Leitartikel

Datenschutz versus Orwell

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

das Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz enthält umfangreiche Regeln zu neuen Datensammlungen und zur Einführung elektronischer Medien, die diese erleichtern. Wir als Zahnärzte haben schon früh im Vorfeld der Gesetzesgenese darauf hingewiesen, dass hier bezüglich des Datenschutzes etliches im Argen liegt. Jetzt sind die Regelungen in der Welt – und der gläserne Patient und der gläserne Zahnarzt lassen grüßen.

Legen wir die Finger einmal richtig in die Wunden. Thema: Datenaustausch bei der elektronischen Abrechnung von Leistungen (§ 294 und 295 SGB V). Die Weitergabe der Daten soll nun nicht mehr nur fallbezogen erfolgen, sondern mit explizitem Versichertenbezug. Neben anderen Forderungen verlangen die Krankenkassen die Weitergabe umfangreicher unverschlüsselter Daten, wobei auch eine bundeseinheitliche unveränderbare Zahnarzt-Nummer im Gesetz steht. Der Datenschutz für den Zahnarzt wie auch für den Patienten ist damit nach unserer Lesart aufgehoben und dem Missbrauch sind Tür und Tor geöffnet.

Thema Datenpool und Datentransparenz (§§ 303 a ff SGB V). Die Leistungs- und Abrechnungsdaten liegen derzeit verteilt bei verschiedenen Stellen des Gesundheitswesens vor. Eine Arbeitsgemeinschaft für Aufgaben der Datentransparenz – bestehend aus Mitgliedern von Krankenkassen und Ärzten – soll die Datenaufbereitung koordinieren, um übergreifende Analysen und fundierte Gesamtbetrachtungen zu ermöglichen. Für statistische Zwecke werden Daten gebraucht. Doch hierbei erfüllen anonymisierte Daten ihren Zweck, eine bloße Pseudonymisierung reicht nicht aus.

Wir müssen unsere Patienten für den Datenschutz sensibilisieren und das Gespräch mit ihnen suchen.

Thema Gesundheitskarte (§ 291 und 291 a SGB V – siehe auch dazu die Titelgeschichte in zm 4/2004). Bis zum 1. Januar 2006 soll die bisherige Krankenversichertenkarte von einer so genannten intelligenten elektronischen Gesundheitskarte abgelöst werden. Die Politik will eine zentrale Speicherung aller Behandlungsdaten, auf der der Zugriff mittels Karte geregelt werden soll. Damit soll das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten gewährleistet sein. Jedoch gibt es offene Fragen: So ist die Verlustproblematik bei der Karte ein ungeklärter Posten, ebenso wie die Protokollierung der Zugriffe. Ein Zugriff ist nur dann möglich, wenn der Patient den Arzt legitimiert hat, auf seine Daten zuzugreifen. Es ist ungeklärt, um welche Daten es sich dabei handelt. Unklar bleibt auch, wer bei einem Kassenwechsel die Daten von der alten auf die neue Gesundheitskarte überträgt. Und noch ein Aspekt ist bedenklich: Indem der Patient dem Arzt seine Karte gibt, erhält dieser Zugriff auf die Daten. Fraglich ist, welche davon der Arzt lesen darf. Es ergeben sich also viele Fragen, die die neue Gesetzgebung offen lässt.

Es ist jetzt schon illusorisch, dass der Zeitplan, den das Bundesgesundheitsministerium (BMGS) zur Einführung der Gesundheitskarte vorsieht, eingehalten werden kann. Die Selbstverwaltung hat wiederholt darauf hingewiesen. Besonders ärgerlich ist es, dass das BMGS nun offensichtlich Schuldige für den unter Umständen drohenden Misserfolg bei der termingerechten Einführung sucht und zurzeit der Selbstverwaltung den Schwarzen Peter zuschiebt. Ein Vertreter des BMGS äußerte zum Beispiel unlängst, man habe erfahren müssen, dass das Bewusstsein für die Möglichkeiten der neuen Technologie bei der Selbstverwaltung noch nicht vorhanden sei. Seitens der KZBV haben wir uns auch im Namen der KBV aufs Schärfste gegen solche Aussagen gewehrt. Mit keinem Wort haben wir die Möglichkeiten der elektronischen Gesundheitskarte oder des Aufbaus einer Telematik-Infrastruktur in Frage gestellt. Gegen solche pauschalen Vorwürfe werden wir uns jedoch vehement zur Wehr setzen.

Die Selbstverwaltung hat das BMGS wiederholt auf die Vielzahl ungelöster Detailprobleme – insbesondere auch ungeklärter Finanzierungsfragen – und die datenschutzrechtlichen Probleme hingewiesen. Das gilt insbesondere für Zahnärzte, für die ein Nutzen nirgendwo ersichtlich ist.

An alle Kolleginnen und Kollegen geht daher der Appell, sich für das Thema Datenschutz zu sensibilisieren und dazu das gemeinsame Gespräch mit dem Patienten zu suchen. Denn: Im Mittelpunkt eines intakten Zahnarzt-Patienten-Verhältnisses steht das Vertrauen und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Günther E. BuchholzReferent für Telematik im Vorstand der KZBV

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