Repetitorium

Ganzheitliche Krebsbehandlung

212487-flexible-1900
Viele Krebskranke setzen neben der etablierten Behandlung auf Methoden, die nicht der Schulmedizin entspringen. Die Verfahren als „alternativ“ zu bezeichnen, trifft ihre Bedeutung nicht und ist zu pauschal. Es gibt durchaus Therapieangebote, die nicht alternativ, sondern ergänzend zu Operation, Chemotherapie und Bestrahlung sinnvoll sind. Kritisch ist aber, Außenseitermethoden anzuwenden, die Heilung „versprechen“ ohne dass ihre Wirksamkeit einwandfrei belegt ware.

Die Diagnose „Krebs“ ist praktisch immer mit dem Gefühl der existentiellen Bedrohung verbunden. Das erklärt, warum viele Krebskranke neben der Schulmedizin ihr Heil in so genannten „alternativen“ Verfahren suchen. Die Palette reicht von der Ernährungstherapie über die Misteltherapie und die Thymuspeptidbehandlung bis hin zur Hyperthermie und zur Eigenblutbehandlung oder der Frischzelltherapie.

Wie sich tatsächlich die schulmedizinische Tumortherapie – unabhängig von einer adäquaten Schmerztherapie und einer guten psychologischen Führung der Betroffenen – unterstützen lässt und bei welchen Verfahren es sich um Außenseitermethoden handelt, deren Wirksamkeit nicht entsprechend der wissenschaftlichen Kriterien dokumentiert ist, oder die sogar potenziell gesundheitsschädlich sein können, soll im Folgenden dargestellt werden. Die Darstellung der einzelnen Verfahren basiert auf einer Bewertung durch Professor Dr. Josef Beuth, der an der Universität Köln das Institut zur wissenschaftlichen Evaluation naturheilkundlicher Verfahren leitet.

Allen naturheilkundlichen Verfahren zur Krebstherapie ist gemein, dass sie keinesfalls als Alternative zur schulmedizinischen Behandlung gesehen werden dürfen. Es handelt sich vielmehr um komplementäre Verfahren, um Therapiemethoden, die die körpereigene Abwehr stärken und/oder die Folgen der zum Teil doch recht aggressiven Krebstherapie lindern und den Betroffenen somit ihr Leben mit dem Krebs erleichtern, sprich lebensqualitätsverbessernd sein sollen. Etwa 80 Prozent der Tumorpatienten setzen auf solche Methoden in der Hoffnung, dadurch ihre Heilungs- und ihre Überlebenschancen steigern zu können.

Ernährungstherapie

Es gibt gute Daten dafür, dass einige Tumorarten direkt mit der Ernährung des Menschen in Zusammenhang stehen. So ist bekannt, dass eine fettreiche Ernährung allgemein mit einem erhöhten Krebsrisiko behaftet ist. Insbesondere der Verzehr von wenig Ballaststoffen und viel rotem Fleisch scheint die Entstehung von Darmkrebs zu begünstigen. Wenngleich ein entsprechender Nachweis nicht erbracht wurde, liegt die Vermutung nahe, dass durch eine fettarme, ballaststoffreiche Ernährung, die ausgewogen ist und reich an Vitaminen und Spurenelementen, einer Krebserkrankung vorgebeugt werden kann.

Die Ernährung hat aber noch weitere Implikationen im Hinblick auf eine Krebserkrankung. So sind die Heilungschancen generell besser, wenn der Patient sich in einem guten Ernährungszustand befindet. Liegt hingegen eine Mangelernährung vor, so ist die Sterblichkeit um rund ein Drittel erhöht, was daran liegt, dass die geplanten Therapiemaßnahmen oft durch die körperliche Schwächung nicht mehr zu realisieren sind und vermehrt Komplikationen auftreten. Deshalb darf die Ernährung ruhig kalorienreicher sein als sonst empfohlen, besonders wenn der Kranke bereits Gewicht verloren hat. „Sahnige Milchshakes können jetzt besser sein als Kräutertees und Kuchen und Pralinen sogar besser als Obst zum Nachtisch“, so Beuth.

Er rät Tumorpatienten zu einer allgemein gesunden Ernährung. Dabei soll jedoch der Fettanteil erhöht werden, da der Organismus seinen Stoffwechsel umstellt und Kohlenhydrate nicht mehr so gut aufnehmen kann. Statt Raps- und Olivenöl, welche eventuell durch die enthaltenen Fettsäuren das Tumorwachstum fördern könnten, sollen eher Butter und Sahne verzehrt werden. Keine Beweise aber gibt es, so der Wissenschaftler, dass spezielle Ernährungsformen, so genannte „Krebsdiäten“, spezifische therapeutische oder auch vorbeugende Effekte bei Tumorerkrankungen vermitteln. Solche Diäten können unter Umständen sogar gesundheitsschädlich sein, wenn durch eingeschränkte Ernährungsempfehlungen eine optimale Versorgung des Körpers mit Nährstoffen gefährdet wird.

Vitamine und Spurenelemente

So gäbe es auch Hinweise dafür, dass Vitamine und Spurenelemente als Ergänzung zur Standardtherapie sinnvoll sein können, allerdings kann die zusätzliche Gabe bei Krebserkrankungen nicht grundsätzlich empfohlen werden. Ratsam kann jedoch eine Behandlung mit Vitaminen und Spurenelementen bei Patienten sein, die nur noch wenig essen können oder bei Patienten, die durch Erbrechen, Durchfall oder starkes Schwitzen viel Vitamine und Mineralstoffe verlieren oder die im Verlauf einer Chemo- oder Radiotherapie Schleimhautdefekte entwickeln, so dass die Resorption beeinträchtigt ist.

Die Einnahme von Vitaminpräparaten sollte aber nicht unkritisch erfolgen, sondern stets dem persönlichen Bedarf angepasst sein. Ansonsten kann die Wirksamkeit der Standardtherapie beeinträchtigt werden.

Bewegungstherapie und Sport

Ähnlich wie eine gesunde Ernährung die Heilungskräfte des Organismus unterstützen kann, so ist dies auch durch eine vernünftige Bewegungstherapie möglich. Auch hier sind die Effekte eher indirekter Natur. So kann beispielsweise durch eine vernünftige Krankengymnastik die Schulter- Arm-Beweglichkeit nach einer Brustkrebs- Operation wieder hergestellt oder verbessert werden.

Durch Ausdauersport lässt sich darüber hinaus das Abwehrsystem aktivieren, allerdings darf die körperliche Aktivität nicht übertrieben werden, damit sich der Effekt nicht umkehrt. Bekannt ist ferner, dass durch sportliche Aktivität die Ausschüttung körpereigener Opioide (Endorphine) angeregt wird, wodurch sich das Schmerzempfinden minimiert. Nicht zuletzt kann durch Sport auch das psychische Erleben besser stabilisiert werden, was wohl die Genesung unterstützt. Günstig zu bewerten sind dabei Sportarten wie Gymnastik, Schwimmen, Aquajogging, Wandern und zum Beispiel Walking.

Auch für körperliche Aktivität sind spezifische Antitumoreffekte aber nicht belegt.

Selen

Selen gehört zu den Spurenelementen, die für den Körper essentiell sind. Es wird mit der Nahrung aufgenommen, wobei die Verzehrdaten in Deutschland im Mittel im unteren Normbereich liegen. Da Selen antioxidative Eigenschaften besitzt und freie Radikale wegfängt, kann dem Element eine krebsvorbeugende Wirkung zukommen. Krebspatienten weisen zudem in aller Regel niedrigere Blutselenwerte als normal auf, was nach Beuth auf einen erhöhten Selenverbrauch im Falle einer Krebserkrankung hindeutet. Ursachen hierfür können im Tumorstoffwechsel liegen und auch darin, dass sowohl unter der Chemotherapie wie auch unter der Radiotherapie vermehrt freie Radikale entstehen.

Es wird deshalb eine gezielte Behandlung mit Natriumselenit bei Krebspatienten für sinnvoll erachtet, um eine optimale Immunabwehr zu gewährleisten und den Organismus gegen übermäßigen oxidativen Stress zu schützen. Die Selenversorgung kann außerdem durch den vermehrten Verzehr von Fisch, Weizenvollkorn, Eiern und Rind- sowie Schweinefleisch verbessert werden.

Proteolytische Enzyme

Durch proteolytische (eiweißspaltende) Enzyme kann, wie Tierversuche belegen, der Bildung und dem Wachstum von Metastasen entgegengewirkt werden. Die Versuchstiere wiesen nach Beuth zudem eine längere Überlebenszeit auf als Kontrolltiere, die nicht entsprechend behandelt wurden. Bei Experimenten mit Mäusen wurde außerdem gesehen, dass die Tiere offensichtlich weniger unter Nebenwirkungen der Chemo- und der Radiotherapie litten, wenn sie mit proteolytischen Enzymen behandelt wurden. Es waren ferner antientzündliche und antiinfektiöse Wirkungen unter der Therapie festzustellen und eine Stimulation des Immunsystems.

Inzwischen gibt es auch Anwendungsbeobachtungen beim Menschen, deren Ergebnis in die gleiche Richtung weist. So können auch beim Menschen durch proteolytische Enzyme die Nebenwirkungen der Chemotherapie gemildert werden, und es laufen erste kontrollierte Studien zu dieser Behandlungsform in den USA.

Misteltherapie

Besondere Beachtung unter den „alternativen“ Krebstherapien hat in den vergangenen Jahren die Misteltherapie erfahren. Der strauchförmige Halbschmarotzer auf Laub- und Nadelbäumen wurde bereits zur Zeit von Hippokrates als Naturheilmittel eingesetzt und wird seit den 20er Jahren in Form wässriger Lösungen zur Therapie von Krebserkrankungen propagiert. Der Extrakt enthält verschiedene Inhaltsstoffe, unter anderem Lektine, Viscotoxine und Flavonoide, wobei vor allem den Lektinen eine tumorhemmende Wirkung zugesprochen wird.

Mistelextrakte wie auch deren einzelne Komponenten sind nach der Bewertung von Professor Beuth recht gut untersucht. Es wurde experimentell tatsächlich eine Wirkung gegen Tumore, gegen Metastasen und auch ein infekthemmender Effekt dokumentiert.

Anwendungsbeobachtungen beim Menschen ergaben eine immunstimulierende Wirkung bei einer Schwächung der Abwehrkraft infolge einer Krebsbehandlung. Mistelextrakte werden auf Basis solcher Ergebnisse bei Tumorpatienten mit eingeschränkter Abwehrlage eingesetzt, und zwar nach Bestimmung des Immunstatus.

Bei Brustkrebspatientinnen wurde außerdem gezeigt, dass durch eine Behandlung mit Mistelextrakten die Nebenwirkungen der Krebsbehandlung, zum Beispiel Übelkeit und Erbrechen, depressive Verstimmungen, Müdigkeit und eine Gewichtsabnahme, signifikant gebessert werden können. „Die Mistelextrakte erwiesen sich in manchen Untersuchungen als gut verträgliche Erweiterung der Standardtherapie bei Brustkrebs. Sie führten zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität“, schreibt der Wissenschaftler in seinem Buch „Krebs ganzheitlich betrachten“, in dem er die unterschiedlichen komplementären Verfahren der Krebstherapie bewertet.

Thymuspeptidtherapie

Da die Thymusdrüse eine wichtige Funktion im Rahmen des Abwehrsystems hat, lag es nahe, Thymuspräparate in der Krebstherapie zu erproben. Schon lange wird versucht, durch Thymusdrüsenextrakte von Kälbern Abwehrschwächen günstig zu beeinflussen. Für einzelne Thymuspeptide, zum Beispiel Thymosin alpha- 1, wurden tatsächlich Effekte auf Immunzellen dokumentiert. So konnte gezeigt werden, dass sich die Zahl und Aktivitäten bestimmter Immunzellen, (natürliche Killerzellen) erhöht und sich die Tumormasse und Metastasenzahl unter einer Behandlung verringern.

Bei den Thymuspeptiden gibt es außerdem erste Anwendungsbeobachtungen beim Menschen, die einen Einfluss auf die Abwehrbereitschaft und die Lebensqualität belegen sowie eine Abnahme der Nebenwirkungen der Standardtherapie. Allerdings fehlen auch in diesem Bereich noch gut kontrollierte Studien beim Menschen, so dass der wissenschaftliche Beweis einer klinischen Wirksamkeit bisher noch aussteht.

Die vorliegenden günstigen Daten beträfen zudem lediglich die Thymuspeptide, nicht aber Thymusfrischextrakte, vor denen der Wissenschaftler ausdrücklich warnt, da die Frischextrakte nicht standardisiert sind und damit keine Gewähr für Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit besteht. Außerdem können sogar gesundheitliche Gefahren durch schwere allergische Reaktionen drohen.

Hyperthermie

Unter der Hyperthermie versteht man die Behandlung des Körpers durch Überwärmung. Das Verfahren wird auch zur Krebsbehandlung eingesetzt, da Krebszellen besonderes hitzeempfindlich reagieren. Praktiziert wird die Methode entweder als aktive Hyperthermie durch Fieber erzeugende Substanzen wie Bakterien oder Viren, so dass der Organismus selbst wie bei einer Infektionskrankheit „Hitze“ erzeugt, oder als passive Hyperthermie durch Mikrowellen, Radiowellen oder Infrarotwellen.

Die wissenschaftlichen Untersuchungen der Hyperthermie dokumentieren, dass unter dem Verfahren die Blutversorgung im Krebsgewebe beeinträchtigt wird, dass Krebszellen absterben, dass Immunfunktionen aktiviert werden und sich die Wirksamkeit der Chemo- oder Strahlentherapie erhöht.

Vor diesem Hintergrund wird das Verfahren gelegentlich als „vierte Säule“ der Krebstherapie bezeichnet. Das aber darf nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich lediglich um eine ergänzende Behandlung handelt. Denn durch die Hyperthermie kann eine Krebserkrankung nicht geheilt werden, es wird keine langfristige Tumorrückbildung erwirkt und die belastenden Therapieformen wie Chemooder Radiotherapie oder auch verstümmelnde Operationen lassen sich durch die Hyperthermie nicht ersetzen oder vermeiden. Die Behandlung sollte nach Beuth deshalb in Zentren erfolgen, die die Hyperthermie tatsächlich als komplementäres Verfahren entsprechend der Indikation einsetzen und wissenschaftlich weiterentwickeln.

Außenseitermethoden

Neben den beschriebenen Therapieverfahren gibt es eine Reihe von Außenseitermethoden, deren klinische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht dokumentiert ist. Sie finden bei Krebspatienten dennoch nicht selten Anwendung, da viele Patienten leicht gewillt sind, nach jedem Strohhalm zu greifen und oft für Verfahren, die ihnen Heilung versprechen, erhebliche Kosten übernehmen, auch wenn die Wirksamkeit solcher Verfahren nicht belegt ist.

Die Anwendung fragwürdiger Therapieverfahren ist oft nicht nur teuer, sondern kann problematisch sein, etwa wenn dadurch erprobte Verfahren erst verspätet zum Einsatz kommen und der Tumor in Folge zunächst einmal ungehemmt weiterwächst. Die Verfahren selbst, die zum Teil nicht oder nur völlig unzureichend erprobt sind, können zudem Gesundheitsgefahren bergen.

Eine Methode, deren Wirksamkeit in der Krebstherapie nicht hinreichend erforscht ist, aber in Privatkliniken und Praxen angeboten wird, sei die Bioelektrische Tumortherapie, von der er der Wissenschaftler „wegen der zurzeit fehlenden Datenlage“ strikt abrät. Als Außenseitermethoden, für deren Wirksamkeit es keine wissenschaftlichen Belege gibt und die möglicherweise sogar aus gesundheitlicher Sicht problematisch sind, werden unter anderem auch die Bioelementare Kombinationstherapie nach Maar- Varro genannt, die Frischzellen- oder Frischextrakttherapie, Hamers „Neue Medizin“ sowie eine Behandlung mit Galavit, mit Megamin, Noni-Saft, Recancastat oder Klehr-Eigenblutzytokine.

Auch für alternative „Krebsdiäten“ gibt es, wie oben schon erwähnt, keinen Wirksamkeitsnachweis. Außerdem gefährden sie die Versorgung mit wichtigen Nähr- und Mineralstoffen und können damit den Organismus eher schwächen als stärken.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.