Gesundheitsreform hält Wettbewerbszentrale auf Trab

Lauter unlautere Methoden

Vom „klassischen Frühstart“ über geschönte Balkendiagramme bis zum Ettikettenschwindel – alles war dabei, als Rechtsanwältin Christiane Köber von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. (Wettbewerbszentrale) in Bad Homburg im Februar auf einer Pressekonferenz Bilanz zog.

Die Wettbewerbszentrale hat im vergangenen Jahr 1 600 Anfragen und Beschwerden aus dem Gesundheitsbereich bearbeitet, davon betrafen 200 Fälle Ärzte oder Kliniken, 148 die Apothekenbranche. Während die Anzahl der Beschwerden im Vergleich zum Vorjahr konstant blieb, häuften sich Anfragen. Köber führt dies auf den durch das GKV-Modernisierungsgesetz erhöhten Beratungsbedarf zurück: „Allein in den ersten sechs Wochen dieses Jahres haben wir 69 Anfragen und Beschwerden beispielsweise zu Aktionen von Apothekern erhalten, im gesamten Vorjahr waren es 150!“

Die Gesundheitsreform trat erst am 1. Januar 2004 in Kraft, ihre Auswirkungen waren bereits im letzten Jahr zu spüren. Eine Auswirkung sei, den Wettbewerb im Gesundheitssektor zu beleben, kommentierte Köber: „Es ist interessant, wie Neuerungen die Kreativität wecken“. Und die wollen Köber und ihr Kollege Hans-Frieder Schönheit, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer, in die richtigen Bahnen lenken, für Verbraucher, Wettbewerber und die Allgemeinheit einen geschützten Rahmen sichern.

Versandhandel und Kassengebühr

Besonders die gesetzlichen Lockerungen zum Versandhandel verlockten manchen Unternehmergeist offenbar frühzeitig zu Wettbewerbswidrigkeiten. Entsprechend früh, im November 2003, erwirkte die Zentrale zum Beispiel eine einstweilige Verfügung gegen einen Hamburger Arzneimittelvertreiber. Sein Konzept, verschreibungspflichtige Medikamente in Zusammenarbeit mit öffentlichen Partnerapotheken auszuliefern und nach eigenen Angaben dabei nur als Bote zu agieren, hatte die Zentrale unter die Lupe genommen und zerpflückt: Da der Vertreiber die Logistik zwar wie ein Apotheker vornahm aber keine öffentliche Apotheke führte und zudem mit dem Verzicht auf die Zuzahlung die Gewährleistung einheitlicher Abgabepreise unterwandere, verstoße er gegen das Wettbewerbsrecht. Die Richter sahen es ebenso. Geändert hat die einstweilige Verfügung an der Aktivität des Hamburger Geschäftsmannes bis lang wenig, bei Redaktionsschluss warb der Arzneimittelvertreiber munter weiter im Internet. Köber und Kollegen haben beim Hanseatischen Landgericht kurzerhand ein Ordnungsgeld beantragt.

Ebenfalls unverhüllt, aber nur von kurzer Dauer sei der klassische Frühstart zweier Apotheker in Frankfurt gewesen, die bewusst schon im Dezember mit Schnäppchenpreisen die Preisbindung aufhoben, um vor der Konkurrenz den Kunden „alle Vorteile der Gesundheitsreform zukommen“ zu lassen.

Auch eine andere Neuerung des Modernisierungsgesetzes brachte kreative Köpfe zu unlauteren Ideen: die Praxisgebühr. So hat die Zentrale die Werbeaktion eines Softwareherstellers beanstandet, nach der Ärzte die Patienten an eine bestimmte Apotheke zuweisen, die quasi als Entgelt für die Zuweisung wiederum für den Patienten die Zuzahlung übernimmt. Zuweisungspauschalen sorgten auch in anderen Fällen für Wirbel: Umworbene Ärzte meldeten irritiert Angebote, nach denen zum Beispiel ein Kinderarzt seine Patienten gegen Provision als Kunden an einen Ausrichter für Sprachreisen vermitteln sollte.

Der Wettbewerb unter den Kassen floriert. Und treibt mitunter merkwürdige Blüten: So belegte eine Betriebskrankenkasse (BKK) bei ihrer Selbstdarstellung im Internet laut eindrucksvoller Balkendiagramme Platz eins in allen Punkten zur Kundenzufriedenheit. Wen wundert’s? Die Zentrale! Sie forschte hartnäckig nach und entdeckte, dass hier schlicht geschönt wurde: Alle besser bewerteten Konkurrenten wurden außen vor gelassen... Grundsätzlich sei eine Neigung der Kassen festzustellen, so Köber und Schönheit: „hohe Beitragssätze mit irreführenden Aussagen zu schönen“.

Was drauf steht, muss drin sein, heißt eine Devise der Wettbewerbshüter. Bei Ettikettenschwindel verstehen Sie keinen Spaß: Wenn ein Hersteller seinen Saft mit – respektive aus – exotischen Früchten anpreist, dürfe dieser nicht zu drei Viertel aus preiswertem Apfelsaft bestehen. Die so genannten Wellnessgetränke, die Kranke Schluck für Schluck gesunden lassen sollen, nahmen die Anwälte aus Bad Homburg ebenfalls ins Visier: Rund 100 Mal mahnten sie letztes Jahr die irreführende Werbung für angeblich heilende Aloe Vera-Säfte ab.

 

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