Integrierte Versorgung bei den Ärzten

Erste Pflöcke auf wackligem Fundament sind eingeschlagen

Heftarchiv Gesellschaft
So ganz allmählich nimmt die sektorübergreifende Versorgung, zumindest was die Ärzteschaft betrifft, an Fahrt auf. Gemessen an der Zahl der bei den Krankenkassen eingereichten Anträge – bundesweit sind es mehrere Hundert – könnte man fast schon von einem Run auf die Integrationsversorgung sprechen. Dennoch: Von der Idee bis zur Umsetzung ist es ein langer Weg. Viele Konzepte werden dabei auf der Strecke bleiben.

Es dauert vermutlich noch Jahre, bis sich herausstellt, welche Modelle langfristig die Nase vorn haben werden und ob sich die neuen Strukturen auf der Basis von Einzelverträgen gegenüber der kollektivvertraglichen Versorgung bei den Ärzten auch flächendeckend durchsetzen können. Für die Zahnärzteschaft, die dem Ganzen gegenüber eine kritische Haltung einnimmt, steht das Thema nicht so sehr im Vordergrund.

Aus Sicht der Krankenkassen war die Neuregelung der gesetzlichen Vorschriften zur Integrationsversorgung natürlich ein Glücksfall. Durch Anreize wie die einprozentige Anschubfinanzierung und die Möglichkeit zum Abschluss von Einzelverträgen hat das Gesundheits- Modernisierungs-Gesetz der sektorübergreifenden Versorgung gar zu einem regelrechten „Quantensprung“ verholfen, wie es Dr. Herbert Rebscher, Vorstandsmitglied der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK), auf der Euroforum-Konferenz am 14. und 15. Juli in Frankfurt formulierte. Nunmehr gelte das Motto: „Wer sich nicht bewegt, hat verloren.“ Rebscher geht davon aus, dass sich eine Vielfalt an Organisationsformen bei der Integrationsversorgung herausbilden wird, wie Gesundheitszentren oder die Kooperation von niedergelassenen Fachärzten in, um und am Krankenhaus, bei dessen gleichzeitiger Öffnung für die ambulante Versorgung und unter Einbeziehung der vor- und nachgelagerten Versorgungsbereiche.

Niedergelassene scheuen sich

Die Realität sieht derweil noch ganz anders aus. Erste Vergleiche von bereits an den Start gegangenen IV-Modellen zeigen, dass sich bislang vor allem stationäre Einrichtungen – Krankenhäuser und Rehakliniken – darum bemühen, derartige Kooperationen aus der Taufe zu heben. Die niedergelassenen Vertragsärzte, vor allem die klassischen Einzelkämpfer, scheuen offensichtlich – noch – vor einer Teilnahme zurück, wie eine Analyse der in Berlin ansässigen Deutschen Gesellschaft für Integrierte Versorgung (DGIV) ergab.

Auch Experten, wie der Vorsitzende des Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Professor Dr. Eberhard Wille, sind noch nicht von einem flächendeckenden Erfolg „echter“ Integrations- Modelle überzeugt. Wille glaubt vielmehr, dass sich entweder zahlreiche Projekte mit „eher zweifelhaftem Inhalt“ unter dem Label IV etablieren werden, mit dem Ergebnis, dass das eigentliche Ziel des Paragraphen 140a ff, nämlich die Versorgung aus einer Hand, auf der Strecke bleibt. „Oder aber Disease Management Programme werden zu Lasten anderer Kooperationen das Rennen machen, obwohl auch sie keine Integrationsmodelle im eigentlichen Sinne sind, durch die Koppelung an den Risikostrukturausgleich aber für Ärzte und Krankenkassen gleichermaßen attraktiv sind“, so seine Befürchtung.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat zudem insbesondere bei den großen Krankenkassen die Absicht ausgemacht, über den Weg der Integrierten Versorgung hausarztbasierte Modelle durch Umgehung des Paragraphen 73b SGB V zu installieren, um die Frage nach den besonderen Qualitätsanforderungen für Hausärzte nicht beantworten zu müssen. Darüber hinaus existierten Versuche, bestehende Strukturverträge in Integrationsverträge umzuwandeln, um die Mittel der Anschubfinanzierung ausschöpfen zu können.

„Das größte Problem der Integrierten Versorgung kann jedoch das Wettbewerbsrecht werden“, prophezeite Dipl.-Ing. Ekkehard Becker, Leiter der Strukturabteilung Vertragsentwicklung und Praxisnetze der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH), in Frankfurt. Für Integrationsverträge bestehe keine Ausschreibungspflicht, die Finanzierung erfolge aus den Budgets anderer, und eine Evaluation sei nicht vorgegeben. Eine vernünftige wissenschaftliche Begleitung und Auswertung ist jedoch nach Ansicht von Wille schon allein deshalb erforderlich, um handfeste Daten zum Beispiel über Indikatoren wie Morbidität, Ressourcenverbrauch und Ausgaben zu bekommen, damit sich die Spreu der Integrationsmodelle irgendwann einmal vom Weizen trennen lasse.

Petra SpielbergLiebstöckelweg 965191 Wiesbaden

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.