Empfehlungen).

Im Gegensatz zu bereits vorliegenden Studien fragten die Ökonomen nicht direkt nach Zufriedenheit und Wahrnehmung der ärztlichen Leistungen, sondern setzten vielmehr Szenarien ein, in denen Abläufe des Zahnarztbesuches sehr speziell dargestellt wurden.

Das Szenario bestand aus zwei Teilen. Zuerst wurden mögliche frühere Zahnarztbesuche beschrieben, die der oder die Befragte erlebt haben könnte. Hierdurch wurden die eben genannten Dimensionen von Service-Qualität vorgestellt. Durch die Darstellung eines guten beziehungsweise schlechten Services wurden zwei verschiedene Erwartungshaltungen seitens der Befragten erzeugt, eine hohe und eine niedrige. Das Ganze wurde noch weiter verfeinert, als im zweiten Teil, der die tatsächliche Leistung der Zahnarztpraxis betraf, wieder zwei Varianten beschrieben wurden, einmal die hohe, zum anderen die schlechte Leistung. Aus der Kombination dieser vier unterschiedlichen Szenarien ergaben sich damit vier Typen von Fragebogen. Es ging darum, durch Befragen die Erwartungen an die Zahnarztleistung auf der einen Seite, und deren wahrgenommene Qualität auf der anderen Seite herauszufinden.

Begrüßt statt ignoriert

Die genannten fünf Service-Kriterien wurden gemäß der guten/schlechten Leistung und der hohen/niedrigen Erwartungen variiert. Als Beispiel galt für die Empathie in der Version der hohen Leistung, dass der Patient an der Rezeption direkt mit Namen begrüßt wird.

So lautet der Text für diese Version: „Die Sprechstundenhilfe begrüßt Sie sofort mit Namen und bittet Sie, auf dem Behandlungsstuhl Platz zu nehmen. Der Zahnarzt begrüßt Sie gleich und fragt Sie, wie es Ihnen heute geht. Sie geben ihm zu verstehen, dass es Ihnen zwar gut geht, Sie aber froh sein werden, wenn der Behandlungstermin vorbei ist. Nach einer kurzen Prüfung Ihrer Patienten-Karte versichert er Ihnen, dass die Füllung eine unbedeutende Reparatur am Zahn sei und nichts, über das man sich Sorgen machen müsse. Der erste Schritt der Prozedur ist es, ein örtliches Betäubungsmittel ins Zahnfleisch zu injizieren. Sie spüren die Injektion kaum, und die Gegend um den Zahn ist schnell betäubt. Dann beginnt der Zahnarzt zu bohren. Innerhalb einiger Minuten ist er damit fertig und beginnt mit der Füllung des Zahnes. Als er Ihren Mund mit einem Kaltwasserspray ausspült, verspüren Sie keine Empfindlichkeit gegen Kälte. Als Sie die Praxis verlassen, wünscht Ihnen der Zahnarzt noch einen schönen Tag und versichert Ihnen, dass die Behandlung gut verlaufen sei, aber dass Sie ihn, sollten Probleme auftreten, anrufen können.“

Als gegenteilige, also schlechte Leistung hierzu wird beschrieben, wie die Zahnarzthelferin an der Rezeption mehrere Male am Patienten vorbeigeht, ohne offenbar seine Anwesenheit zu bemerken.

Signifikante Auffälligkeiten

Die folgenden Tabellen geben Auskunft darüber, inwieweit sich im Vergleich der vier untersuchten Länder statistisch signifikante Auffälligkeiten ergeben (95-prozentiges Konfidenzintervall), oder inwieweit man davon ausgehen muss, dass die Unterschiede in der Servicewahrnehmung von Zahnärzten zufällig sind.

Woher der Mensch kommt

Insgesamt kann festgehalten werden, dass die nationale Kultur sehr wohl einen Einfluss auf die Wahrnehmung von Service-Qualität und die Zufriedenheit ausübt. Die Skala reicht dabei vom Wert 1 (sehr schlecht/gering) bis zum Wert 7 (sehr gut/hoch). Im Vergleich Deutschland : Kanada haben sich solche Unterschiede in immerhin fünf von acht Vergleichen gezeigt. Wenn die Leistung des Zahnarztes zum Beispiel niedrig war, zeigten sich die Deutschen unzufriedener und nahmen die Service-Qualität auch als geringer wahr. Bei hoher Leistung dagegen, unabhängig von der vorherigen Erfahrung mit Zahnarztbesuchen, fielen die Wahrnehmung der Qualität und die Zufriedenheit deutlich höher aus (s. Tabelle 1).

Die geringsten Unterschiede zeigten sich im Vergleich der deutschen Befragten (Patienten) mit denen aus den USA. Nur für die Situation der hohen Erwartung, der dann aber eine niedrige Leistung folgt, zeigten sich die Deutschen weniger zufrieden und nahmen die gebotene Qualität weniger wahr. Daraus kann geschlossen werden, dass deutsche Patienten – jedenfalls in der betrachteten Altersklasse – eine Art Kontrast- Effekt erleben, wenn sie ihre hohen Erwartungen mit den dann leider schlechten Leistungen vergleichen. Hierbei legen Deutsche offensichtlich mehr Wert auf ihre bisherigen Erfahrungen mit dem Zahnarzt, wenn sie dessen aktuelle Leistung bewerten (s. Tabelle 2).

Im Vergleich mit japanischen Befragten zeigten sich die meisten Unterschiede. Bei hoher Leistung, unabhängig von der Erwartung, zeigten Deutsche eine höhere Zufriedenheit und nahmen auch die höhere Service- Qualität wahr. Bei schlechter Leistung dagegen, wieder unabhängig von vorherigen Erwartungen, bewerteten die Deutschen die Leistung als schlechter und waren unzufriedener als die Japaner. Dies scheint zu belegen, dass es für japanische Patienten sehr wichtig ist, auch bei vermeintlich schlechter Leistung eines Zahnarztes die „Harmonie“ der Beziehung nicht durch allzu viel Kritik zu stören oder gar zu gefährden. Da sie den Anspruch haben, ihre Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern übertroffen zu sehen, sind sie entsprechend weniger schnell zufrieden, wenn die Leistungen eigentlich gut sind, also am Service des Zahnarztes nichts auszusetzen ist (s. Tabellen 3 und 4).

So schlägt das Pendel aus

Zusammenfassend deuten die Ergebnisse darauf hin, dass deutsche Patienten mehr Aufmerksamkeit darauf legen, welche vorherigen Erfahrungen sie – in einer Dienstleistungssituation beim Zahnarzt – gemacht haben. Außerdem lassen die Resultate vermuten, dass Deutsche sehr schnell sehr extrem reagieren, sowohl in die positive Richtung – bei gutem Service –, als auch bei schlechtem Service, wo sie verhältnismäßig unzufrieden sind – jedenfalls im Vergleich zu den beiden nordamerikanischen Probandengruppen. Die Unterschiede zwischen den Kanadiern und den US-Amerikanern liegen ebenfalls klar auf der Hand: Zumindest im untersuchten Bereich der Zahnärztlichen Leistungen kann nicht von einer gemeinsamen nordamerikanischen Kultur beim Servicebewusstsein gesprochen werden, im Gegensatz zu Ergebnissen einiger früherer empirischer Untersuchungen.

Die praktischen Auswirkungen der Studie gehen über den Zahnarztbereich hinaus, zumal in Deutschland zum Beispiel vermutlich nicht allzu viele japanische Patienten behandelt werden. Wenn die Serviceleistung im Zahnarztbereich stellvertretend für vergleichbare Dienstleistungen steht, wovon hier ausgegangen wurde, ergeben sich wichtige Erkenntnisse für die Gestaltung von Serviceelementen in allen vier untersuchten Kulturkreisen.

Weil bekannt ist, dass das Wiederkaufverhalten von zum Beispiel Automobilkunden – vielleicht wie die Treue eines Patienten zu seinem Zahnarzt – sehr stark von der Zufriedenheit mit der nicht-technischen Leistung abhängt, wird es in Zukunft darauf ankommen, gerade in solchen „soften“ Bereichen zufrieden stellende Leistungen zu erbringen. Dieses Wissen kann auch der Zahnarzt für seine Praxis nutzen, auf dass sich eine langjährige Beziehung wie zwischen Arzt und Stamm-Patient ergibt, in der die erbrachte Qualität eben auch entsprechend wahrgenommen und geschätzt wird.

Prof. Dr. Axel EggertHochschule Anhalt, Fachbereich WirtschaftStrenzfelder Allee 2806406 Bernburg

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Deutschland vs. Kanada

Deutschland vs. USA

Deutschland vs. Japan

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Geringe Erwartungen mit geringer Leistung

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Wahrgenommene Service-Qualität

Deutschl. Kanada

2,01 3,41

Deutschl. 2,01 n.s.

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USA 2,10

Deutschl. 2,01 s.

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Japan 2,85

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Zufriedenheit mit Zahnarztbesuch

Deutschl. Kanada

1,65 2,20

Deutschl. 1,65 n.s.

\n

USA 1,85

Deutschl. 1,65 s.

\n

Japan 2,30

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n.s. = nicht signifikant; s. = signifikant

\n

\n

Deutschland vs. Kanada

Deutschland vs. USA

Deutschland vs. Japan

\n

Geringe Erwartungen mit hoher Leistung

\n

Wahrgenommene Service-Qualität

Deutschl. 5,46 n.s.

\n

Kanada 5,30

Deutschl. 5,46 n.s.

\n

USA 5,63

Deutschl. 5,46 s.

\n

Japan 4,25

\n

Zufriedenheit mit Zahnarztbesuch

Deutschl. 5,92 n.s.

\n

Kanada 5,53

Deutschl. 5,92 n.s.

\n

USA 6,00

Deutschl. 5,92 s.

\n

Japan 4,03

\n

n.s. = nicht signifikant; s. = signifikant

\n

\n

Deutschland vs. Kanada

Deutschland vs. USA

Deutschland vs. Japan

\n

Hohe Erwartungen mit geringer Leistung

\n

Wahrgenommene Service-Qualität

Deutschl. 2,60 s.

\n

Kanada 3,62

Deutschl. 2,60 s.

\n

USA 3,33

Deutschl. 2,60 s.

\n

Japan 3,55

\n

Zufriedenheit mit Zahnarztbesuch

Deutschl. 1,52 s.

\n

Kanada 2,25

Deutschl. 1,52 s.

\n

USA 2,29

Deutschl. 1,52 s.

\n

Japan 2,88

\n

s. = signifikant

\n

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Deutschland vs. Kanada

Deutschland vs. USA

Deutschland vs. Japan

\n

Hohe Erwartungen mit hoher Leistung

\n

Wahrgenommene Service-Qualität

Deutschl. 6,01 s.

\n

Kanada 5,43

Deutschl. 6,01 n.s.

\n

USA 6,22

Deutschl. 6,01 s.

\n

Japan 5,14

\n

Zufriedenheit mit Zahnarztbesuch

Deutschl. 6,24 n.s.

\n

Kanada 5,90

Deutschl. 6,24 n.s.

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USA 6,21

Deutschl. 6,24 s.

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Japan 5,12

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n.s. = nicht signifikant; s. = signifikant

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