Jahrestagung des Arbeitskreises für Gerostomatologie e.V. (AKG)

Immobiler Patient – mobile ZahnMedizin

Die 14. Jahrestagung des Arbeitskreises für Gerostomatologie e. V. (AKG) am 18. September 2004 in Jena versuchte durch Vorstellung von Projekten, Initiativen und zahnmedizinischen Konzepten die Möglichkeiten und Grenzen mobiler ZahnMedizin aufzuzeigen.

Die derzeitige und zukünftige Zunahme der Bevölkerungsgruppe der über 65-Jährigen geht mit einer zunehmenden Anzahl an Senioren einher, die im Alter auf Hilfe im täglichen Leben angewiesen sind. Unter anderem führen Einschränkungen in Mobilität und Eigenverantwortlichkeit zu Problemen in der medizinischen Versorgung Betagter und Hochbetagter.

Referenten unterschiedlichster Fachrichtungen prägten das Tagungsprogramm und unterstrichen damit die Interdisziplinarität der Ziele des Arbeitskreises. So stellte im ersten Hauptreferat Privatdozent Dr. Jürgen Füller, Jena, die moderne Strahlentherapie im interdisziplinären Behandlungskonzept von Kopf-Hals- Tumoren vor. Von den 340 000 jährlichen Neuerkrankungen nimmt diese Lokalisation eine untergeordnete Rolle ein. Bei Männern stehen Tumorerkrankungen der Prostata beziehungsweise der Lunge und bei Frauen Neubildungen im Gebiet der Brustdrüse beziehungsweise des Verdauungstraktes weiterhin im Vordergrund. Neben der Chemotherapie und der chirurgischen Intervention, ist die Strahlentherapie eine der drei Hauptsäulen der Tumortherapie und kommt zu über zwei Dritteln im Bereich der Palliativtherapie zum Einsatz. Die erhöhte Strahlenempfindlichkeit von Tumorzellen gegenüber nicht erkrankten Zellen ist Grundlage der Strahlentherapie. Dabei wird durch eine fraktionierte Bestrahlung tumoröser Gewebe den gesunden Zellen die Möglichkeit gegeben, sich zwischen den Einzelbestrahlungen zu regenerieren. Als häufigste Nebenwirkung nannte Füller die Hautrötung, welche in zehn bis 15 Prozent der Fälle auftritt. Die moderne Strahlentherapie ist heute in der Lage, beliebige Feldformen und beliebige Intensitäten der Bestrahlungen zu generieren, um empfindliche Gewebe, beispielsweise Speicheldrüsen, zu schonen. Besonders wies Füller auf die Gefahr der Osteoradionekrose im Unterkiefer hin, die bei einem Prozent der Bestrahlungen im Kopf-Hals-Bereich auftritt. Er empfahl weiterhin, zahnmedizinische Sanierungen bei strenger Indikationsstellung im Vorfeld abzuschließen und frühestens sechs Monate nach Beendigung der Bestrahlung mit einer prothetischen Belastung des Tegumentes zu beginnen. Bei Einhaltung dieser Karenzzeit, ist eine Versorgung dieser Patientengruppe mit enossalen Implantaten im bestrahlten Knochen ebenfalls unbedenklich.

Abrechnung muss besser werden

Im zweiten Hauptreferat stellte der Referent für Prüfwesen und konservierend / chirurgische Leistungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Thüringen Dr. Volker Oehler, Erfurt, Möglichkeiten der Abrechnung extern erbrachter zahnärztlicher Leistungen vor. Er weist darauf hin, dass es keine speziellen Abrechnungsmodalitäten für externe Behandlungen gibt und Praxisbesonderheiten (Betreuung von Pflegebedürftigen in Senioreneinrichtungen und in häuslicher Umgebung) bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht berücksichtigt werden.

Die Arbeitsgruppe Dr. Alexander Hassel, Dr. Ulrich Koke und Prof. Dr. Peter Rammelsberg, Heidelberg, untersuchten in Pflegeeinrichtungen der Stadt Heidelberg prothesenabhängige mundgesundheitsbezogene Lebensqualität (MLQ) unter Zuhilfenahme des Oral Health Impact Profile (OHIP) und konnten feststellen, dass zwischen einer Versorgung mit Totalprothesen und einer Versorgung mit Kombinationsprothesen kein Unterschied bezüglich der MLQ bei den befragten Senioren bestand. Nicht die Art der Versorgung, sondern ihre Funktionalität scheint eher im Vordergrund zu stehen.

Altenpflegeberufsanwärter sollen Zahnpflege erlernen

Dr. Renate Mehring, Ahaus-Wessum, stellte ein Pilotprojekt zur zahnmedizinischen Ausbildung von zukünftigen Altenpflegerinnen und Altenpflegern vor. Dabei wird in jedem der drei Ausbildungsjahre ein Block „Zahnheilkunde“ gelehrt. Als Unterrichtsmaterial werden das Lehrbuch für zahnmedizinische Fachangestellte, das Handbuch der Mundhygiene für betagte Menschen, chronisch Kranke und Behinderte der Bundeszahnärztekammer, das computergestützte Trainingsprogramm „Gesund im Alter – auch im Mund“ sowie ein Phantomkopf genutzt. Heike Prestin, Berlin, berichtete über die Einrichtung eines Demonstrationskoffers zur Sicherstellung regelmäßiger Prophylaxemaßnahmen in Einrichtungen der Alten- und Behindertenpflege. Zwölf Koffer stehen seit November 2003 interessierten Zahnärzten des Kammerbereiches Berlin in den zwölf Bezirken der Stadt für die Durchführung von Gruppenprophylaxemaßnahmen leihweise zur Verfügung. Neben Mundhygieneartikeln sind auch Anleitungen zur Pflege von Zahnfleisch und Zähnen beinhaltet.

Die Arbeitsgruppe Dr. Klaus-Peter Wefers et al., Jena, präsentierten Ergebnisse einer Interventionsstudie zur Mundhygiene bei stationären Aufenthalten von Patienten in vier Krankenhäusern in Thüringen. Dabei musste festgestellt werden, dass sich bei jedem Patienten Mund- und Prothesenhygieneparameter bei fehlenden Instruktionen in der Zeit der stationären Behandlung verschlechterten. Werden dem Patienten dagegen Hinweise und Unterrichtungen erteilt, so konnte mit einer Kontroll- und einer Interventionsgruppe, nachgewiesen werden, dass sich der API bei 74 Prozent, SBI bei 76 Prozent und der Index nach Quickly/Hein bei 96 Prozent der stationären Patienten verbesserte.

Zwei Drittel der Zahnärzte behandeln extern

Dr. Franz-Josef Wilde, Rosendhal, Dr. Ina Nitschke, Alexander Ilgner, Professor Dr. Thomas Reiber, Leipzig, stellten Ergebnisse einer Befragung von Zahnärzten im Kammerbereich Westfalen-Lippe zur Versorgung immobiler Patienten vor. 68 Prozent der befragten Zahnärzte behandeln demnach in Pflegeheimen und 79 Prozent in häuslicher Umgebung. Mit im Mittel sieben (Pflegeheim) beziehungsweise fünf (häusliche Umgebung) externen Behandlungen pro Jahr ist die Häufigkeit aber gering. Ein Fünftel der Zahnärzte gibt an, über spezielle Kenntnisse in der Versorgung Pflegebedürftiger zu verfügen, über die Hälfte würde an Schulungen auf dem Gebiet der Gerostomatologie teilnehmen. Über 80 Prozent sehen die Versorgung Pflegebedürftiger als Aufgabe niedergelassener Zahnärzte, 31 Prozent sind der Meinung, dies sei Aufgabe der Zahnärztekammern, 20 Prozent sehen die Krankenkassen und 35 Prozent den öffentlichen Gesundheitsdienst in der Pflicht (Mehrfachnennungen möglich). Als möglichen Faktor der Verbesserung nennen Zahnärzte eine intensivierte Ausbildung und Schulung des Pflegepersonals und die Qualität der Mundhygienemaßnahmen durch Dritte. 

Wolfgang Bleileven, Bad Laer, ging auf alle möglichen Konzepte einer mobilen Behandlung hochbetagter und immobiler Patienten ein. Dabei bekräftigte er die Wichtigkeit einer enger Zusammenarbeit der daran beteiligten Berufsgruppen und Interessenvertretungen und regt eine postgraduale strukturierte Ausbildung für Zahnärzte auf dem Gebiet der Gerostomatologie an.  

Die Arbeitsgruppe Dr. Florian Mack und Prof. Reiner Biffar, Greifswald, stellten erste Erfahrungen aus der praktischen studentischen Ausbildung im Fach Alternszahnmedizin vor. Der Referent berichtete, dass die Studierenden, die die Pflegeeinrichtung in kleinen Gruppen besuchten, die Ausbildung als interessant und lehrreich fanden.  

Über die Konsiliartätigkeit von Zahnärzten in Pflegeeinrichtungen berichteten Dr. Ina Nitschke, Alexander Ilgner und Prof. Dr. Thomas Reiber, Leipzig. Dabei wurde besonders auf mögliche Hinderungsgründe eingegangen und festgestellt, dass nur wenige Zahnärzte aufgrund der Konfrontation mit dem Älterwerden und dem Tod die Übernahme einer Konsiltätigkeit in Pflegeeinrichtungen ablehnen. Haupthinderungsgründe waren der Kostenund Verwaltungsaufwand sowie die Arbeitsbedingungen.

Ehrungen und Preise

Den Tagungsbestpreis für den besten Vortrag erhielt die Arbeitsgruppe Dr. Klaus-Peter Wefers, Ph. Weber, F. Moldenhauer und Prof. Harald Küpper, Jena, für eine „Interventionsstudie zur Mundhygiene älterer stationärer Patienten“. Der von der blend-amed Forschung und vom AKG ausgelobte Gero-2004-Förderpreis wurde nicht vergeben.  

Termin

Die nächste Jahrestagung des AKG wird gemeinsam mit anderen Fachgesellschaften im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) in der Zeit vom 24. bis 30. Oktober 2005 in Berlin stattfinden. Interessierte Kollegen sind herzlich eingeladen, sich auch durch Tagungsbeiträge zu beteiligen. Weiterführende Informationen unterwww.akgerostomatologie.deund bei alexander.ilgner@akgerostomatologie.de.

Alexander IlgnerUniversitätsklinikum Leipzig AÖR, Poliklinik fürZahnärztliche Prothetik und WerkstoffkundeBereich SeniorenzahnmedizinNürnberger Straße 5704103 Leipzig

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