Hessische Studie zum einrichtungsinternen Qulitätsmanagement für Zahnärzte

Vorsorge statt Nachsorge

Mit dem Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) wurde den Leistungserbringern in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zum 1.1.2004 erstmals ausdrücklich die Einführung eines „einrichtungsinternen Qualitätsmanagements“ aufgegeben. Ein Auftrag, für dessen Umsetzung oftmals allein standardisierte Qualitätsmanagementsysteme wie DIN ISO 9000ff oder EFQM in das Blickfeld geraten. In wie weit hier auch andere Wege beschritten werden können, hat nun die Landeszahnärztekammer Hessen im Rahmen einer Projektstudie untersucht.

Ausgangspunkt dieser Projektstudie war das Problem, dass es ein spezifisches „Qualitätsmanagementsystem (QMS) zahnärztliche Praxen“ nicht gibt. Zwar können vorhandene Systeme an die besonderen Bedürfnisse der ambulanten zahnärztlichen Praxis angepasst werden. Dies ist jedoch nach allen bisher gewonnenen Erfahrungen mit Kosten von bis zu mehreren 10 000 Euro sowie einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Die Aussicht, so viel Geld und Zeit zu investieren, sollte nachdenklich machen. Was fordert der Gesetzgeber hier überhaupt? Was meint er mit „Qualität“? Auf welche Weise muss sie „gemanagt“ werden?

Die Erfüllung von Anforderungen

Nach dem derzeitigen Stand der Qualitätsdiskussion bedeutet der Begriff Qualität heute verkürzt die Erfüllung aller einschlägigen gesetzlichen Vorschriften einerseits und andererseits die Erfüllung aller Anforderungen des Kunden. Nicht mehr, aber wohl auch nicht weniger „Qualität der Qualität“ wird daher der Gesetzgeber des § 135a Abs. II Nr. 2 SGB V verlangen.

Begreift man Qualität als eine Summe von veränderlichen Anforderungen, muss zahnärztliches QM also sicherstellen, dass die an die zahnärztliche Praxis gestellten Anforderungen geordnet nach Struktur-, Prozessund Ergebnisqualität erkannt und erfüllt werden.

Die Anforderungen der Strukturqualität beschreiben zunächst die Rahmenbedingungen, innerhalb derer die zahnmedizinische Versorgung zu leisten ist. Hinzu kommen die Bestimmungen der Sozialgesetzgebung (SGB V und nachgeordnete Vorschriften), welche zusätzliche Rahmenbedingungen bei der Erbringung von Leistungen im Rahmen der GKV definieren.

Die gesetzlichen Anforderungen im Rahmen der Strukturqualität sind bekanntermaßen hoch komplex. Die heutige, moderne Zahnarztpraxis muss zusammengefasst folgende Regelungsbereiche beachten:

• Arbeits- und Gesundheitsschutz• Vorschriften für Arbeitsstätten• Medizinprodukte/elektrische Betriebsmittel• Druckbehälter• Lasergeräte• Röntgeneinrichtungen• Gefahrstoffe• Sterilisatoren und Desinfektionsautomaten• Amalgamabscheidung• Praxishygiene• Entsorgung von Praxisabfällen• Brand- und Explosionsschutz• Umwelt und Abfallbeseitigung• Betrieb eines Praxislabors

Zu diesen Anforderungen der Strukturqualität treten die Anforderungen der Prozessqualität. Ihre Anforderungen richten sich zum einen auf die kunstgerechte Ausführung von Diagnose- und Therapiemethoden unter Beachtung des Standes der zahnmedizinischen Wissenschaft. Gerade in Zeiten einer immer niedrigeren Halbwertzeit des Wissens gehört zur Prozessqualität auch die Kompetenzerhaltung durch ständige Fortbildung. Zum anderen fordert die Prozessqualität die Gewährleistung sicherer Arbeitsabläufe im Rahmen der Normal- und Notfallorganisation durch den Praxisinhaber, aber auch durch das Praxispersonal.

Zentrale Anforderung des Patienten ist schließlich eine dem zahnmedizinischen Handeln zuzuschreibende, positive Veränderung seines Gesundheitszustandes (Ergebnisqualität). Neben seiner Eigenschaft als Patient erwartet er jedoch als Kunde in der modernen Dienstleistungsgesellschaft eine auf ihn orientierte Empfangs- und Betreuungssituation in der Praxis. Erwartet wird ferner eine vollständige und richtige Aufklärung über Diagnose- und Therapiemöglichkeiten sowie über Gebührenund Abrechnungsfragen. Schließlich legen Patienten heute Wert auf umfassende Beratung durch unabhängige Stellen und im Konfliktfall Hilfestellung durch neutrale Schlichtungsangebote.

Der Gedanke des QM gerade in kleineren Betrieben wie Arzt- und Zahnarztpraxen wird mit gewichtigen Argumenten vielfacher Kritik unterworfen. An dieser Stelle kann aber angesichts der festgestellten Komplexität der Anforderungen auch einmal der Sinn von QM deutlich werden: Eine solche Anforderungsvielfalt wird jedenfalls nicht „bei Gelegenheit“ oder über betriebsorganisatorische „Insellösungen“ zuverlässig erfüllt werden können. Der Patient, aber auch der Gesetzgeber, verlangt jedoch diese Zuverlässigkeit. Sie muss daher systematisch, eben über ein Praxismanagement, hergestellt werden.

Umsetzung – aber richtig

Nach der Betrachtung dieser komplexen Anforderungssituation in einer zahnärztlichen Praxis wird deutlich, warum bei der Umsetzung eines der standardisierten Qualitätsmanagementsysteme (DIN ISO, EFQM und weitere) ein derartig großer zeitlicher wie finanzieller „Übersetzungsaufwand“ entsteht: Er liegt insbesondere darin begründet, dass diese Systeme keine Vorgaben dazu liefern, welche inhaltlichen Anforderungen an eine Zahnarztpraxis gestellt werden und wie diese umzusetzen sind. DIN ISO und weitere bieten dem Praxisinhaber lediglich einen abstrakten Rahmen von Organisationspflichten, etwa die „Lenkung von Dokumenten“. Dieser Rahmen muss aber erst mit konkreten Handlungsund Organisationspflichten nebst der Festlegung, wer für ihre Erfüllung verantwortlich sein soll, ausgefüllt werden.

Dabei wird oft übersehen, dass viele qualitätssichernde Maßnahmen bereits seit Jahren von den Praxen durchgeführt werden, ohne jedoch systematisch miteinander in Beziehung gesetzt zu werden. Sie hatten daher nie die Chance, als ein eigenständiges zahnärztliches Qualitäts- /Praxismanagement begriffen zu werden. Dieser Gedanke war Ausgangspunkt des Zahnärztlichen Praxismanagements, kurz Z-PMS. Das Z-PMS wurde bereits vor zirka vier Jahren im Auftrag des Vorstandes der Bundeszahnärztekammer in seinen Grundzügen von einer Arbeitsgruppe der Geschäftsführer der Landeszahnärztekammern entwickelt.

Die Landeszahnärztekammer Hessen hat nun in ihrer Projektstudie die sprichwörtliche Praxistauglichkeit des Z-PMS-Konzeptes untersucht. Dabei wurde in drei Schritten vorgegangen: Zunächst wurde gezeigt, wie die Anforderungen an die zahnärztliche Praxis aufgenommen werden. In einem zweiten Schritt war zu untersuchen, inwieweit der Praxisinhaber bei der Umsetzung dieser Anforderungen durch Arbeitshilfen (im Rahmen der Studie Qualitätssicherungshilfen genannt) der zahnärztlichen Körperschaften unterstützt wird. Als dritter Schritt sollte der Umfang der in den Praxen ebenfalls bereits durchgeführten qualitätsrelevanten Dokumentations- oder Auditierungsmaßnahmen festgestellt werden.

Ziel dieser Studie war es zu zeigen, dass mit den bereits durchgeführten, qualitätsrelevanten Maßnahmen sowie den von den zahnärztlichen Körperschaften geschaffenen Arbeitshilfen ein wirkungsvolles Praxismanagementsystem zur Verfügung steht und durch den Einsatz von DIN ISO und weiteren, mithin viel teure und umfangreiche Doppelarbeit vermieden werden kann.

Praxishandbuch als Basis

Sobald also die Projektstudie alle relevanten Anforderungen zusammengeführt sowie nach Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualitätsrelevanz geordnet hatte, war im zweiten Schritt das Vorhandensein von Umsetzungshilfen zu prüfen. Das Z-PMS soll dem Praxisinhaber ja gerade das „Übersetzen“ der zahllosen gesetzlichen Regelwerke abnehmen, indem es vorgefasste Checklisten, Aushang-Muster und mehr bereitstellt.

Erster und zentraler Baustein solcher „Qualitätssicherungshilfen“ ist ein vollständiges und aktuelles Praxishandbuch. So benennt für den Bereich der Strukturqualität das kürzlich herausgegebene Praxishandbuch der LZKH alle gesetzlichen Anforderungen und zeigt dem Praxisinhaber Wege auf, wie die einzelnen Vorschriften gerichtsfest unter den speziellen Bedingungen der zahnärztlichen Praxis umgesetzt werden können. Auch für die Anforderungen der Prozessqualität können dem Praxisinhaber geeignete Umsetzungshilfen zur Verfügung gestellt werden. Hinsichtlich kunstgerechter Behandlung stehen ihm hier die Stellungnahmen der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde im Internet zur Verfügung. Bisher konnte der Zahnarzt jedoch auf keine Hilfe zurückgreifen, mit welcher er systematisch und kostengünstig die sich immer weiter verkürzende Halbwertzeit des Fachwissens kompensieren konnte. Es blieb nur die aufwändige Beobachtung eines zum Teil teuren und intransparenten Fortbildungsmarktes. Die LZKH hat daher ein spezielles, allgemeinzahnärztliches Curriculum für den Generalisten konzipiert. Modular aufgebaut, vermittelt es über einen Zeitraum von rund drei Jahren berufsbegleitend einen umfassenden, aktuellen Einblick in alle Bereiche der modernen Zahn-, Mundund Kieferheilkunde.

Die ablaufbezogenen Anforderungen der Praxisorganisation werden dagegen über das Qualitätssicherungshandbuch der LZKH abgedeckt. Dieses Handbuch umfasst eine Sammlung typischer Arbeitsabläufe der Normal- und Notfallorganisation einer zahnärztlichen Praxis, welche der Praxisinhaber entweder übernehmen oder entsprechend den Bedürfnissen seiner Praxis individualisieren kann. Festgelegt wird dabei jeweils, wer, (zum Beispiel hinsichtlich Hygiene oder Behandlungsvorbereitung) was wie und wann verantwortlich zu leisten hat. Hinsichtlich der Anforderungen der Ergebnisqualität gibt ebenfalls das Qualitätssicherungshandbuch der LZKH Ablaufvorschläge für die optimale Betreuung, Beratung und rechtssichere Aufklärung des Patienten. In Bearbeitung sind ferner Mustervorschläge für Patientenbefragungen, mithin ein wichtiger Baustein für den gewünschten, ständigen Verbesserungsprozess in der zahnärztlichen Praxis.

Anleitungen für das steten Wandlungen unterworfene Abrechnungs-/ Rechnungsstellungswesen können wiederum der Service-CD der LZKH sowie den einschlägigen Unterlagen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung entnommen werden.

Für interessierte Patienten bietet die LZKH außerdem landesweit produkt- und personenneutrale öffentliche Informationsveranstaltungen, die so genannten Patientenforen, an. Wünscht der Patient weitere Beratung, Schlichtung eines Konflikts oder ein Fachgutachten, kann der Praxisinhaber auf die entsprechenden Angebote der LZKH verweisen: ganztags besetzte Patientenberatungsstelle, Schlichtungsstelle sowie anerkannte, geschulte Kammergutachter.

Auditierungs- und Dokumentationsebene

Auch, wenn der Praxisinhaber über diese ihm an die Hand gegebenen Qualitätssicherungshilfen alle Anforderungen erkannt und umgesetzt hat, bleibt die Frage der Glaubhaftmachung. Diese Frage hat sowohl eine individuelle Seite gegenüber dem Patienten, als auch eine generelle, politische: Gibt man als Freier Beruf vor, mit einem selbst entwickelten QMS den Schutz öffentlicher Interessen zu betreiben, muss sich dies gegenüber den Aufsicht führenden staatlichen Stellen, insbesondere aber auch gegenüber einer kompetenten und kritischen Presse tatsächlich nachweisen lassen können.

Die standardisierten QMS lösen diese Frage zumeist über die Auditierung/Zertifizierung der getroffenen, qualitätsrelevanten Maßnahmen durch spezialisierte, unabhängige Stellen. Im Rahmen der Projektstudie sollte daher im dritten Schritt untersucht werden, ob nicht auch hier auf entsprechende, bereits durchgeführte Verfahren in den Praxen zurückgegriffen werden kann.

So zeigte sich für den Bereich der Strukturqualität, dass im Zuständigkeitsbereich der Landeszahnärztekammer Hessen bereits alle zahnärztlichen Praxen durch den Betriebs- und Sicherheitsdienst (BuS-Dienst), also durch dritte Personen, in einem Dreijahres-Rhythmus begangen werden. Während der BuS-Dienst die Arbeits-, Sicherheits- und Hygienefragen abdeckt, überprüft die Zahnärztliche Stelle Röntgen der LZKH ebenfalls in einem dreijährigen Rhythmus die Einhaltung der strahlenschutzrechtlichen Vorgaben.

Aber auch der Bereich der Prozessqualität kann sich in dieser Weise glaubhaft machen lassen. Hinsichtlich der besonders wichtigen zahnärztlichen Kompetenzerhaltung wird nach den Beschlüssen der Delegiertenversammlung der LZKH dem Zahnarzt künftig die Möglichkeit gegeben, seine persönlichen Fortbildungsleistungen in einem geregelten Verfahren anerkennen zu lassen. Der Zahnarzt erhält dann ein gegebenenfalls gemeinsames Fortbildungssiegel der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der LZKH und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK). Eine im Rahmen der Prozessqualität geschaffene Aufbau- und Ablauforganisation könnte ebenfalls durch den BuS-Dienst betreut werden. Die qualitätsgesicherte Aus- und Fortbildung der Praxismitarbeiterinnen schließlich wird durch satzungsrechtlich definierte Prüfungen bei der Landeszahnärztekammer sichergestellt.

Ebenfalls abzudecken ist auf diese Weise die Ergebnisqualität: Die behandlungsbezogene Aufklärung des Patienten findet Eingang in die mit Einsichtsrecht belegte und gerichtlich verwertbare Patientendokumentation, Honorarvereinbarungen können auf Wunsch des Patienten der GOZ-Beratungssowie der Gutachterstelle der LZKH vorgelegt werden. Gleiches gilt für diagnose- und therapiebezogene Entscheidungen. Konfliktlösungsmöglichkeiten schließlich bieten die Schlichtungsstelle der LZKH sowie natürlich die ordentlichen Gerichte.

Schlussbetrachtung und Ausblick

Der Versuch der Projektstudie, bereits erfolgreich bestehende, aber als „Insellösungen“ praktizierte, qualitätsrelevante Maßnahmen zu einem geschlossenen System zusammenzuführen, erscheint außerordentlich ermutigend. Aus der gezeigten Bildung von Regelkreisen und deren systematischer Zusammenführung kann ein umfassendes Zahnärztliches Praxismanagement-System (Z-PMS) gewonnen und glaubhaft gemacht werden. Dabei bleibt Z-PMS trotz der weitgehenden Einbeziehung eigener Strukturen mit anderen QM-Systemen kompatibel. Es können nicht nur Benchmarking-Prozesse, wie etwa nach EPA-dent, integriert, sondern auf seiner Basis auch auf individuellen Wunsch hin Zertifizierungen, zum Beispiel nach DIN-ISO, angestrebt werden.

Z-PMS erfüllt darüber hinaus auch einen ganz anderen Zweck: Seine systematische Aufnahme aller gestellten Anforderungen zeigt mit schlaglichtartiger Transparenz die ungeheuren bürokratischen Belastungen auf, welchen die zahnärztliche Praxis unterworfen ist.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bleibt denn zu hoffen, dass der gemeinsame Bundesausschuss seine Richtlinienkompetenz in einer Weise ausübt, die spezielle Qualitätsmanagementsysteme wie das Z-PMS bestätigt. Sind diese doch beispielhafter Ausdruck des durch die freiberufliche Selbstverwaltung verwirklichten Patientenschutzes: Sachund bürgernah und dabei fachlich kompetent.

Die aus der Projektstudie gewonnenen, ermutigenden Ergebnisse wird die Landeszahnärztekammer Hessen jedenfalls dazu nutzen, die beschriebenen einrichtungsinternen, sowie auch die einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherungshilfen weiter auszubauen und zu optimieren. Bietet ZPMS dem Zahnarzt doch nicht nur die Erfüllung der Vorgaben des Gesetzgebers. Als zukunftsoffenes, selbst bestimmtes und auf die Bedürfnisse der zahnärztlichen Praxis zugeschnittenes Werkzeug kann es vielmehr Praxisabläufe einerseits effizient und effektiv, andererseits auch sicher und gerichtsfest gestalten. Denn auch hier gilt: Vorsorge ist besser als Nachsorge!

Dr. Markus SchulteHauptgeschäftsführer der LandeszahnärztekammerHessen (LZKH)

Dr. Wolfgang KlennerVorstandsreferat der LZKH Qualitätssicherung

Korrespondenzadresse:Rhonestr. 460528 Frankfurt

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