Stellungnahme der DGZMK, DGZPW, DGZ

Aufbaufüllungen für einen vitalen Zahn

Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde (DGZPW) und der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) für die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund-, und Kieferheilkunde (DGZMK)

1. Definition

Aufbaufüllungen (AF) ersetzen durch Karies oder Trauma verlorengegangene Zahnhartsubstanz als Vorbereitung einer Inlay-, Teilkronen- oder Kronenpräparation.

Hauptfunktionen einer AF sind

• die dichte Versiegelung der vorhandenen Dentinwunde [4, 6, 7, 12-15, 23, 24, 54, 56, 58, 63, 68, 74, 75],

• die Stabilisierung der gesunden Zahnhartsubstanz, [3, 20, 31, 44, 55, 60-62, 71, 76, 81, 83, 85, 96, 97],

• das Schaffen von Retentionsflächen [87] und

• die Vereinfachung und Erleichterung von Präparation und Abformung [18, 20].

2. Materialkonzepte

Die konventionelle Methode der Stumpfrekonstruktion verwendet Zemente, zum Beispiel Phosphatzement oder Glasionomerzement (konventioneller, metallverstärkter, hoch visköser GIZ). Deren Einsatz ist hinreichend dokumentiert und praxiserprobt, birgt aber den Nachteil, dass die Möglichkeit der exakten Präparation durch die niedrige Härte der Zemente im Vergleich zu den Zahnhartsubstanzen beeinträchtigt ist [3, 10, 30, 31, 37, 92]. Es ist fraglich, ob durch Aufbauten aus Zementen Retentionsflächen geschaffen werden können, da die Haftung von Phosphat- oder Glasionomerzement an Schmelz und Dentin ohne zusätzliche Präparation von Unterschnitten nicht immer ausreichend ist [3, 17, 87, 92]. Andere Wege gehen adhäsiv an der Zahnhartsubstanz verankerte AF [3, 31, 39, 41, 42, 52, 60, 66, 76, 83, 85, 90, 96]. Zu diskutieren sind hierbei kunststoffmodifizierter GIZ [65], Kompomere [2, 69] und Komposite [76]. Durch die adhäsive Verankerung kann eine hohe Verbundfestigkeit zum Dentin erzeugt werden, welche sich günstig auf die Abdichtung der durch die Kariesexkavation geschaffenen Dentinwunde auswirkt [6, 7, 16, 22-24, 45, 46, 48, 51, 58, 59, 67, 70, 72, 77, 80]. Steht bei großen Defekten mindestens noch eine (orale oder vestibuläre) Wand des zu präparierenden Zahnes, kann durch eine adhäsive AF eine neue Retentionsfläche entstehen. Ein weiterer Vorteil der oben genannten AF ist die im Vergleich zu den konventionellen Zementen höhere Festigkeit mit der Möglichkeit einer leichter durchzuführenden Präparation [10, 11, 20, 81].

3. Klinische Problematik

3.1 Konventionelle Zemente, Amalgam, parapulpäre Stifte:

Geringe Festigkeit und geringe Verstärkung der Zahnhartsubstanz:

Stark unterminierte Schmelz- und Dentinbereiche sind bei der Präparation zu vermeiden, da keine Verbundfestigkeit zur Zahnhartsubstanz erreicht wird [18, 87]. Allenfalls Glasionomerzemente können einen Verbund zur Zahnhartsubstanz erreichen [92]. Ihre geringgradige mechanische Festigkeit stabilisiert bei voluminösen Aufbauten die Zahnhartsubstanz jedoch nur unzureichend [10, 11, 81, 100].

Auf die Verwendung metallverstärkter Zemente sollte verzichtet werden, da es unter der Restauration langfristig zur Korrosion der Metallfeilung kommen kann. Aus dem gleichen Grunde wird auch ein Aufbau aus Amalgam nicht empfohlen [47]. Aufbaufüllungen aus Amalgam sollten auch deswegen vermieden werden, weil dieser Werkstoff umfangreiche Zahnhartsubstanzpräparation benötigt, eine Stabilisierung der verbliebenen Zahnhartsubstanz nur unzureichend erfolgt [28, 29, 57, 87] und eine dichte Versiegelung der Dentinwunde nicht erfolgen kann [3, 16, 32, 78, 79]. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sieht den Werkstoff Amalgam als nicht geeignet zur Neuanfertigung von Stumpfaufbauten zur Aufnahme von Inlays oder Kronen an [8].

Parapulpäre Stifte und Schrauben zeigen in der praktischen Anwendung einen nicht zu unterschätzenden Anteil an Perforationen sowohl in das Pulpakavum als auch in den Parodontalspalt hinein [50, 73, 96, 99]. Sprünge des Dentins und Pulpitiden können selbst bei korrekter Einbringung der Stifte auftreten [9, 21, 36, 89, 98]. Darüber hinaus ist die dauerhafte Retention des Aufbaus nicht immer gegeben [55], so dass die Verwendung parapulpärer Stifte/Schrauben einer strengen Indikation unterzogen sein sollte.

3.2 Kunststoffmodifizierte GIZ (Hybridionomere) und Kompomere: Hygroskopische Expansion:

Während die Härte der Materialien einer exakten Präparation entgegenkommt und ein adhäsiver Verbund zur Zahnhartsubstanz möglich ist [64, 65, 69], stellt die hohe Wasseraufnahme die Eignung von kunststoffmodifizierten GIZ und Kompomeren als AF klinisch in Frage [2, 5, 70]. Bei der Planung von Vollkeramikkronen (oder Galvanokronen mit dünnem Metallanteil) muss darauf hingewiesen werden, dass manche kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente beziehungsweise Kompomere einer beträchtlichen hygroskopischen Expansion unterworfen sein können [2, 5]. Dies kann zu Spontanfrakturen bei Vollkeramikkronen führen. Kompomere und kunststoffmodifizierte GIZ sollten nicht als AF bei vollkeramischen Restaurationen verwendet werden.

3.3 Komposite:

Gefahr der Randspaltbildung als generelles Problem:

Auch bei Anwendung der Inkrementtechnik und optimaler Verbindung zum Dentin besteht durch die Polymerisationsschrumpfung der Füllungskomposite die Gefahr der Randspaltbildung [1, 6, 27, 33-35, 38, 42, 76, 82, 90, 91-95]. Gerade bei größeren Defekten ist ein vollständig dichter Rand auch bei adhäsiven AF nicht zu erwarten. Deshalb ist ein Fassen des Übergangs AF-Zahn von mindestens ein bis zwei Millimetern obligatorisch [10, 53, 83]. Zur leichteren klinischen Orientierung der Lage des Übergangs Aufbau/Dentin empfiehlt es sich, ein Aufbaumaterial mit deutlichem Farbkontrast zum Dentin zu verwenden. Des Weiteren sollten zur Überkronung vorgesehene, adhäsiv rekonstruierte Zähne vor und nach der Präparation nicht beliebig lange ungeschützt in der Mundhöhle verbleiben.

Chemische Inkompatibilität mit Adhäsivsystemen bei Verwendung autopolymerisierender Komposit-Aufbaumaterialien:

Es ist erwiesen, dass Bondingsysteme, die für den Einsatz mit lichthärtenden Füllungskompositen konzipiert sind, in manchen Fällen nicht oder nur mangelhaft mit autopolymerisierenden Kompositen kompatibel sind [40, 43, 49, 52, 84]. Vor allem selbstkonditionierende Systeme mit niedrigem pH-Wert ohne separates Bonding Agent können die Aminkomponente von Autopolymerisaten inhibieren und somit eine reduzierte Verbundfestigkeit nach sich ziehen.

Gefahr der Randspaltbildung bei Verwendung autopolymerisierender Komposite:

Bei der Applikation autopolymerisierender Präparate ist eine Inkrementtechnik ähnlich der Vorgehensweise bei plastischen Kompositfüllungen durch den damit verbundenen zeitlichen Aufwand nicht praktikabel. Ein Auffüllen des Defektes in einer Schicht geht jedoch mit einer erheblichen Volumenkontraktion einher [1, 19, 93]. Die dadurch höhere absolute Schrumpfung bedingt wiederum Randspalten oder – eine ausreichende Haftung vorausgesetzt – Frakturen in der geschwächten Restzahnhartsubstanz mit der Gefahr postoperativer Hypersensitivitäten. Dieses Problem korreliert mit dem so genannten C-Faktor (Verhältnis ungebundene zu gebundene Kompositoberfläche), das heißt, je mehr Flächen des Kompositaufbaus an die Zahnhartsubstanzen gebunden sind, desto größer ist die Gefahr von Randspalt und/oder Fraktur [95].

Maßgabe einer ausreichenden Trockenlegung:

Adhäsiv verankerte plastische Füllungsmaterialien sind nur dann indiziert, wenn eine ausreichende Möglichkeit der Trockenlegung gewährleistet ist. Dies muss daher ebenso für die plastische adhäsive Stumpfrekonstruktion mit Kompositen und anderen Materialien gelten.

4. Schaffen von Retentionsflächen

Auch bei Anwendung der Adhäsivtechnik ist es nicht zweckmäßig, Präparationen an komplett zerstörten Zähnen ohne vorhandene Retention an der restlichen Zahnhartsubstanz durchzuführen. In solchen Fällen ist es sinnvoll, den Übergang Zahn-Aufbau nach apikal mit der Präparation so zu fassen, dass mindestens ein bis zwei Millimeter Retentionsflächen in der Zahnhartsubstanz verbleiben. Steht noch eine Wand des zu restaurierenden Zahnes, ist es statthaft, die gegenüberliegende Retentionsfläche aus adhäsiv befestigtem Komposit zu gestalten.

5. Zusammenfassung

Die Möglichkeit der adhäsiven AF bietet bei konsequenter Anwendung von Schmelz-/Dentinadhäsiven Vorteile im Vergleich zu konventionellen AF aus Zementen. Die Hauptvorteile adhäsiver AF zu konventionellen Aufbauten aus Zement bestehen in der effektiveren Abdichtung der Dentinwunde, der Haftung an Schmelz und Dentin sowie der erleichterten Präparation. Eine ausreichende Trockenlegung muss jedoch möglich sein. Eine adhäsive AF kann die Retention an der Zahnhartsubstanz wie bei tief zerstörten oder frakturierten Zähnen nicht völlig ersetzen. Daher muss ausreichend Retention an der verbleibenden Zahnhartsubstanz gewährleistet sein oder durch Präparation beziehungsweise chirurgische Kronenverlängerung geschaffen werden. Das Devitalisieren eines tief zerstörten, aber vitalen Zahnes zur Steigerung der Retention sollte lediglich als ultima ratio betrachtet werden.

PD Dr. Roland FrankenbergerGlückstraße 1191054 Erlangen

PD Dr. Michael BehrFranz-Josef-Strauß-Allee 1193053 Regensburg

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung ausdzz 7 (15. 6. 2005)

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