Patienten-Erklärung

Respekt vor dem Willen zum letzten Schritt

Patienten-Erklärungen gegen eine künstliche Lebensverlängerung sollen rechtlich größeres Gewicht bekommen. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) kündigte jetzt einen entsprechenden Gesetzentwurf an. Kritiker monieren, ihr Vorhaben gehe zu weit.

Ein Mann, 72 Jahre alt, liegt im Koma. Sein Sohn wird als Betreuer bestellt. Er kann nicht durchsetzen, dass die künstliche Ernährung des Vaters gemäß dessen Verfügung beendet wird. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes muss ein Vormundschaftsgericht selbst dann eingeschaltet werden, wenn eine Patientenverfügung vorliegt.

September letzten Jahres setzte deshalb die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries eine Arbeitsgruppe „Patientenautonomie am Lebensende“ ein, die Änderungen im Betreuungsrecht vorschlagen sollte. Vorrangige Aufgabe für die Mediziner, Juristen, Sozialverbände und Kirchenvertreter war, zu klären, welche Kriterien für eine Patientenverfügung gelten müssen. Jetzt stellte die Arbeitsgruppe unter Leitung des ehemaligen Bundesrichters Klaus Kutzer ihre Vorschläge im Juni vor, Zypries kündigte eine „zügige“ Umsetzung an.

Der neue Gesetzesentwurf soll den Wert von Patientenverfügungen erhöhen und Ärzten, Patienten und deren Angehörigen mehr Rechtssicherheit geben, so die Justizministerin. Danach soll künftig auch ein „Vorsorgebevollmächtigter“ den Willen eines todkranken Patienten durchsetzen, der zu einem eigenen Entschluss nicht mehr fähig ist. Das Gesetz soll nach dem Willen der Bundesregierung bis 2006 in Kraft treten. Die Ministerin forderte die Bürger auf, sich stärker über ihre Einstellungen zur Lebensverlängerung – etwa mit künstlicher Ernährung – bei schwersten Erkrankungen Gedanken zu machen und Verfügungen zu hinterlegen.

Mit der Arbeitsgruppe hatte Zypries auf das erwähnte Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom März 2003 reagiert. Darin hatte der BGH zwar ebenfalls die Bedeutung von Patientenverfügungen betont, gleichzeitig aber auch entschieden, dass bei einem Dissens zwischen Ärzten und den Betreuern eines im Wachkoma liegenden Patienten das Vormundschaftsgericht angerufen werden muss. Dies habe dann zu entscheiden, ob im Sinne des Patientenwohls die künstliche Ernährung eingestellt werden kann oder nicht.

Ein solches Gericht soll nach den Worten von Zypries dann nicht mehr eingeschaltet werden müssen, wenn in einer Patientenverfügung ein so genannter Vorsorgebevollmächtigter eingesetzt wird. Er soll auf Grundlage des Inhalts der Verfügung den Willen des Patienten dann auch durchsetzen können. Zudem soll die Patientenverfügung künftig in jeder Lage der Erkrankung zu beachten sein – und nicht nur wie bisher bei einem bereits feststehenden tödlichen Verlauf.

Zypries hat bereits auf ihrer Internet-Seite „http://www.bmj.bund.de“ Textbausteine als Formulierungshilfen für Patientenverfügungen veröffentlicht, rät aber dringend, sich vor deren Abfassung beraten zu lassen. Aktive Sterbehilfe – also das gezielte Verabreichen von tödlichen Mitteln durch Ärzte auch auf Wunsch von Patienten – lehnt die Bundesregierung laut Zypries ab, doch genau dieses stellen die Kritiker der Vorschläge in Frage, zum Beispiel bei der Patientenvereinigung Deutsche Hospizstiftung und bei dem Präsidenten der Bundesärztekammer Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe. Evangelische und katholische Kirche betonten, Kranke dürften „in keinerlei Hinsicht unter Druck gesetzt werden“.

Auch der Bioethik-Enquete-Kommission gehen die Vorschläge zu weit. Der stellvertretende Vorsitzende der Ethik-Kommission des Bundestags, Hubert Hüppe (CDU), sah laut dpa „außerordentlich gefährliche Tendenzen“ in Richtung der Aufweichung des Lebensschutzes. Die Kommission wurde im Februar dieses Jahres gegründet, als eben die Forderung nach einer Erweiterung der Sterbehilfe laut wurde. Entsprechend tragen nicht alle Enquete-Mitglieder die Entscheidung der Kommission mit, bemängeln diese gar als Rückschritt in Sachen Patientenautonomie. Der FDP-Obmann in der Kommission, Michael Kauch, wendete sich enttäuscht über deren Beschlüsse an die Öffentlichkeit, die „Mehrheit der Enquete- Kommission will Patienten möglichen Zwangsbehandlungen ausliefern“! Kauch weiter: „Die Enquete-Kommission ist angetreten, bessere Rahmenbedingungen für Patientenverfügungen zu schaffen. Das Gegenteil ist für den Zwischenbericht zu erwarten, der nun am 30. August verabschiedet werden soll. Abgesehen von Fällen, in denen der Tod trotz Behandlung absehbar ist, bedeuten die abgestimmten Eckpunkte für den Zwischenbericht, dass lebensverlängernde Maßnahmen auch gegen den in Patientenverfügungen geäußerten Willen des Patienten aufrecht erhalten werden sollen.“ Die Mehrheit der Enquete-Kommission habe, so Kauch, empfohlen, die Reichweite von Patientenverfügungen für einen zum Tode führenden Behandlungsabbruch gesetzlich auf Situationen zu beschränken, in denen das Grundleiden irreversibel ist und der Tod in absehbarer Zeit eintritt. Für andere Krankheitsphasen seien Maßnahmen mit großer Eingriffstiefe und großen Belastungen ausnahmslos abgelehnt worden.

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