Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Nüsse zu knacken ist eine traditionell weihnachtszeitliche Übung. Sie erfordert ein gehöriges Maß an Geschick, Gefühl und Erfahrung. Schließlich will man die Schale brechen, ohne den Kern zu zerstören. Und jeder weiß, dass das Freilegen der begehrten, möglichst unversehrten Innerei besonders harter Exemplare ein sehr korrektes Maß an physikalischer Kraft braucht.

Angela Merkel und ihre große Regierungskoalition wollen besonders harte Nüsse knacken. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Eins der härtesten Exemplare deutscher Sozialpolitik, die möglichst nachhaltige Gesundheitsreform, wollen sie sich bis Jahresmitte 2006 vornehmen. Man ist davon überzeugt, gerade mit der großen Koalition endlich die nötige Kraft aufzubringen, an den Kern der Dinge zu kommen. Aber hat man auch das erforderliche Feingefühl? Sind die Hebel die richtigen?

Zweifel kamen auf, als die Bundesgesundheitsministerin direkt im Alleingang versuchte, den noch nagelneuen „Nussknacker“ zu nutzen. Glücklicherweise haben hier Politik und Physik durchaus Gemeinsames: Ihr einseitiger Druck, wen wundert’s, ging fürs Erste ins Leere.

Inzwischen ist allen klar, dass Kompromiss gefragt ist, nicht die Bürgerversicherung, nicht die Gesundheitsprämie in Reinform. Dennoch: Die vor der Bundestagswahl immer wieder als unvereinbar dargestellten Finanzierungsmodelle sieht man heute als zumindest in Teilen passförmig. Ob das für den angedachten Kompromiss, den selbst Leute wie der SPD-Abgeordnete Lauterbach inzwischen herbeireden wollen, reichen wird, bleibt fraglich.

Ulla Schmidt hat ihren ersten Hebeldruck inzwischen als missverstanden korrigiert. Aber die Lage der Dinge hat sich, ob falsch aufgefasst oder nicht, geändert. Und grundsätzlich revidiert wurde aus dem Gesundheitsministerium eigentlich nichts. Bleibt abzuwarten, wie kompromissbereit die mit Richtlinienkompetenz ausgestattete Kanzlerin mit dieser Materie umgehen wird. Die Zahnärzteschaft wird das weitere Bemühen um die Reform mit außergewöhnlicher Aufmerksamkeit und entsprechender Aktivität begleiten.

Um die harte Nuss Gesundheitswesen tatsächlich so zu knacken, dass eine nachhaltige Reform stattfindet, ist die Finanzfrage aber nur ein Teil der Dinge. Der Umgang mit dem Demografieproblem und Zugang und Erhalt des medizinischen Fortschritts erfordern mehr als nur eine Begradigung der Krankenkassenfinanzierung.

Die Vorweihnachtszeit mit ihren deutlich erkennbaren Protesten aus leistungstragenden Teilen des Gesundheitswesens hat deutlich gezeigt, dass die jahrelang geäußerten Befürchtungen der Heilberufler um das Überleben der qualitativ hochwertigen Versorgung keineswegs unbegründet waren.

Die Politik wird erkennen müssen, dass es hier nicht um das Ausquetschen von Zitronen, sondern tatsächlich um das gekonnte Knacken harter Nüsse geht.

Im Namen der zm-Redaktion mit den besten Wünschen für das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel!

Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur

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