Neuemission: Die berühmteste Suchmaschine der Welt geht an die Börse

Googlemania

Fast jeder, der ins Netz geht, tut es: googeln Tag für Tag! User nutzen die beliebteste Suchmaschine der Welt für Recherchen so wie andere das Auto für die Fortbewegung. Deshalb können die Anleger unter den Googlern den Börsengang ihres Lieblings kaum erwarten. Doch Vorsicht ist geboten! Euphorie ist bei Gelddingen ein schlechter Ratgeber. Klüger ist es, sich in Geduld zu üben und erst einmal zu abzuwarten, was passiert.

Seit im April bekannt wurde, dass die meist genutzte Suchmaschine im Internet an die Börse geht, überschlagen sich die Wirtschaftsblätter mit immer neuen sensationellen Unternehmensdaten aus dem Mountain View, der kalifornischen Heimat von Google. Die Zeichen für ein solches Wagnis stehen gut: Die Weltwirtschaft erlebt einen neuen Aufschwung und die Wunden des Börsencrashs im Jahr 2000 haben sich weitgehend geschlossen. Die Finanzwelt kann den größten und ungewöhnlichsten Börsengang (in der Fachwelt nennt man eine Neuemission IPO) kaum erwarten. Denn gelingt der Coup, bedeutet es für die Börse weltweit ein Startsignal für bessere Zeiten.

Kaum ein Unternehmen ist so bekannt wie der Internet-Dienstleister. Rund um den Globus ist er ein Begriff bei Alt und Jung, Reich und Arm, Schwarz und Weiß. Im Schnitt 2 300 mal pro Sekunde durchsuchen 10 000 Computer das Google-Verzeichnis, 4,3 Milliarden Webseiten stark. Gegoogelt wird in 97 Sprachen.

Aufgeweckte Weltveränderer

Die Nutzer schätzen den eher spartanisch gehaltenen Auftritt: Unter dem bunten Logo ein simples Kästchen für die Eingabe des Suchbegriffs. „Man muss sich nicht noch mit unzähligen Werbebannern herumschlagen und es wird auch nicht versucht, einem eine kostenlose Mailadresse anzudrehen“, lobt Jens Ohlig, Sprecher des Chaos Computer Clubs, die ungewöhnliche Gestaltung.

Die Idee dazu hatten 1998 die beiden Informatik-Doktoranden Sergey Brin und Larry Page, geboren 1973 und 1972. In aller Bescheidenheit bekennen sie: „Wir wollen die Welt verändern!“ Das ist ihnen im Internet, scheint’s, auch gelungen.

Doch mit harten Fakten belegten sie und Vorstandschef Eric Schmidt die Erfolgsstory nur sehr zögerlich. Erst Ende April erfuhr die Öffentlichkeit wie gut das Unternehmen dasteht. „Google macht Gewinn in ungeahnter Höhe“, titelte die „Financial Times Deutschland“. So schoss der Umsatz von 0,22 Millionen Dollar 1999 auf 961,9 Millionen Ende 2003. Den Nettogewinn geben sie mit 105,1 Millionen Dollar an, erwirtschaftet von 1 907 Mitarbeitern. Die äußerst effiziente Suche im Internet bietet die Plattform für das eigentliche lukrative Geschäft, die Werbung, mit über 75 Prozent der größte Umsatzträger.

Die Kreativität haben sie sich erhalten, das haben die beiden Tüftler mit dem Anzeigen-Suchsystem AdSense bewiesen. Das System sucht unter den Mengen von Google-Textanzeigen immer genau die heraus, die inhaltlich auf ganz normale Websites, zum Beispiel die des „Stern“, passen. Diesen Service bietet Google exklusiv.

Dass sie diese Kreativität in klingende Münze umsetzen können, verdanken sie dem Dritten im Bunde, dem Vorstandsvorsitzenden Eric Schmidt. Der 48-jährige Manager versteht es, die Eigenwilligkeit der beiden für das Unternehmen zu nutzen.

Die Konkurrenz ist wieder wach

Dabei stehen die Jungunternehmer natürlich unter scharfer Beobachtung durch die Konkurrenz. So will Microsoft eine eigene Suchmaschine in den Online-Dienst MSN und in das Betriebssystem Windows einbauen. Angeblich haben die Querdenker aus Mountain View zuvor ein Kaufangebot abgelehnt. Auch Yahoo möchte sich unabhängiger von Google machen. Bislang nutzen die Kalifornier dessen Know-how für ihren Suchservice. Den wollen sie nun mit eigenen Technologien verbessern. Das weltweit größte Internet-Portal habe mit dem Ausbau seines Suchgeschäfts gerade erst angefangen, droht Yahoo-Chef Terry Semel.

Fernab von der Quartalsdenke

Doch von alledem wollen sich die Youngsters aus dem Silicon-Valley nicht einschüchtern lassen. Sie halten an ihrer Devise „Tu nichts Böses“ fest. Sie gedenken, das Unternehmen weiterhin wie „eine Informatikfakultät an der Universität“ zu führen. In einem Brief zum Börsenprospekt schreibt Page an die zukünftigen Aktionäre: „Seien Sie nicht überrascht, wenn wir kleinere Summen auf Dinge setzen, die sehr spekulativ oder sogar seltsam anmuten.“ Sie wollen sich fern halten von der so genannten Quartalsdenke der bösennotierten Gesellschaften, um stattdessen längerfristige Strategien zu verfolgen und die eigenen Produkte zu verbessern und nicht mit kurzfristigen Deals im nächsten Quartal glänzen. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass den Mitarbeitern weiterhin eine Gratiskantine sowie ein Fitnessraum mit Sauna zum Regenerieren zur Verfügung stehen. Schließlich sollen sie mit ganzer Kraft dem Unternehmen dienen. Für die Googler kein Problem, halten sie doch rund zehn Prozent der Firmenaktien.

Geht das Unternehmen an die Börse, dürften die Papiere einen Wert von rund drei Milliarden Dollar haben. Der Börsenwert von Google beläuft sich auf rund 30 Milliarden Dollar. Auf dem Sparkonto liegen schon jetzt eine halbe Milliarde Dollar. Um für den Angriff der Konkurrenz gerüstet zu sein, sollen jetzt noch einmal genau 2,718281828 Milliarden dazu kommen. Auch diese Zahl steht im Börsenprospekt. Darüber wundern sich nur mathematische Laien. Denn dieser Wert entspricht der mathematischen Konstante „e“, der Eulerschen Zahl und Basis des natürlichen Logarithmus. Ein Zahlenspiel, das auch verdeutlichen soll, dass man nicht willens ist, die den Investmentbankern so fremde Denkweise aufzugeben.

Stimmgewaltiges Trio mit Vision

Damit sie ihre Visionen verwirklichen können, haben sie bei der Planung des IPO vorgesorgt. Um weiterhin alle wichtigen Entscheidungen intern treffen zu können ohne Planungen offen legen zu müssen, wird es zwei Arten von Aktien geben: Für Sergey Brin, Larry Page und Eric Schmidt Stammaktien mit je zehn Stimmen, um sich so die Mehrheit zu sichern. Die restlichen Aktien werden nur mit einer Stimme ausgestattet sein. Genau überlegt hat sich das Trio auch den Zeitpunkt des IPO. Denn das Unternehmen steht zurzeit bestens da. Doch die Konkurrenz holt auf. Das beobachtet auch Markus Straub, Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger: „Das wird kein Schnäppchen. Das Unternehmen hat jetzt seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Von nun an wird es schwieriger werden. Der Gewinn wird langsamer steigen. Dabei erinnert er sich an den Börsengang von Ebay. „Da kam der IPO vor dem Höhenflug. Die Aktionäre konnten die Gewinnsteigerung voll mitnehmen. Bei Google wird das wahrscheinlich anders sein.“

Anders als alle anderen

Passend zur Unternehmensphilosophie anders sein zu wollenals die anderen, dürfen die Anleger die neuen Aktien nicht zeichnen, sondern müssen sie im Internet ersteigern. So sollen auch Kleinanleger eine Chance bekommen, ein paar der begehrten Papiere zu ergattern. Das System funktioniert so: Der Auktionator gibt eine verbindliche Preisspanne pro Aktie vor. Die Interessenten bieten für eine gewünschte Anzahl von Aktien einen bestimmten Preis. Dann werden die Gebote von oben nach unten (descending) zusammengezählt bis die Summe der Aktien, die verkauft werden soll, erreicht ist. Alle die bis zu dieser unteren Grenze geboten haben, bekommen die gewünschte Anzahl von Aktien zum günstigsten Preis, der noch akzeptiert wird. Wer weniger geboten hat, geht leer aus.

Doch birgt die Dutch Auction – konstruiert nach dem Vorbild der holländischen Tulpen-Versteigerungen – gerade für Privatanleger große Gefahren. Denn eingedenk der Googlemanie der Privatanleger wollen viele von ihnen ein Stück der Suchmaschine ihr eigen nennen. Allzu leicht lassen sie sich dann zu voreiligen Höchstgeboten verleiten, in der Hoffnung, ganz sicher ein paar Aktien zu ersteigern. Und so treiben sie den Preis für die Aktie in die Höhe. Das Ende vom Lied: Die Aktie startet mit einem utopischen Kurs, um dann umso schneller abzuschmieren. Die Kleinanleger zahlen drauf.

Hinzu kommt noch, dass es für die Abwicklung der Auktion erforderlich ist, ein Konto bei einer der beiden Konsortialbanken Credit Suisse First Boston oder Morgan Stanley zu eröffnen. Das dürfte nicht nur kompliziert, sondern auch teuer sein. Dieses Geschäft eignet sich nicht für den normalen Anleger. Der wartet besser ab, was passiert, googelt fröhlich weiter und kauft sich die Anteile an seiner Lieblingssuchmaschine, wenn sich die Lage beruhigt und der Kurs ein realistisches Niveau erreicht hat.

Marlene Endruweit

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