Der besondere Praxisfall

Schmelzerosionen durch Vitamin-C-Einnahme

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Die nachfolgende Falldarstellung zeigt die mögliche destruktive Potenz von vermeintlich „gesunden Lebensgewohnheiten“.

Eine 19-jährige Patientin, die seit Mitte 1997 in unserer Praxis regelmäßig an Vorsorgeuntersuchungen und Individualprophylaxemaßnahmen teilnimmt, erscheint mit leichten Beschwerden im Bereich der marginalen Gingiva der Zähne 21, 22 in unserer Praxis. Neben einer druckempfindlichen dezenten Rötung des Zahnfleischbereichs regio 12 bis 22 fallen die massiv erodierten fazialen und inzisalen Schmelzanteile der Zähne 11 und 21 auf. Die kariesund füllungsfreie Patientin berichtet, dass sie seit zirka zwei bis drei Monaten eine zunehmende Rauigkeit der oberen Frontzähne bemerkt. Auf unsere Nachfrage, ob Ernährungs-, Mundhygiene- oder berufliche Veränderungen (explizit Säureexposition) in den letzten Monaten stattgefunden haben, verneint die junge Frau zunächst. Zwei Stunden nach dem Termin meldet sich die Patientin telefonisch und informiert uns über regelmäßige Einnahme von Vitamin C–Pulver in den letzten drei Monaten. Auf Anraten ihres Arbeitgebers (Internist) sollte sie zur „Erkältungsprophylaxe“ in den Wintermonaten täglich Ascorbinsäure (Vitamin C) einnehmen. Die Patientin dosierte mindestens einen Teelöffel auf zirka 150 Milliliter Wasser und nahm diesen „Vitamintrunk“ während ihres Frühstücks ein. Wenige Minuten nach dem Frühstück putzte sie sich mit einer Zahnbürste unklarer Borstenhärte und einer Blendax Anti-Belag Zahnpasta (Hersteller: Procter & Gamble) die Zähne. Auf Anfrage bei Procter & Gamble wurde uns telefonisch ein Abrasionswert dieser Zahnpasta von „um die 100 RDA“ bestätigt; ein Abrasions-Wert, der nach unserer Meinung gegen eine tägliche Verwendung dieser Zahnpasta spricht. Unsere Apotheke überprüfte den Säuregehalt des Vitamingetränks. Bei einer Dosierung wie auf der Verpackung angegeben (ein bis zwei Messerspitzen auf 150 bis 200 Milliliter Flüssigkeit) wurde ein pH-Wert von drei ermittelt. Bei der verwendeten Dosierung von ein bis zwei Teelöffeln pendelte sich dieser Wert sogar auf pH zwei ein.

Dieser Fall zeigt, wie innerhalb von kurzer Zeit durch vermeintlich gesunde Maßnahmen (Vitamin C, gründliche Mundhygiene) – durch das Zusammentreffen von Säure, abrasiver Zahnpasta und möglicherweise zu aggressiver Putztechnik bei zu kleinem Zeitfenster zwischen Säureexposition und Zähneputzen – massive irreversible Schmelzschäden entstehen können. Allgemeine Aufklärung über diese Problematik erscheint notwendig.

Therapieplanung

Unsere Therapieplanung bei diesem außergewöhnlichen Fall ist eine Politur der Schmelzoberfläche an den Zähnen 13 und 23, die direkte Kompositabdeckung an den Zähnen 12 und 22, sowie Keramikveneers an den Zähnen 11 und 21. Da die Patientin derzeit in der Ausbildung zur Arzthelferin ist, ist die definitive Versorgung aus Kostengründen noch nicht erfolgt.

Dr. Joachim Lomb & Meik MöllerLöherstr. 2936037 Fulda

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