Berufsunfähigkeit – das verkannte Risiko

Aussteiger wider Willen

„Es wird viel passieren“, selbst der Song einer Daily Soap tönt in dieses Horn. „Mir doch nicht“, denkt mancher angehende Freiberufler cool und strebt dynamisch entspannt dem Erfolg entgegen. Zu entspannt, mahnen Fachleute. Und Betroffene ebenso. Ob das Risiko häufig oder selten ist: Trifft die Berufsunfähigkeit einen Zahnarzt unerwartet, dann erwischt sie ihn eiskalt. Besser, er sorgt vor.

Hand aufs Herz – wer träumt nicht in jungen Jahren davon, früh in einen bewegten Ruhestand einzutreten und endlich tun und lassen zu können, was er will?! Selbstbestimmt mag das ja in realiter ganz nett sein. Anders sieht es aus, wenn äußere Umstände zu dem Schritt in den Ruhestand zwingen, Diagnose: Berufsunfähig. 41 Jahre jung, gerade die ersten Sprossen der Karriereleiter erfolgreich genommen, da steht eine Zahnärztin aus Rostock, Mecklenburg-Vorpommern, unverhofft vor dem Aus. Nach erst sieben Jahren im Beruf. Der ständige Zeitdruck schlug auf die Psyche, Handschuhe und häufiges Reinigen der Hände verursachten Ekzem, ein Bandscheibenvorfall gesellte sich noch hinzu.

Die Verbraucherzentrale in Bremen hat im Mai 2004 Zahlen der gesetzlichen Rentenversicherungsträger veröffentlicht. Danach werden 7,55 Prozent der Zahnärzte berufsunfähig, ähnlich Richter und Staatsanwälte mit 7,81 Prozent. Lediglich Hochschullehrer lagen mit 7,02 Prozent unter diesen Werten. Allerdings tragen weder Richter noch Staatsanwälte noch Hochschullehrer das Risiko der Selbständigkeit. Statistisch gesehen ist das Risiko der Berufsunfähigkeit (BU) bei den Zahnärzten also gering und tritt erst im höheren Lebensalter ein.

Doch was nützt der Zahnärztin aus Rostock der günstige bundesweite Durchschnitt, wenn gerade sie dieses Los viel zu früh erwischt? Zweieinhalb Jahre sind seitdem vergangen, und sie fühlt sich durch die Mühlen der Verwaltung gedreht.

Obligatorisch geschützt

Eine Erleichterung bedeutet für Zahnärzte immerhin die obligatorische berufsständische Absicherung über das Versorgungswerk der Zahnärzte, von der sie im Falle einer völligen BU eine Rente erwarten dürfen. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) zahlten die zahnärztlichen Werke per 31. Dezember 2003 insgesamt 18 187 Renten, davon 1 024 wegen BU.

Die Werke nehmen alle approbierten und in ihrem Beruf tätigen Zahnärzte ohne Gesundheitsprüfung auf, Männer und Frauen zu gleichen Bedingungen. Angestellte müssen gegebenenfalls vorher die Befreiung bei der Deutschen Rentenversicherung (ehemals BfA) beantragt haben. Seit 1. Januar 2005 müssen Versicherte übrigens bei einem Umzug in den Einzugsbereich eines anderen Werkes zu diesem wechseln; die neue gesetzliche Regelung gestaltet damit das bisherige Wahlrecht der Zugehörigkeit EU-konform um. Alle genießen sofort den vollen Schutz, ohne Wartezeit. Die Höhe der BU-Rente berechnet sich grundsätzlich aus den Beträgen, die die Betreffenden zuvor eingezahlt hatten. Um frühzeitig ein auskömmliches Sicherungsniveau zu garantieren, gehen die Versorgungswerke bei der Berechnung einer BU-Rente davon aus, dass die Betreffenden die während ihrer Mitgliedschaft durchschnittlich gezahlten Beiträge andernfalls zum Beispiel bis zum 60. oder 65. Lebensjahr eingezahlt hätten.

Die dynamische Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung gilt in der Regel als Pluspunkt. Zudem wird die BU-Rente bis zum 65. Geburtstag bezahlt, dann in eine Altersrente umgewandel. Erschweren gesundheitliche Beschwerden die Arbeit in den letzten Berufsjahren, fährt der Freiberufler gegebenenfalls mit einer vorgezogenen Altersrente besser, da er dann als Zahnarzt hinzuverdienen darf, nicht aber bei der BU-Rente, so der Hinweis der ABV.

Ganz oder gar nicht

Grundsätzlich gewähren Versorgungswerke eine BU-Rente nur nach der Devise „Ganz oder gar nicht“. Es ist hier wie mit der Schwangerschaft: Ein bisschen BU geht nicht. Wenn der Zahnarzt seinen Beruf ganz aufgeben muss, kommt das einer berufsbezogenen Erwerbsunfähigkeit gleich. Eine Abstufung der möglichen Belastung – vergleichbar der Gesetzlichen Rentenversicherung – ist nicht vorgesehen. Sprich: Berufsunfähig sind demnach nur jene Zahnärzte, die aus gesundheitlichen Gründen keine Tätigkeit mehr ausüben können, bei der sie ihre zahnärztliche Vorbildung ganz oder teilweise verwenden können, um eine Existenzgrundlage zu schaffen.

Ist in der Satzung das so genannte Verweisungsrecht beinhaltet, prüft das Versorgungswerk, ob der Antragsteller in einem anderen als seinem bisherigen Umfeld als Zahnarzt arbeiten kann, sei es in Verbraucherzentralen oder Gesundheitsämtern. Ergo müssen die gesundheitlichen Beschwerden ihn derart beeinträchtigen, dass er weder als Gutachter, als Lehrer in der Berufsschule, als Autor bei Fachverlagen, noch im öffentlichen Gesundheitsdienst, in der Pharmaindustrie oder im Rahmen einer Beratungs- und Verwaltungstätigkeit seine zahnärztliche Ausbildung nutzen kann.

Meistens genügt ein formloser Antrag an das Versorgungswerk, dem der Betreffende sinnigerweise aussagekräftige ärztliche Unterlagen hinzufügt, die die Beeinträchtigung seiner zahnärztlichen Tätigkeit durch Art, Umfang und Auswirkung der Erkrankung dokumentieren. Daraufhin beauftragt das Versorgungswerk in der Regel einen oder mehrere ärztliche Gutachter. Die Versorgungswerke müssen das Interesse aller Zahnärzte im Blick behalten. Sorgloses Verteilen darf es nicht geben; deswegen ist in jedem Einzelfall eine gutachterliche Überprüfung der gemachten Angaben erforderlich.

Ein Starnberger Kollege schloss seine Praxis vor zwei Jahren. Rund zehn Jahre schmerzten seine Hände wegen einer Arthrose. Ein Orthopäde schlug eine Op vor, ein anderer riet dringend davon ab: „Dann kannste deine Krallen gar nicht mehr bewegen“, zitiert der Zahnarzt ihn lax und ergänzt: „Die Gutachter vom Versorgungswerk stimmten dem zu, das Versorgungswerk genehmigte die Rente – aber eben erst nach einem Jahr.“

Ausgebrannt

Häufig registriert werden Erkrankungen von Wirbelsäule, Herz und Haut sowie Krebserkrankungen. Und allerorts nehmen die psychischen Belastungen zu. Eine Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte aus 2001 untermauert diese Beobachtung zum Disstress in der Praxis: „Ständige unbewältigte Überforderungen führen dann zum Krankheitsbild des Burn-out-Syndroms, was gekennzeichnet ist durch die Trias emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und Leistungseinbruch …“ Das Syndrom treffe „im Prinzip leistungsorientierte Menschen, zu denen die Berufsgruppe der Zahnärzte zählt: ‚Wer ausbrennt, muss vorher gebrannt haben’.”

Nach Untersuchungen des IDZ ist Stress in der Rangliste der unangenehmen Seiten des Zahnarztberufes vom fünften auf den zweiten Platz vorgerückt. Doch offenbar kommt ein Leiden nicht unbedingt allein. Die Rostockerin kann davon ein Lied singen. Da ihre Berufsdermatose auch die Arbeit etwa als Gutachterin oder Schulzahnärztin zunichte macht, scheint ihr in diesem Beruf derzeit jede Perspektive versperrt. Die Gutachter vom Versorgungswerk bestätigten ihre Berufsunfähigkeit. Was sie sich wünscht ist ein Austausch mit Leidensgenossen.

Wie sie leiden viele Kollegen unter berufsbedingten Dermatosen und unter Rückenschmerzen, letztere verursacht durch die einseitige körperliche Beanspruchung der Wirbelsäule. 64 Prozent der Zahnärzte die Berufsausübung zurück.

Die meisten Werke haben die Vorgaben für die BU-Rente ähnlich ausgestaltet, allerdings stellen die Satzungen für den Beginn der Rente durchaus auf unterschiedliche Sachverhalte ab. Oft wird diese erst nach einer bestimmten Frist oder nach Einstellung der beruflichen Tätigkeit gezahlt.

Der Zuschlag für den Nachwuchs

Die finanziellen Aussichten der Zahnärztin aus Rostock sehen nach ihren Angaben zurzeit eher bescheiden aus. Allerdings erhält sie als zweifache Mutter bei einer anerkannten BU zuzüglich einen Kinderzuschlag je Sprößling, bis diese 18 Jahre alt sind respektive ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Für die Eltern unter den Berufsunfähigen zahlen die Versorgungswerke diesen Zuschlag. Er soll ausgleichen, dass Akademiker meist verhältnismäßig alt sind, wenn sie nach der Ausbildung Elternfreuden entgegensteuern. Und ergo entsprechend kleine oder zumindest junge Kinder haben, falls sie ihren Beruf vorzeitig an den Nagel hängen müssen.

Reha vor Rente

Aufhören? Den Gedanken weisen zwei Zahnärzte, aus dem Stuttgarter Raum, weit von sich. Beide, sie Anfang 50, er Anfang 60, möchten trotz fortschreitender arthrotischer Degeneration in den Händen weiter ihrem Traumberuf frönen. Eine BU bei den Versorgungswerken zu beantragen kommt für sie nicht in Frage. Allerdings ärgern sie sich darüber, dass eine offenbar berufsbedingte Arthrose der Daumengrundgelenke von der BGW nicht anerkannt wird.

Diese weitere mögliche – und für angestellte Zahnärzte obligatorische – Absicherung zielt stark auf Prävention und Reha vor Rente: Angestellte Zahnärzte und andere Mitarbeiter der Praxis sind bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege in Hamburg obligatorisch versichert; Selbstständige können dies freiwillig tun. Ohne Gesundheitsprüfung, ohne Wartezeit.

Allerdings nur für den beruflichen Bereich. Die Versicherung greift bei Arbeits- und Wegeunfällen sowie Berufskrankheiten, unter denen der Betreffende wegen der versicherten Tätigkeit leidet. Im Zweifelsfall muss der Zahnarzt den kausalen Zusammenhang zwischen Beruf und Erkrankung nachweisen, um Leistungen für Reha, Verletztengeld als Verdienstausfall oder eine Erwerbsunfähigkeitsrente zu erhalten oder von Präventionsangeboten zu profitieren; im Todesfall stehen der Familie Leistungen zu. Vorausgesetzt, die Erkrankungen sind in der so genannten Berufskrankheitenliste als solche bezeichnet.

Und da liegt der Hase im Pfeffer: Die BGW darf nach eigenen Angaben nur jene Krankheiten anerkennen, die die besagte Liste aufführt. Die wiederum stellt der Gesetzgeber auf, wehrt sich die BGW gegen Vorwürfe, sie „wolle“ manchmal nicht leisten – nein, sie dürfe nicht. Was den enttäuschten Antragsteller nicht zwingend milder stimmt. Zumal die BGW, ebenfalls nach eigenen Angaben im Internet, auch anders kann: „Ist eine Erkrankung nicht in der Liste der Berufskrankheiten verzeichnet oder werden die dort genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, gibt es die Möglichkeit, in Einzelfällen eine Erkrankung ‚wie eine Berufskrankheit‘ anzuerkennen“, sofern neue Erkenntnisse in der Medizin bis dahin bestätigt haben, dass diese bestimmte Tätigkeit eben diese gesundheitlichen Schäden verursacht. Was nach Ansicht der beiden Stuttgarter Zahnärzte in Sachen Arthrose des Daumengrundgelenkes eben zu überlegen wäre.

Ein weiterer Knackpunkt der berufsgenossenschaftlichen Absicherung: Bei einigen Erkrankungen, zum Beispiel der Haut, muss der Betreffende für deren Anerkennung die ursächliche berufliche Tätigkeit aufgeben.

„Wir haben beide in Berlin studiert und für die ‘Berliner Schule’ ist die exzessive manuelle Endodontie typisch“, erklärt die Stuttgarter Zahnärztin, deren Daumengrundgelenk mit Dolor, Rubor, Tumor und Calor sie nur allzu oft an die Überanspruchung erinnert. Gerade die Rotationsbewegung von Daumen und Zeigefinger bei der Wurzelkanalbehandlung lösen die Schmerzen aus. Inzwischen bereiten sie und ihr Partner maschinell auf, wann immer es geht. „Die bisherigen Behandlungen, wie Magnetfeldtherapie, Nahrungsergänzung und Corticoide, haben mich nicht vorwärts gebracht“, erklärt sie.

Der BGW-Grundsatz für Leistungen aber lautet generell: „Wir unterstützen den Rehabilitationsprozess ‚mit allen geeigneten Mitteln‘”, wie Heilbehandlungen, Kuren und Hilfsmittel, Berufshilfen und anderes. „Erst wenn alle diese Bemühungen nicht greifen und die Erwerbsfähigkeit auf Dauer eingeschränkt bleibt, zahlen wir eine Rente.“ Statt einer BU wird hier also die berufsbedingte Erwerbsunfähigkeit geprüft und Renten nach deren Ausmaß gewährt. Die Höhe der Beiträge an die BGW richtet sich nach drei Kriterien: Versicherungssumme, Gefahrenklasse und Beitragsfuß. Die Versicherungssumme legt der Selbstständige als freiwillig Versicherter selbst fest zwischen 15 000 und 72 000 Euro per anno. Die Gefahrenklasse, die das Unfallrisiko der Branche widerspiegelt, beträgt momentan 2,4, das ist die drittniedrigste im Gesundheitswesen. Der Beitragsfuß, der vom Finanzbedarf der BGW ab hängt, belief sich 2004 auf 2,10.

Der Stuttgarter Kollege geht sein Problem inzwischen lässig an: „Ich habe so etwa 17 000 bis 18 000 Wurzelkanäle von Hand aufbereitet“ Hinsichtlich der Schmerzen sei er ein Ignorant, was ihn betreffe, und versuche so zu behandeln, wie es der Befund verlangt. Natürlich sei es sinnvoll zu prüfen, was zwecks Entlastung zu delegieren ist. Denn „egal was er macht, der Zahnarzt braucht seinen Daumen“.

Reine Privatsache

Trotz der Schmerzen peilt der 62-Jährige die Frühberentung nicht an: „Ich liebe meinen Beruf!“ Und die private Vorsorge? Die endete laut seinem Vertrag schon mit 55 Jahren. Seine Praxiskollegin schloss nie eine ab. Die Rostocker Kollegin gab ihre auf, als sie nach zwei Jahren die Stelle wechselte. Der Kollege aus Starnberg hatte den Einstieg versäumt.

Fachleute empfehlen die private Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, kurz BUZ, um für den Fall einer eingeschränkten BU die Versorgungslücke klein zu halten. Es gibt jedenfalls gute Gründe, diese Vorsorge unter die Lupe zu nehmen – aber beizeiten. Jeder Interessierte kann zum Beispiel bei seinem Versorgungswerk erfragen, wie hoch seine Rente wäre, wenn er morgen voll berufsunfähig würde. Reicht sie auch, falls er ein Pflegefall würde? Hat er die Inflation einkalkuliert? Gerade in der Anfangsphase bedarf es einer finanziellen Rückendeckung, später können Vermögenswerte eventuelle Engpässe auffangen.

Idealerweise sichert der Selbstständige rund 75 Prozent des aktuellen Nettoeinkommens ab, um im Notfall den gewohnten Lebensstandard weiter zu ermöglichen. Die Faustformel zu diesem Betrag heißt: alle Einnahmen des Haushaltes im Fall einer BU auflisten, diese Summe vom derzeitigen Haushaltseinkommen abziehen, und schon offenbart sich die Versorgungslücke, die der Zahnarzt nur privat schließen kann.

Besser gut als billig

Die BUZ sei gerade für junge Selbständige gleich nach der Haftpflicht die wichtigste, betonen Fachleute. „Wählt der Freiberufler eine zu geringe monatliche BU-Rente, spart er eindeutig am falschen Ende“, warnt etwa Antonio Alcaide von der Kieler Versicherungsstelle für Zahnärzte (VfZ): „Entweder er sichert sich ganz ab oder gar nicht. Im Bedarfsfall sollte er jedenfalls frei sein von fremder Hilfe.“ Natürlich reizt es, preiswerte Alternativen zu suchen. Manchen mag als Absicherung der BU die preisgünstigere private Unfallversicherung verlockend erscheinen. Sie sollten bedenken, dass in 90 Prozent aller BU-Fälle aus einer Krankheit resultieren, nicht aus einem Unfall. Was nützt ein Schutz, der zu 90 Prozent aus Löchern besteht?

Generell gilt für eine BU-Police: besser gut als billig. Folgende Kriterien bestimmen die Höhe der Beiträge mit:

• Das Geschlecht

• Das Eintrittsalter des Versicherten. Je älter, umso höher sind die Beiträge.

• Das Alter des Versicherten bei Vertragsende: Bei einem Endalter von 60 Jahren fallen niedrigere Beiträge an als einer Police bis zum 65. Lebensjahr.

• Die Höhe der vereinbarten Rente.

• Die Vereinbarung zur Dynamik. Das heißt, dass die versicherten Beträge erhöht werden und ergo die Versicherung an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst wird, gleichzeitig aber auch jeweils die Beiträge steigen.

• Der Gesundheitszustand der zu versichernden Person. Will man Vorerkrankungen mitversichern, kann dies erhebliche Beitragserhöhungen bedeuten. Sie auszuschließen bedeutet, dass die Versicherung nicht zahlt, falls wegen dieser Erkrankung( en) eine BU festgestellt wird.

• Sonstige Vereinbarungen, wie weltweiter Versicherungsschutz oder Karenzzeit.

Lückenschluss

Anders als bei der obligatorischen Absicherung durch die Versorgungswerke kann der Kunde bei den privaten Anbietern wählen, ab welchem Grad der BU er eine Rente beanspruchen will. Der Markt bietet zwei Formen mit Staffel- oder Pauschalregelung. Bei der Staffelregelung wird erst ab 75 Prozent (bei einigen Verträgen 66 2/3 Prozent) BU die volle Rente gezahlt, zwischen 25 und 75 Prozent nur eine Teil-Rente entsprechend dem Grad der BU. Die Pauschalregelung sieht ab einer BU von mindestens 50 Prozent die volle Rente vor, darunter nichts. Sie hat sich im zahnärztlichen Bereich durchgesetzt. Konkret bedeutet sie: Ist ein Zahnarzt nachweislich über 50 Prozent berufsunfähig, zahlt die Versicherung die volle Rente aus. Dennoch darf der Zahnarzt im Rahmen seines verbliebenen Leistungsvermögens seine bisherige zahnärztliche Tätigkeit fortführen und – natürlich maximal die Hälfte des bisherigen Einkommens – dazuverdienen, ohne eine Rentenkürzung zu riskieren.

Welches der vielseitigen Angebote der privaten Assekuranz zu der individuellen Situation des Zahnarztes passt, kann er vermutlich nur einschätzen, wenn er sich mit einem Fachmann berät. Einige Knackpunkte für diese Analyse sind allerdings grundsätzlicher Art: Die BU kann wahlweise mit einer selbstständigen Police abgeschlossen oder mit einer Lebensversicherung (LV) gekoppelt werden, sei es eine Risiko-, Kapital- oder fondsgebundene LV.

Aufpassen sollte, wer sich für die Koppelung an eine andere Police entscheidet, warnt das Versorgungswerk Mecklenburg-Vorpommern. Wichtig ist in jedem Fall, dass die LV über die bisher aus steuerlichen Gründen bevorzugten zwölf Jahre hinaus läuft, damit der Kunde auch den an sie gekoppelten Schutz bei BU unbefristet und nach seinen Wünschen aufrechthalten kann, so empfiehlt die VfZ. Ihres Erachtens aber hilft eine Koppelung, den Wert der Praxis trotz eventueller Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten bis zum Verkauf auf dem gegebenen Niveau zu halten, weil das allein durch das Einstellen eines Praxisvertreters nicht möglich sei.

Fatal aber wäre eine Koppelung an eine maximal zwölfjährige LV, weil die angebundene Absicherung gegen BU dann ebenfalls endet. Wollte der Freiberufler das Risiko über diesen Zeitraum hinaus absichern, bräuchte er in diesem Fall einen neuen Vertrag. Sein Problem: Der wird teurer werden, oder sogar unsinnig bis unmöglich: Je älter der Kunde bei Neuabschluss, desto teurer die Versicherung und desto mehr Vorerkrankungen – weil in den letzten zwölf Jahren neue hinzukamen. Muss der Freiberufler für seine Tätigkeit wahrheitsgemäß wichtige gesundheitliche Einschränkungen angeben, fällt ein Risikozuschlag an. Oder die Versicherung lehnt einen neuen Vertrag ganz ab …

Mindestens ebenso hart trifft es ihn, falls er innerhalb der Vertragslaufzeit bereits anerkannt berufsunfähig wurde: Läuft die Rentenzahlung per Vertrag aus, steht der bereits Berufsunfähige in der Wüste: Seine Neuversicherung ist nicht mehr möglich.

Einige Versicherungsgesellschaften bieten eine kostenlose Nachversicherungsgarantie, ohne erneute Gesundheitsprüfung, begrenzen dieses jedoch auf bestimmte Ereignisse, wie den Erwerb der Facharztbezeichnung, Praxiseröffnung oder Familiengründung. Im Gegenzug verlangen sie eine erweiterte Gesundheitsprüfung beim Abschluss des Vertrages. Und setzen mit einem oberen Limit der Erhöhung der BUZ Grenzen.

Nach allen Regeln punkten

Damit der Zahnarzt im Krankheitsfall möglichst problemlos seine private Rente bekommt, sollte er vor Abschluss des Vertrages auf einige regelungsbedürftige Punkte achten, zum Beispiel Verzicht auf Verweisung, Arztanordnungsklausel, Gesundheitsfragen, rückwirkende Leistungen.

Verzichtet die Versicherung auf die so genannte „abstrakte Verweisung“, falls der Zahnarzt berufsunfähig wird? Eine BU liegt dann vor, sobald der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen voraussichtlich sechs Monate außerstande ist, seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Zahnarzt nachzugehen. Die Versicherung verzichtet also darauf, ihn auf eine andere berufliche Tätigkeit zu verweisen, die er aufgrund seiner zahnärztlichen Ausbildung und Erfahrung theoretisch noch ausüben könnte. (Allerdings liegt keine BU vor, wenn der Zahnarzt sich freiwillig eine andere berufliche Tätigkeit als Zahnarzt sucht, die seiner Ausbildung und Erfahrung entspricht.)

Pfiffige achten bei Vertragsabschluss auf die Formulierung „ausgeübte Tätigkeit“, die für sie einen größeren Vorteil bietet als die gerne angebotenen Worte „ausgeübter Beruf“. Das kann bares Geld bedeuten: Ein chirurgisch tätiger Zahnarzt konnte krankheitsbedingt nicht mehr operieren, sehr wohl aber noch als nicht-chirurgisch tätiger Zahnarzt arbeiten. Da er mit der Formulierung „zuletzt ausgeübte Tätigkeit“ vorgesorgt hatte, bezahlte die Versicherung die vereinbarte BU-Rente. Hätte er es bei „ausgeübter Beruf“ belassen, hätte sie ihn auf eine andere Tätigkeit innerhalb des Zahnarzt-Berufs verwiesen, statt zu zahlen.

Die so genannte Arztanordnungsklausel legt fest, was der versicherte Zahnarzt tun muss, um seine Gesundheit zu verbessern beziehungsweise die BU zu mindern. Die Assekuranz darf ihm so lange die Leistung verweigern, bis er ihre ärztlichen Anordnungen befolgt. Im besten Fall verzichtet die Gesellschaft auf diese Klausel. Falls sie im Vertrag enthalten ist, gilt es, die Mitwirkungspflichten genau zu spezifizieren. Die ärztlichen Anordnungen sollten gefahrlos, ohne besondere Schmerzen und mit sicherer Aussicht auf Erfolg definiert sein. Kritisch sind hingegen Mitwirkungspflichten zu sehen, die über normale orthopädische respektive Heil- und Hilfsmittel hinausgehen.

Die Fragen zum Gesundheitszustand im Antrag sollte jeder Versicherungsnehmer so genau wie möglich beantworten. Andernfalls gibt es Probleme, wenn etwa ein Zahnarzt wegen eines Rückenleidens berufsunfähig wird, aber im Antrag vergessen hat anzugeben, dass ihm wegen Rückenschmerzen Massagen verordnet wurden. Immer wieder finden Versicherungen unzutreffende oder unvollständige Gesundheitsangaben in Anträgen – dann dürfen sie vom Vertrag zurücktreten und die bis dato gezahlten Beiträge behalten. Gut beraten ist jeder Zahnarzt, darauf zu achten, dass die Versicherungsgesellschaft ihr Rücktrittsrecht begrenzt, üblicherweise auf bis zu fünf Jahre nach Abschluss. Wird der Zahnarzt dann ab dem sechsten Jahr berufsunfähig und hat vergessen im Antrag Gesundheitsprobleme anzugeben, kann die Versicherung nicht mehr vom Vertrag zurücktreten. Aber Vorsicht! Bei arglistiger Täuschung kann die Versicherung den Vertrag immer anfechten.

Leistung im Nachhinein

Rückwirkende Leistungen sollte ein guter Vertrag beinhalten. Denn bei einer schleichenden Erkrankung, etwa einer rheumatischen Entzündung, können weder der betroffene Zahnarzt noch sein behandelnder Arzt absehen, ob diese zu einer BU führen wird. Hält die dadurch bedingte BU sechs Monate an, kann der Zahnarzt eine Rente beantragen; laut Vertrag bekommt er nur Leistungen, wenn er voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen erkrankt ist. Bei einem einfacheren Vertrag würde er erst ab dem Monat eine Rente bekommen, in dem er den Antrag stellt, also im siebten Monat der Erkrankung. Idealerweise hätte er auf einer Klausel bestehen sollen, laut der die Versicherung mindestens drei Jahre rückwirkend leistet.

Zu viel des Guten

Diese Rückwirkung hat ihr Gutes, aber auch Nachteile. Das erfuhr eine Kollegin: Sie hatte sich relativ gut mit Krankentagegeld und einer BUZ für den Krankheitsfall abgesichert. Ohne Probleme erhielt sie aufgrund einer schweren Erkrankung das entsprechende Krankentagegeld. Als aber die BUZ rückwirkend die Leistungspflicht übernahm und ihre – im Vergleich zum Tagegeld wesentlich niedrigeren – Zahlungen geleistet hatte, traf Post von der Krankentagegeldversicherung ein. Die forderte die Rückzahlung ihrer Leistungen. Zu Recht, denn diese Versicherung zahlt gerade nicht bei einer BU. Zudem werden anerkannte Krankentagegeld-Leistungen, meist drei Monate nach Feststellung einer mehr als 50-prozentigen BU, vertragsgemäß eingestellt.

Die Vielfalt der möglichen Konstellationen verdeutlicht es: Die Ausgestaltung der privaten BU-Versicherung erfordert ein auf die persönliche Situation und Zielsetzung des Zahnarztes abgestimmtes Konzept. Das sichert idealerweise mehr ab als nur den beruflichen Bereich – eben auch andere, wie Familie und den Ruhestand.

Marion Pitzken, M.A.zm-RedaktionUniversitätsstraße 73, 50931 Köln

Dr. Sigrid OlbertzZahnärztin undMaster of Business AdministrationIm Hesterkamp 12a, 45768 Marl

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