Onkologie

Bereits 50 Prozent der Malignome könnten heilbar sein

Auf dem diesjährigen 26. Deutschen Krebskongress Ende Februar in Berlin standen Verbesserungen in der onkologischen Gesundheitsversorgung im Mittelpunkt, die mit geringem Ressourcenverbrauch erreichbar sind. Ein Beispiel ist die Primärprävention.

Bereits in der Auftaktpressekonferenz betonte Prof. Peter Drings, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft und klinischer Onkologe an der Universität Heidelberg, dass bei sachgerechtem Vorgehen heute bereits im Schnitt jede zweite Krebserkrankung heilbar ist. Je nach Stadium und Lokalisation des Tumors sind diese Raten natürlich unterschiedlich. Das Überleben der Patienten in passabler Lebensqualität hängt jedoch immer von einer professionellen Diagnostik sowie einer operativen, strahlentherapeutischen oder medikamentösen Therapie nach dem neuesten Stand der Medizin ab.

Bereits auf diesem traditionell ärztlichen Sektor sieht Prof. Drings erstaunliche Qualitätsunterschiede je nach Routine und Fortbildungswilligkeit der behandelnden Onkologen. Ein Negativbeispiel seien etwa Kliniken, die sich der Therapie des Brustkrebses widmen, sich aber nicht dafür zertifizieren lassen (siehe weiter unten).

Tumoren entstehen nicht zufällig

Viele Patienten kommen in die Praxis des Onkologen, um einen fraglichen Tumor abklären zu lassen. Sie sind dann bei positivem Befund völlig niedergeschmettert. „Warum gerade ich?“, so lautet aus der täglichen Erfahrung von Drings eine der häufigsten Fragen der Patienten.

Dabei fällt kaum ein Krebs aus „heiterem Himmel“. Die meisten Tumoren sind – auch – durch das Verhalten des Patienten erklärbar. Sei es, dass sie übersehen, wie sehr sie familiär belastet sind, sei es, dass sie überhaupt ihren Körper vernachlässigen oder sogar bewusst schädigen, zum Beispiel durch Zigarettenrauchen.

Um diesen präventiven Aspekt zu konkretisieren, hat die Deutsche Krebsgesellschaft zehn Leitsätze zur Krebsvorbeugung herausgebracht. Sie enthalten folgende Empfehlungen:

1.Rauchen Sie nicht.

2.Reduzieren Sie die Menge an Alkoholika, die Sie trinken – gleich, wie viel es gewöhnlich ist.

3.Essen Sie Obst, Gemüse und Getreideprodukte mit hohem Ballaststoffanteil.

4.Bauen Sie Ihr Übergewicht ab.

5.Vermeiden Sie Sonnenbrand, vor allem auch bei Ihren Kindern.

6.Seien Sie nicht nachlässig im Umgang mit Krebs erzeugenden Stoffen, zum Beispiel mit Lösungsmitteln.

7.Suchen Sie einen Arzt auf, wenn Schwellungen, Geschwüre oder auch dunkle Hautflecke nicht heilen.

8.Gehen Sie bei anderen Verdachtssymptomen, wie chronischer Heiserkeit, lang andauerndem Husten, verändertem Stuhl, Problemen beim Wasserlassen oder unerklärlichem Gewichtsverlust, zum Arzt.

9.Für Frauen: Lassen Sie Abstriche am Gebärmutterhals machen, besonders wenn sie familiär belastet sind.

10.Für Frauen: Untersuchen Sie Ihre Brust regelmäßig und gehen Sie regelmäßig zur Mammographie – besonders wenn Sie familiär belastet sind.

Radiochemotherapie vor Operation beim Rektum-Ca

Derzeit beobachten die Onkologen mit Sorge die Zunahme der Karzinome (Ca) des unteren Gastrointestinaltraktes (ihre Verteilung zeigt Abbildung 1). Als Behandlungsverfahren stehen operative Eingriffe, Strahlentherapie und Chemotherapie zur Verfügung. Nun hat sich, wie Prof. Rolf Sauer, Erlangen, auseinander setzte, in den letzten Jahren herausgestellt, dass die früher übliche Dominanz der Chirurgie beim Kolonkarzinom nicht mehr gilt. Nicht selten blieben nach den oft umfangreichen Operationen am Darm doch Tumorreste oder befallene Lymphknoten zurück, die dann die Quelle eines raschen Rezidivs waren.

Hier sei der Ansatz der postoperativen („adjuvanten“) Chemotherapie am erfolgreichsten. Als Routine stelle das Vorgehen sicher, dass verbleibendes transformiertes Gewebe durch die Zytostatika geschädigt wird.

Anders sieht es nach Prof. Sauer beim Rektumkarzinom aus. Hier ist zwar an spezialisierten Zentren durch verfeinerte Operationsverfahren die Zahl der Frührezidive deutlich verringert worden – die neue Technik werde jedoch nur von wenigen Chirurgen mit ausreichender Erfahrung beherrscht. Daher ist es, so Sauer nach den neuesten Studien sicherer, vor der Operation mit gezielter Bestrahlung und Chemotherapie (Radiochemotherapie) im „neoadjuvanten“ Verfahren zu beginnen, um vor dem chirurgischen Eingriff die Tumormasse zu verkleinern und die Malignität zu reduzieren.

Dadurch seien erhebliche Verbesserungen zu erzielen: Die Tumorrückfallrate werde halbiert, bei wesentlich mehr Patienten könne der Schließmuskel und damit eine wichtige Stütze der Lebensqualität erhalten bleiben. Außerdem werde die peri- und postoperative Morbidität verringert.

Suchen Sie sich ein Brustzentrum mit Zertifikat

Endlich reagiert die Deutsche Krebsgesellschaft auch auf die über Jahre – auch in dieser Rubrik – beschriebenen Missstände bei der Versorgung von Patientinnen mit Mammakarzinom. Durch Schaffung eines Gütesiegels für Brustzentren, auf das sich die maßgeblichen Fachgesellschaften (Deutsche Krebsgesellschaft und Deutsche Gesellschaft für Senologie) geeinigt haben, soll der Qualitätsstandard in Deutschland internationalen Regeln angepasst werden.

Das Angebot für eine solche Zertifizierung läuft seit Juli 2003. Kliniken, die sich bewerben, müssen einen interdisziplinären Ansatz (nicht nur Gynäkologen) garantieren, die Operateure sollen im Jahr mindestens 50 Operationen durchführen, das Zentrum mindestens die Hälfte davon brusterhaltend vornehmen. Jedes Zentrum muss nachweisen, dass dort im Jahr mindestens 150 Neuerkrankungen behandelt werden, die ansässigen Radiologen sollen pro Jahr mindestens 3 000 Mammographien auswerten.

Bislang seien, so Prof. Klaus Höffken, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft und Direktor der Klinik für Innere Medizin II an der Universität Jena, lediglich 16 Zentren auf diese Weise zertifiziert worden. Es sind Kliniken in den Städten Berlin, Bremen, Eschweiler, Freiburg i. Br., Halle, Heidelberg, Lahr, Mainz, Mannheim, Marburg, Offenburg, Oldenburg, Rosenheim, Stuttgart, Tübingen und Ulm. Es ist bemerkenswert, dass Universitätsstädte wie Frankfurt a. M., Hannover oder München noch kein zertifiziertes Brustzentrum besitzen.

Prof. Höffken rät allen Patientinnen mit einem neu diagnostizierten Brustkrebs, nur dann die Behandlung in der Klinik durchführen zu lassen, die den Befund erhoben hat, wenn sie zu den zertifizierten Zentren gehört. Zumindest sollte in einem zertifizierten Zentrum eine „zweite Meinung“ eingeholt werden.

Wichtig sei, nicht auf Werbegags von Kliniken zu verfallen, die sich zwar Brustzentrum nennen, aber nicht zertifiziert sind. Auch ist die Qualität von rekonstruktiven Operationen an der betroffenen Brust nur in den Brustzentren mit Zertifikat beider Fachgesellschaften garantiert.

Till Uwe Keil

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