Gastkommentar

Kassenkampf für Kostendämpfung

Während die Delegationen zur Bildung einer Großen Koalition um Konzepte für eine Reform des Gesundheitswesens gerungen haben, ist den Kassen nichts Besseres eingefallen, als nach Kostendämpfung zu rufen.

Hartwig Broll
Gesundheitspolitischer Fachjournalist in Berlin

War da nicht etwas, zu Beginn des Jahres 2004? Richtig, seither gibt es die – bislang – jüngste Gesundheitsreform, in ein Gesetz mit dem schicken Namen „GKV-Modernisierungsgesetz“ gegossen. Und nach Einschätzung seiner Macher war es auch ein ausgesprochen erfolgreiches Gesetz. „Die größte Reform der jüngeren Sozialgeschichte“ sei es gewesen, so jedenfalls die Einschätzung von Horst Seehofer, der mit Ulla Schmidt jenes Reformgesetz ausgekaspert hatte. Und letztere prophezeite, das Jahr 2004 werde „ein Jahr der Beitragssatzsenkungen“ werden. Stolze 12,6 Prozentpunkte sollte der durchschnittliche Beitragssatz nach Wirksamwerden sämtlicher Maßnahmen betragen, immerhin schon 13,6 Prozentpunkte bereits gegen Ende des Jahres 2004.

Dieses Ziel haben die teilweise drastischen Umfinanzierungsmaßnahmen des Gesetzes deutlich verfehlt, noch immer dümpelt der durchschnittliche Beitragssatz knapp über 14 Prozent. Und für die seinerzeit hauptverantwortlichen Politiker, die nunmehr beide am Kabinettstisch Platz nehmen sollen, droht weiterhin Ungemach. Denn die Kassen sehen sich nach Auslaufen der zeitlich begrenzten Sparmaßnahmen – vor allem im Arzneimittelbereich – sogar mit erneut steigendem Finanzbedarf konfrontiert. Wie passend also, dass durch die verkürzte Legislaturperiode der gesundheitspolitische Handlungsbedarf neu bestimmt werden soll. Und so schritten denn die Kassen in Gestalt des derzeit für die GKV federführenden IKK-Bundesverbandes zur Tat, der Politik ihre Vorstellungen für die weitere Ausgestaltung des Gesundheitswesens schriftlich mitzuteilen. Und der Beobachter reibt sich ob des Inhalts dieses Schreibens doch einigermaßen erstaunt die Augen: Nach einer der größten Umfinanzierungsgesetze der vergangenen Jahre fällt den Kassen überwiegend nur platte Kostendämpfung ein.

Der kurzfristige kostendämpfende Interventionsbedarf, den die Kassen bei der Politik anmahnen, fokussiert sich auch nicht ausschließlich auf den Arzneimittelbereich. Hier sollen die geltenden Festbetragsregelungen beibehalten, ein „angemessener Beitrag“ der Industrie eingefordert und die Aut-idem-Regelung revidiert werden. Gleichzeitig soll der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel angewendet – eine bekannte, angesichts der Kassenlage aber wohl utopische Forderung – sowie der Fixzuschlag der Apotheker abgesenkt werden. Einen „beitragssatzrelevanten Ausgabendruck“ spüren die Kassen aber auch im Krankenhausbereich, hier wird die Rücknahme „vereinzelter Rückfälle in die Kostenerstattung“, die das 2. Fallpauschalengesetz verursacht habe, gefordert. Das unumwundene Eingeständnis der Kassenseite, mit den derzeit vorhandenen Instrumenten zur Kostendämpfung einfach nicht zurecht zu kommen, muss doch nachhaltig verwundern. Kündigen die Gesundheitsministerin oder ihr Staatssekretär Klaus Theo Schröder nicht zu jeder sich bietenden Gelegenheit auch für das laufende Jahr einen üppigen Überschuss der GKV an? Wie lange soll die von der Politik in ihrer Höhe offensichtlich massiv unterschätzte Verschuldung der Kassen noch als Ausrede dafür herhalten, dass sich diese Überschüsse nicht oder nur marginal auf die Beitragssatzpolitik der einzelnen Kassen auswirken?

Aber vielleicht liegt es ja auch gar nicht an der Verschuldung oder dem „Versagen“ der Selbstverwaltung. Hat nicht ausgerechnet die Politik immer dann im Sinne der Versorgung der Versicherten interveniert, wenn die Selbstverwaltung – etwa in Gestalt des Gemeinsamen Bundesausschusses – ihre rigorosen Vorgaben in die Versorgungswirklichkeit umsetzen wollte? Beitragssatz hin oder her – der Versicherte ist eben immer auch ein Wähler.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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